Bochum, 8. Juli 2015:
Am 1. Juli 2015 erschienen in „PLOS one“ die Resultate der University of California San Diego (UCSD) Statin Study, einer plazebokontrollierten Studie an etwa 1000 Personen über 6 Monate während der Jahre 2000-2005. Es wurden deutliche Unterschiede zwischen Geschlecht und Alter gefunden: Generell reduzierten Statine die Aggression bei Männern und erhöhten sie bei Frauen (1).
Etwa 700 Männer und 300 postmenopausale Frauen wurden untersucht. Die Aggressivität wurde mit der Overt-Aggression-Scale-Modified-Aggression-Subscale (OASMa) beurteilt. Es fand sich eine signifikante Sex-Statin-Interaktion (p=0.008). Bei Männern bestand die Tendenz zu einer Aggressivitätsverminderung unter Statinen, die unter Pravastatin (40 mg) signifikant war. Männliches Alter unter 40 Jahren erhöhte die Reduktion des aggressiven Verhaltens, abhängig von dem Ausgangsbefund. Die Testosteronspiegel wurden durch Statine, insbesondere Simvastatin (20 mg) reduziert. Verschlechterung des Schlafs deutete auf eine Aggressiviätssteigerung unter Statinen hin. Bei postmenopausalen Frauen wurde unter Statinen die Aggressivität hingegen gesteigert. Der Statineffekt wurde bei beiden Geschlechtern besonders bei niedriger Ausgangsaggressivität beobachtet. Serotonin wurde in keiner Gruppe durch Statine beeinflusst.
Kommentar
Cholesterinerniedrigungen wurden schon seit einiger Zeit in etlichen Studien als mit Aggressivitätsveränderungen verbunden beobachtet, zumeist Erhöhungen; man vermutete auch Mechanismen, wie Statine umgekehrt die Aggressivität vermindern könnten (vgl. 2). Auch eine Testosteron-Verringerung unter Statinen wurde beschrieben (3). Jetzt wurde erstmals an einer großen Probandenzahl diesen Phänomenen nachgegangen. Wenn auch Aggression und Reizbarkeit nach Beginn einer Statintherpapie in der Sprechstunde der Erstautorin, Beatrice A. Golomb, recht selten auftraten (4), so sind die Ergebnisse für den praktisch tätigen Arzt sehr interessant: Sie bestätigen die – nicht immer von allen Ärzten als kausal angesehenen – Beschreibungen von Patienten über Statin-Nebenwirkungen wie schlechten Schlaf oder mangelndes Wohlbefinden und Verhaltensänderungen. Man wird also bei der Verschreibung von Statinen die Nutzen-Risiko-Abwägung, insbesondere bei Primärprävention, im Siunne einer „personalisierten Medizin“ zunehmend beachten müssen. Und Patientenangaben sollte man ohnedies immer ernst nehmen und dem Patienten auch das Gefühl vermitteln, dass man dies akzeptiert. Sonst könnte der „Nocebo-Effekt“ (siehe den DGE-Blogbeitrag darüber) auftreten (5).
Helmut Schatz
Literatur
(1) B. A. Golomb et al.: Statin effects on aggression: results from the UCSD Statin Study, a randomized control trial.
PLOS one, published July 1, 2015. DOI: 10.1371/journal.phone.0124451
(2) B. A. Golomb: Cholesterol and violence: is there a connection?
Ann Intern Med 1998. 128:478-487
(3) B. A. Golomb, S. Koperski: Testosterone change relates to lipid change of statins.
Circulation 2013. 127:AMP 17
(4) B. A. Golomb, in: M. O´Riordan: Statins linked with heightened aggression in women, but reductions in men.
http://www.medscape.com/viewarticle/847505_print
(5) H. Schatz: Der Nocebo-Effekt bei medizinischen Konsultationen: ‘Bad is more powerful than good’.
DGE-Blogbeitrag vom 16. Februar 2015
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