Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Corticosteroide hemmen Entzündungsreaktionen auch über pro-entzündliche Signalwege


Bochum, 27. Juli 2015:

In Nature Communications wurde am 17. Juli 2015 publiziert, dass für die Hemmung von Entzündungsreaktionen in der Lunge durch Glucocorticoide pro-entzündlich wirkende Signalwege mit dem Glucocorticoidrezeptor in Makrophagen zusammenwirken müssen (1).

Glucocorticoidhormone, wie Cortisol beim Menschen oder Corticosteron bei der Maus, sowie synthetische Analoga wie Prednisolon oder Dexamethason haben äußerst potente anti-inflammatorische Wirkungen. Sie sind aber mit Nebenwirkungen, etwa mit Diabetes oder Osteoporose behaftet. Deswegen stellt das Verständnis der genauen molekularen Mechanismen die Basis dar, um spezifischer wirkende Liganden für den Glucocorticoidrezeptor zu entwickeln. Seit den 1990iger Jahren ist die gängige Meinung, dass Aktivierung dieses Rezeptors nach Glucocorticoidgabe Entzündungen unterdrückt, indem der Rezeptor als Einzelmolekül im Zellkern von Leukozyten Transkriptionsfaktoren hemmt, die Entzündungsmediatoren regulieren. Viele große Pharmaunternehmen haben daher die Entwicklung selektiver Liganden vorangetrieben, welche diese Einzelmolekül-Funktion des Glucocorticoidrezeptors ansteuern und Entzündungshemmung erreichen sollten, unter Vermeiden von Nebenwirkungen, die seiner Doppelmolekül-Form zugeschrieben wurden. Leider sind aus umfangreichen Drug-Screening-Programmen nur wenige Substanzen bis zum Stadium klinischer Studien gelangt. Ein Grund könnte der jetzt entdeckte, neue Mechanismus der anti-entzündlichen Wirkung von Glucocorticoiden sein.

In den Untersuchungen der Gruppe von Jan Tuckermann (1) spielt die Hemmung von pro-entzündlichen Signalwegen eine eher untergeordnete Rolle. Vielmehr ist die Aktivität dieser entzündlich wirkenden Signalwege entscheidend, um zusammen mit einem Glucocorticoidrezeptor- Doppelmolekül anti-inflammatorische Mediatoren zu induzieren und Entzündungen effektiv zu unterdrücken. In einem Mausmodell für akute Lungenschädigung zeigen die Tiere, welche einen genetischen Defekt im Glucocorticoidrezeptor besitzen, der die Doppelmolekül-Bildung des Rezeptors verhindert, dass Dexamethason nicht in der Lage ist, eine Entzündung zu unterdrücken. Insbesondere konnten diese Mäuse nicht die durch Dexamethason bewirkte Stabilisierung der endothelialen Barriere in Lungen aufrecht erhalten. Dadurch kam es trotz Dexamethason zu vermehrter Ödembildung und zellulären Infiltrationen in den Lungen. Infolge eines Defektes der Makrophagen konnte ein Gewebshormon, das Lipid Sphingosin-1-Phosphat, nach Dexamethasongabe nicht gebildet werden, welches normalerweise die Barriere-Funktion der Gefäßwand fördert. Die Ursache war eine fehlende Induktion des Sphingosin-Kinase 1 – Gens (Sphk1), das für die Produktion von Sphingosin-1-phosphat verantwortlich ist. Die genetische Entfernung des Sphk1 Gens in Mäusen führte zu einer kompletten Aufhebung der Dexamethason-Wirkung. Bei genauerer Analyse der Induktion des Sphk1 – Gens durch das Glucocorticoid Dexamethason stellte sich heraus, dass pro-entzündlich wirkende Kinasen wie p38 und MSK1 absolut notwendig sind. Diese Kinasen werden durch Entzündungsstimulatoren wie Lipopolysaccharide oder Tumor-Nekrose- Faktor aktiviert. Dies bedeutet, dass in einer frühen Phase der Inflammation Glucocorticoide in Zusammenarbeit mit Entzündungsmediatoren inflammatorische Reaktionen unterdrücken.
Ob diese Befunde an transgenen Mäusen auf den Menschen übertragbar sind, muss, wie Tuckermann betont, noch geklärt werden. Die Glucocorticoidgabe bei akuten Entzündungsreaktionen ist umstritten, es gibt jedoch Studien mit Methylprednisolon die positive Wirkungen bei bestimmten Dosierungen nahe legen (2). .Untersuchungen mit Dexamethason sind zur Zeit noch nicht abgeschlossen (3). Dennoch sind diese Erkenntnisse insofern richtungsweisend, dass eine Hemmung von molekularen Entzündungs-Signalkaskaden nicht immer zum gewünschten Ziel führen muss. Vielmehr liegen nach Tuckermann in Entzündungswegen auch Komponenten zur Beendigung von Entzündungsreaktionen, die man in Zukunft therapeutisch anzusteuern versuchen sollte.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Vettorazzi S, Bode C, Dejager L, Frappart L, Shelest E, Klaßen C, Tasdogan A, Reichardt HM, Libert C, Schneider M, Weih F, Henriette Uhlenhaut N, David JP, Gräler M, Kleiman A, Tuckermann JP:
Glucocorticoids limit acute lung inflammation in concert with inflammatory stimuli by induction of SphK1.
Nat Commun. 2015 Jul 17; 6:7796. doi: 10.1038/ncomms8796.

(2) Torres A et al: Effect of corticosteroids on treatment failure among hospitalized patients with severe community-aquired pneumonia and high inflammatory response: A randomized clinical trial.
JAMA. 2015; 313(7):677-686. doi:10.1001/jama.2015.88

(3) Dr. Negrin University Hospital and Fundacion Mutua Madrilena: Efficacy study of dexamethasone to treat the acute respiratory distress syndrome.
NIH Study No. NCT01731795

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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