Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Bei Vollmond schlechter Schlaf – jetzt wissenschaftlich belegt.


Bochum, 28. Juli 2013

Bei Vollmond fällt die Aktivität in den Tiefschlafarealen des Gehirns um 30 % ab, man braucht zum Einschlafen 5 min länger und schläft 20 min kürzer. Der Serumspiegel des „Schlafhormons“ Melatonin, gebildet in Abhängigkeit von Hell/Dunkel in der Zirbeldrüse im Kopf, ist zur Zeit des Vollmonds trotz vollständiger Abdunkelung des Raumes tiefer (1).

Dies fanden Basler Forscher um Ch. Cajochen (1) bei ihren Schlaflaborstudien. Sie werteten retrospektiv die Daten ihrer Experimente vor etwa 10 Jahren bei 33 Testpersonen aus, die ursprünglich zur Erforschung der Tagesrhythmik biologischer Vorgänge beim Menschen erfolgten. Jetzt wurden die Angaben zur subjektiven Schlafqualität und die erhobenen Messwerte im Hinblick auf Vollmondnächte analysiert: Die Deltawellenaktivität im Elektroenzephalogamm während des „Non-REM“ (non-rapid eye movement) – Schlafs als Indikator eines tiefen Schlafs und die Melatonin- und Cortisolspiegel in den verschiedenen Schlafphasen. Die eingangs genannten Ergebnisse widerlegen die Auffassung, dass es ein Mythos sei, bei Vollmond schlechter zu schlafen.

Kommentar

Der Mensch als Teil der Natur unterliegt in vielerlei Hinsicht einer „Chronobiologie“ (siehe unten). Der für uns Menschen bedeutsamste Rhythmus ist der von Tag und Nacht, der „circadiane“ Rhythmus.
Der Mondrhythmus, der „circalunare“, ist ein infradianer, also länger als 24 Stunden dauernder Rhythmus. Offenbar ist dieser beim menschlichen Schlaf im Grunde noch erhalten, wenn er auch in der zivilisierten Welt durch das künstliche Licht und neuzeitliche Verhaltensmuster überdeckt wird. Die jetzt gemessenen, geringeren nächtlichen Melatoninanstiege zur Zeit des Vollmonds sind beim Menschen wohl in grauer Vorzeit durch die hellen Mondnächte biologisch angelegt worden. Man kann diesen prinzipiell erhaltenen circalunaren Rhythmus des Melatonins, den die Basler Forscher aufgedeckt haben, als eine der Ursachen für den immer wieder beobachteten, von vielen Schlafforschern (2) aber bestrittenen schlechteren Schlaf bei Vollmond ansehen.

Die Chronobiologie kennt verschiedene Rhythmen:

Infradiane Rhythmen: Ein Takt dauert länger als 24 h:

* Circannuale, also saisonale Rhythmen wie z.B. der Jahreszyklus (365,25 Tage):
Vogelzug, Winterschlaf, Mauserung der Tiere
* Circalunare, dem Mondzyklus folgend (28.5 Tage):
Palolowurm u.a., Menstruation der Frauen. Jetzt aufgezeigt: Melatoninsekretion
* Semilunare, assoziiert mit dem Abstand zwischen zwei Springfluten (bei Voll- und Neumond) oder zwei Nipptiden (bei Halbmond), 14.25 Tage:
Ablaichen der Ährenfische (Grunions) bei Springflut am Strand
* Circatidale, alle 12.5 Stunden, der Ebbe und Flut folgend.
Wichtig für Bewohner der Brandungszone wie Winterkrabben und Krebse
* Circadiane, ca. 24 h lang,
z.B. Schlaf-Wachzyklus des Menschen, Blattbewegungen von Pflanzen

Ultradiane Rhythmen: Mehrmals am Tage, meist ein exaktes Vielfaches eines Tages, etwa:

Fresszyklen von Feldmäusen,
90-minütiger Schlafzyklus beim erwachsenen Menschen,
pulsatile Freisetzung von Hormonen der Hirnanhangdrüse.

Helmut Schatz

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Literatur:

(1) Ch. Cajochen et al.: Evidence that the lunar cycle influences human sleep.
Current Biology, August 5, 2013. doi: 10.1016/j.cub.2013.06.029

(2) J. Zulley: Homepage www.zulley.de

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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