Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Canagliflozin, ein SGLT2-Hemmer, von der U.S.-Arzneimittelbehörde FDA für die Zulassung bei Typ-2-Diabetes empfohlen


Bochum, 16. Januar 2013: Canagliflozin (Invokana, Firma Janssen, LLC), ein Hemmer des renalen Natrium-Glukose-Rücktransporters SGLT2, wurde am 10. Januar 2013 der FDA mit 10:5 Stimmen für die Zulassung bei Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes empfohlen. Ein separates Beraterkomitee hatte mit 8:7 Stimmen Bedenken zur kardiovaskulären Sicherheit geäussert. Eine Entscheidung der FDA wird bis Ende März 2013 erwartet (1).

Vor 1 Jahr hatte die FDA gegen die Zulassung eines anderen SGLT2-Hemmers, des Dapagliflozin (Bristol-Myers Squibb und AstraZeneca) votiert. Es bestanden Bedenken wegen eines erhöhten Risikos für Blasen- und Brustkrebs. Die Berater der Europäischen Behörde EMA hatten am 20.4.2012 jedoch Grünes Licht für Dapagliflozin gegeben (2), welches am 14.11.2012 auch zugelassen wurde (3). Dessen Handelsname ist Forxiga®. Die FDA-Berater sahen für Canagliflozin zwar kein potenzielles Krebs-Risiko, jedoch ein isoliertes Signal für vermehrte Schlaganfälle (Hazard-Ratio HR 1.5). Bei Betrachtung aller ernsten kardiovaskulären Ereignisse zusammen (MACE-plus) war dies nicht der Fall, die HR betrug hier 0.91. Zur Zeit läuft die von der FDA seit 2008 für alle neuen Diabetesmedikamente geforderte Langzeitstudie über deren kardiovaskuläre Sicherheit (CANVAS, Canagliflozin Cardiovascular Assessment Study). Im Jahre 2015 sollen die Daten vorliegen. In den ersten 30 Tagen der Studie wurden unter Canagliflozin 13 kardiovasuläre Ereignisse beobachtet, unter Placebo nur 1 Ereignis. Die HR von 6.5 war bei der geringen Fallzahl erwartungsgemäß nicht signifikant.

Kommentar

Es ist erfreulich, dass die Zulassungsbehörden heute so strenge Massstäbe an neue Diabetesmedikamente anlegen. Wir haben ja schon eine lange Reihe wirksamer Antidiabetika verfügbar, wobei das Insulin, jetzt bald ein Jahrhundert im Einsatz, als ultima ratio immer zur Verfügung steht (sieht man von den heute äusserst selten gewordenen immunologischen Komplikationen wie einer IgE-vermittelten Insulin-Sofortallergie ab). Dass die Europäische und die US-Behörde EMA und FDA zu unterschiedlichen Beurteilungen kommen können, darf nicht verwundern, es zeigt nur, wie sorgfältig gearbeitet wird. Natürlich mag man den Standpunkt vertreten, dass bei neuen Medikamenten für Erkrankungen, bei denen schon wirksame Mittel zur Verfügung stehen (anders als bei solchen, wo dies noch nicht der Fall ist) letzte Sicherheit gegeben sein muss. Dann hätte man aber Jahre und Jahrzehnte lang zu warten und die Therapie würde stagnieren. Durch die Auflagen für Post-Marketing-Studien wird dem Sicherheitserfordernis aber in angemessener Weise Rechnung getragen.

Literatur:

(1) Miriam E. Tucker: FDA Advisory Panel Supports Diabetes Drug Canagliflozin
http://www.medscape.com/viewarticle/777503_print

(2) Helmut Schatz: Grünes Licht für den SGLT2-Hemmer Dapagliflozin von der EMA
DGE-Blog-Beitrag vom 21. April 2012

(3) Helmut Schatz: Dapagliflozin in der Europäischen Union zugelassen
DGE-Blog-Beitrag vom 15. November 2012

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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3 Antworten auf Canagliflozin, ein SGLT2-Hemmer, von der U.S.-Arzneimittelbehörde FDA für die Zulassung bei Typ-2-Diabetes empfohlen

  1. Strumpf sagt:

    Die Steigerung der Glukoseausscheidung im Urin durch Absenkung der Nierenschwelle für Glukose zur Diabetesbehandlung wurde wohl schon in der Auyurvedischen Medizin verwendet. In der Charaka Samhita, einer diese zusammenfassenden Schrift , wurde nicht nur eine erstaunlich moderne Einteilung beschrieben , die unserem Typ-1 und Typ-2 Diabetes entspricht, sondern es wurden auch neben „stundenlangen Märschen und Graben von Erdlöchern“ zur Behandlung „bittere und adstringierende Substanzen“ empfohlen. Phlorizin wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich aus der – bitter schmeckenden – Apfelbaumrinde isoliert, welches durch unselektive Hemmung des renalen Glukoserücktransports zu einer Glukosurie, dem „Phlorizin-Diabetes“ führt. Jetzt ist in der Europäischen Union der erste selektive SGLT2-Hemmer, das Dapagliflozin, bereits zugelassen, weitere wie das Canagliflozin und andere werden wohl bald folgen. Die Pharmazeutische Insustrie entwickelt aber bereits wieder weniger selektive, kombinierte SGLT1- und 2-Hemmer, mit einem anderen Indikationsspektrum.

  2. max sagt:

    Es ist schon erstaunlich, wie man den Blutzuckerspiegel abzusenken versucht: War die Verringerung der Kohlenhydrataufnahme in oberen Darmabschnitten durch Enzymhemmung der Alphaglucosidase mit Acarbose, anstatt weniger zu essen schon ein eigenartiger Weg, so ist es jetzt die Blockierung der Glukoserückresorption in der Niere durch die SGLT2-Hemmer wie Dapagliflozin, Canagliflozin und andere, die propagiert wird. Der erhöhte Blutzucker wird gesenkt, indem diese Substanzen die normale Rückresorption der Glukose in der Niere hemmen. Dann verliert man Zucker mit dem Harn. Unbefangene könnten sagen: „Der Teufel wird mit Beelzebub ausgetrieben“. Aber es funktioniert wohl , wenn auch nur in bescheidenerem Maße. Also weiter gut essen, der Zucker wird schon mit dem Harn wieder herauskommen! So ist eben der Mensch. Hoffentlich werden sich nach längerer Zeit keine Schäden einstellen, wenn der Urin andauernd größere oder kleinere Mengen Zucker enthält. Bei dem Krankheitsbild der Renalen Glukosurie passiert freilich dadurch nichts Schlimmes. Man wird abwarten müssen und sehen.

  3. OSKAR 98 sagt:

    Die G-BA will offensichtlich die die Verweigerung der Zulassung den Krankenkassen helfen besonders viel Geld einzutreiben, weil SGLT2-Hemmer teurer sind. Aber die Langzeitwirkung verbessert sich zugunsten der Patienten. D.h. Die Krankenkassen haben keine Hebelwirkung für die Preisgestaltung. Oder sehe ich das falsch ?
    Ich selbst habe Forxiga bekommen und sehr gute Erfahrungen machen können. Ein erheblicher Nachteil war, das eine Harnweginfektion entstanden ist.

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