Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Anacetrapib, ein Hemmer des Cholesterinester-Transfer-Proteins (CETP), senkt LDL- und erhöht HDL-Cholesterin – vermindert es aber kardiovaskuläre Ereignisse?


Bochum, 17. Juni 2015:

Am 30. Mai 2015 wurden die Ergebnisse einer Phase-III-Studie (REALIZE) mit dem CETP-Hemmer Anacetrapib der Firma Merck & Co publiziert (1). Patienten mit mindestens sechs Wochen lang bereits bestmöglich therapierter heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie wurden randomisiert oral mit 100 mg Anacetrapib (n=204) oder  mit Plazebo (n=102) 52 Wochen lang behandelt. Ausgewählt wurden in 26 Lipid-Kliniken aus 9 Ländern Patienten mit heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie, die  unter Behandlung ohne kardiovaskuläre (CV) Ereignisse ein LDL-Cholesterin von ≥100 mg/dl / 2.59 mmol/l, bei positiver kardiovaskulärer Anamnese von ≥70 mg/dl / 1.81 mmol/l aufwiesen.

Primäres Ziel waren Cholesterinveränderungen und Sicherheit. 100 mg Anacetrapib senkten das LDL-Cholesterin in der Verumgruppe (n=204) gegenüber Plazebo (n=102) um knapp 40% (p<0.0001) und erhöhten das HDL-Cholesterin auf etwa das Doppelte  (p<0.0001). Unter Anacetrapib kam es zu 1 tödlichen Myokardinfarkt und 3 Episoden instabiler Angina pectoris (2%), unter Placebo wurde kein CV Ereignis registriert. Unter Verum traten keine Blutdruckerhöhung oder Veränderungen der Elektrolyte, Leberenzyme oder der Kreatinkinase auf,  jedoch zeigten sich in 9% Hautveränderungen im Vergleich zu 2% unter Plazebo.

Kommentar

Die Weiterentwicklung des CETP-Hemmers Torcetrapib  wurde wegen vermehrter CV Ereignisse bei  Steigerung des Blutdrucks in der ILLUMINATE-Studie eingestellt (2). Ebenso wurde die Entwicklung des CETP-Hemmers Dalcetrapib wegen CV-Wirkungslosigkeit  trotz eines 25%-igen HDL-Anstiegs in der dal-OUTCOMES-Studie beendet (3). Um das Outcome von Anacetrapib zu überprüfen, läuft zur Zeit die auf CV Ereignisse gepowerte REVEAL-Studie. Davon wird es wohl abhängen, ob das Prinzip der CETP-Hemmung weiter verfolgt werden soll oder nicht. Dass Anacetrapib ein positives CV Ergebnis bringen wird, ist aber nach REALIZE zumindest zweifelhaft.

Weitgehend Einigkeit unter den Lipidologen und Kardiologen herrscht darüber, dass HDL-Cholesterin zwar ein guter Risikomarker für CV Ereignisse ist, seine Erhöhung aber, wie mehrere Studien gezeigt haben, heute keinen Therapieansatz mehr darstellt.

In mehreren Blogbeiträgen der DGE zu den Berichten über die  IMPROVE-IT-Studie (4)  als auch über die  PCSK9-Hemmer wurde auf das „The lower the better“-Prinzip für LDL hingewiesen (5). Bei letzteren fehlen freilich noch die Daten über das Langzeit-Outcome, auf die man gespannt warten darf.

Helmut Schatz

Literatur

(1) J.J.P Kastelein et al.: Anacetrapib as lipid-modifying therapy in patients with heterozygous familial hypercholesterinaemia (REALIZE): a randomized, double-blind, placebo-controlled, phase 3 study.
Lancet 2015. 385: 2153-2161

(2) P.J. Barter et al.: Effect of torcetrapib in patients at high risk for coronary events.
N.Engl.J.Med. 2007. 357: 2109-2122

(3) G.G. Schwartz et al: Effects of dalcetrapib in patients with a recent acute coronary syndrome.
N.Engl.J.Med. 2012. 367: 2089-2099

(4) H. Schatz: Ezetimibe zusätzlich zu Simvastatin zeigt mäßigen Nutzen nach akutem Koronarsyndrom in IMPROVE-IT-Studie.
DGE-Blogbeitrag vom 18. November 2014

(5) H. Schatz: Innovativer Cholesterinsenker (PCSK9-Hemmer) knapp vor der Zulassung.
DGE-Blogbeitrag vom 25. Mai 2015

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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4 Antworten auf Anacetrapib, ein Hemmer des Cholesterinester-Transfer-Proteins (CETP), senkt LDL- und erhöht HDL-Cholesterin – vermindert es aber kardiovaskuläre Ereignisse?

  1. Helmut Schatz sagt:

    In Bezug auf das noch ausstehende Resultat REVEAL- Studie siehe meinen Kommentar vom 18. Juni 2015 zum Blogbeitrag vom 25. Mai 2015 über die bevorstehende Entscheidung der FDA und EMA zu den PCSK9-Hemmern, für die ebvenfalls die Ergebnisse von Outcome-Studien noch nicht vorliegen.

  2. Helmut Schatz sagt:

    Am 27.7.2015 teilte ELi Lilly mit, daß ihre Phase III-Studie an ~12 000 Patienten (ACCELERATE) mit dem CETP-Hemmer Evacetrapib bis 2016 weitergeführt wird. Dies entspricht der Empfehlung des FDA-Beratergremiums. Man erwartet eine starke HDL-Cholsterinerhöhung mit LDL-Absenkung. Nach einer Zwischenanalyse der Daten durch das Gremium hat sich somit wohl keine erhöhte kardiovaskuläre Ereignisrate gezeigt. Von Interesse ist freilich, ob diese Rate gesenkt wird oder nicht.

  3. Helmut Schatz sagt:

    Im Lancet vom 1. August 2015 wurden die Resultate der TULIP-Studie (Phase II) mit TA-8995, einem weiteren CETP-Hemmer der niederländischen Firma Dezima Pharma bei milder Dyslipidämie publiziert. LDL-Cholesterin wurde gesenkt und HDL-Cholesterin kräftig gesteigert. Es wurden keine ernsten Nebenwirkungen oder Zeichen einer Leber- oder Muskel-Toxizität beschrieben.

  4. TS sagt:

    Sehr geehrter Herr Professor Schatz!

    Ein wesentliches Einsatzgebiet des neuen Medikamentes ist der Fall der familiären Hypercholesterinämie (d. h. durch Genvariation sind die Cholesterinwerte im Blut erhöht). Die häufigste Ausprägung ist dort der sogenannte „Rezeptordefekt“, bei dem die Zellrezeptoren für die Aufnahme von Cholesterin aus dem Blut geschwächt sind. Es kann daher weniger Cholesterin in die Zellen aufgenommen werden, obwohl im Blut eigentlich genug zur Verfügung stehen würde. Die Zellen „rufen“ deshalb nach mehr Cholesterin, die Leber produziert und der Cholesterinspiegel steigt. Mit den bekannten Konsequenzen.
    Es besteht folgendes Bedenken: Bei einem Rezeptordefekt wird die Schwäche der Zellrezeptoren durch eine übermäßige Produktion von Cholesterin in der Leber und in der Folge im Blut ausgeglichen. Logisch wäre es, den Rezeptordefekt zu beheben, aber dazu sind wir (genetisch) noch nicht in der Lage. Wird jetzt der Cholesterinspiegel im Blut durch das neue Medikament gesenkt (gilt auch für Statine und PCSK9-Hemmer), dann setzt ja wieder eine Unterversorgung der Zellen ein und eine darauf folgende Cholesterinerhöhungsspirale. Wurde dieser Mechanismus untersucht?
    MfG TS

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