Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Beloranib führt zu Gewichtsabnahme über verminderte Fett-Biosynthese und Stimulierung der Lipolyse und Fett-Oxidation bei unverändertem Essverhalten


Bochum, 21. November 2015:

Bereits am 28. August 2013 erschien im Blog der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie ein Beitrag über Beloranib zur Gewichtsreduktion (1). Jetzt berichteten am 5. November 2015 Ashley Shoemaker et al. (2) auf der „Obesity Week 2015“ in Los Angeles über eindrucksvolle Resultate mit Beloranib, einen Methionin-Aminopeptidase-2-Inhibitor der Firma Zafgen (ZGN-440) bei Patienten mit Übergewicht und hypothalamischer Schädigung. Es kam in kurzer Zeit zu einer Gewichtsabnahme und Verbesserungen im kardio-metabolischen Profil. Die „Obesity Week“ ist der gemeinsame Jahreskongress der American Society for Metabolic & Bariatric Surgery und der Obesity Society.

Shoemaker et al. aus Nashville, Tennesee randomisierten für eine Phase II-Studie adipöse Erwachsene nach hypothalamischem Hirnschaden für eine Therapie mit 2x wöchentlich 1.8 mg Beloranib i.v. oder Plazebo über 4 Wochen, gefolgt von weiteren 4 Wochen als open-label extension, in der alle Patienten 1.8 mg Beloranib erhielten. Nach 4 Wochen zeigte die Beloranib-Gruppe gegenüber Plazebo eine signifikant stärkere Reduktion des hochsensitiven C-reaktiven Proteins (-13.7 vs. -4.7 mg/l) und signifikant unterschiedliche Veränderungen im Adiponektin (+1.5 vs. +0.3 /ug/ml ) und Leptin (-21.2 vs. -1.3 ng/ml). Gewichtsverbhalten:  -3.4 vs. -0.25 kg. Nach weiteren vier Wochen (open-label extension) blieben die Unterschiede bestehen: Hochsensitives C-reaktives Protein: -9.6 mg/l, Adiponektin +1.8 /ug/ml und Leptin -25.4 ng/ml. Es traten keine ernsten unerwünschten Nebenwirkungen auf.

Kommentar

Beim 72. Kongress der American Diabetes Association in Philadelphia 2012 war bereits über eine randomisierte, doppeltblinde Phase I – Studie mit Beloranib und über die Ergebnisse zur Sicherheit und Verträglichkeit der Substanz berichtet worden. 25 schwer adipöse Frauen hatten in 25 Tagen ~4 kg verloren, obwohl sie weiter so essen konnten wie sie wollten. Auch hatten die Triglyceride, der diastolische Blutdruck und das C-reaktive Protein abgenommen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Nausea, Reaktionen an den Infusionsstellen und Kopfschmerzen, meist mild bis mäßig und selbstlimitierend (3). Im März 2015 wurde von der Firma Zafgen mitgeteilt, dass eine multizentrische Phase-III-Studie über 6 Monate bei übergewichtig bis adipösen Patienten ab dem 12. Lebensjahr mit Prader-Willi-Syndrom anläuft (4).

Im Unterschied zu den Anti-Adipositas-Medikamenten Qsymia und Belvic wurden die günstigen Effekte mit Beloranib unter Beibehaltung der bisherigen Essensgewohnheiten, offenbar durch erhöhte Fettverbrennung erzielt. Eine verstärkte Thermogenese rückt heute beim Gewichtsproblem zunehmend in den Fokus (5). Unter Qsymia und Belvic, beides zentralnervös wirkende Medikamente, wurden schwere bis gefährliche Nebenwirkungen beobachtet. Für Beloranib muß erst langfristig getestet werden, wie sicher dieses Medikament in breiterer Anwendung ist. Sollten Sicherheit, Verträglichkeit und Effektivität über längere Zeiträume gegeben sein, so könnte Beloranib ein „Blockbuster“ werden. Es ist freilich zu bedenken, dass eine Hemmung der Methionin-Aminopeptidase-2 in den Organismus vielfältig eingreift: So wurde etwa ein derartiger Hemmer bereits 2004 zur Behandlung der Rheumatoiden Arthritis getestet (6), ebenso zur Therapie von Non-Hodgkin Lymphomen.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Helmut Schatz: Beloranib, ein Ansatz zur Therapie der Fettsucht: Beeinflussung des Fettstoffwechsels in der Körperperipherie, nicht von Gehirnzentren.
DGE-Blogbeitrag vom 28. August 2013

(2) Ashley Shoemaker et al.: Phase 2 trial of Beloranib, a methionine aminopeptidase 2 (Metab2) inhibitor, demonstrated improved cardio-metabolic profile with weight loss in patients with hypothalamic injury-associated obesity.
Obesity Week 2015, Los Angeles, November 5, Abstract T-OR-2068

(3) Dr. Sharma´s Obesity Notes: Obesity Drugs at the ADA.
http://www.drsharma.ca/obesity-drugs-at-the-ada

(4) Foundation for Prader-Willi Research: Phase 3 of ZGN-440 (Beloranib) in overweight or obese subjects with Prader-Willi Syndrome (bestPWS).
http://www.fpwr.org/phase-3-trial-of-zgn-440-beloranib-in-obese-subjects-with-prader-willi-syndrome/

(5) Helmut Schatz: Langsamer essen und vor jeder Mahlzeit einen halben Liter Wasser trinken: So könnten Sie abnehmen!
DGE-Blogbeitrag vom 16. Januar 2015

(6) Sylvie G. Bernier at al.: A methionine aminopeptidase-2 inhibitor, PPI-2458, for treatment of rheumatoid arthritis.
Proc Natl Acad Sci USA. 2004 Jul 20; 101(29): 10768-10773

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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Eine Antwort auf Beloranib führt zu Gewichtsabnahme über verminderte Fett-Biosynthese und Stimulierung der Lipolyse und Fett-Oxidation bei unverändertem Essverhalten

  1. Helmut Schatz sagt:

    Wenige Tage nach den im Blogbeitrag geäußerten Bedenken und Vorbehalten erscheint am 2. Dezember 2015 die Medlung, daß in der Studiengruppe mit Prader-Willi-Syndrom ein weiterer Patient unter Beloranib verstorben ist. Der 1. Patient verstarb im Oktober 2015 mit unklarer Todesursache. Beim 2. Verstorbenen wurde ein Verschluß der Pulmonalarterie festgestellt. Ein Zusammenhang mit Beloranib konnte nicht erwiesen werden konnte. Die Aktien der Herstellerfirma Zafgen fielen nach den Todesfällen gestern um 63 Prozent.

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