Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Endokrine Orbitopathie bei Morbus Basedow: Besserung durch Teprotumumab, einen monoklonalen Antikörper zur Hemmung des Insulin-like Growth Factor-1 (IGF-1) – Rezeptors


Bochum, 14. Mai 2017:

In einer randomisierten, plazebokontrollierten doppelblinden Studie an Patienten mit endokriner Ophthalmopathie (EO) besserte die Infusion des monoklonalen IGF-1 – Rezeptor-Antikörpers Teprotumumab nach 24 Wochen signifikant die Endokrine Orbitopathie. Diese Studie erschien am 4. Mai 2017 im New England Journal of Medicine  mit unserem DGE-Mitglied George J. Kahaly, Mainz,  als Zweitautor (1).

Methodik: Es wurden 88 Patienten  mit einer aktiven, mässigen bis schweren Orbitopathie mit dem Antikörper oder Plazebo alle 3 Wochen, insgesamt 8x, für 24 Wochen behandelt.  Als primärer Endpunkt wurde eine Reduktion im Clinical Activity Score von 2 oder mehr Punkten definiert (dieser reicht von 0 bis zu 7 Punkten, wobei ein Score von =/>3 Punkten eine aktive Ophthalmopathie anzeigt), sowie ein  Rückgang der Proptosis um =/> 2 mm.  Sekundäre Endpunkte waren, gemessen als kontimuierliche Variable, die Proptosis, der Clinical Activity Score und die Resultate eines  EO-spezifischen Fragebogens zur Lebensqualität.

Resultate: In der Intention-to-treat-Analyse zeigten nach 24 Wochen 29 der 42 Patienten (69%), die Teprotumumab erhielten, ein positives Ergebnis, im Vergleich zu 9 von 45 (20%) unter Plazebo (p<0.001, siehe Abbildung 1 aus Lit.1).   Der therapeutische Effekt setzte rasch ein. Schon nach 6 Wochen war der Unterschied signifikant und nahm weiter zu. Als einzige unerwünschte Nebenwirkung wurden Blutzuckeranstiege bei Diabetespatienten beobachtet, denen durch Anpassung der Diabetesmedikation begegnet wurde.

Abbildung, aus Lit. (1)

Kommentar

Seit Sidney Werner in der 1960er Jahren Prednisolon beim Basedow-Hyperthyreosen mit der Vorstellung einsetzte, diesen damit pathogenetisch zu behandeln und dabei feststellte, dass sich die Augensymptome besserten (2), gehören Glukokortikoide zur Standardtherapie der EO. Nicht alle EO-Patienten sprechen aber auf Kortikoide gut an, auch nicht immer auf Retrobulbärbestrahlung oder Plasmapherese. Viele bezeichneten daher die EO als „crux medicorum“.  Korrekturoperartionen sind erst vergleichsweise jüngeren Datums und sollten auch nicht in noch aktiver Krankheitsphase erfolgen.  Die vorliegende Studie stellt somit einen wichtigen Beitrag für die konservative Behandlung der EO dar. Teprotumumab wurde ursprünglich als Krebsmittel entwickelt. Nun hat es sich bei der EO als wirksam erwiesen. Der Referent hat in seiner Wiener Zeit in den 1960er Jahren Zytostatika (Chlorambucil  sowie Purinethol und Methotrexat) zur Immunosuppression bei Patienten mit EO und prätibialem Myxöden eingesetzt. Er beobachtete parallel mit einem Abfall der hohen Spiegel des Long-acting Thyroid Stimulators LATS (später als TSH-Rezeptorantikörper identifiziert) eine Besserung des klinischen Bildes (3,4). Dass jetzt der ursprünglich als Krebsmittel entwickelte Antikörper gegen den IGF-1 – Rezeptor so schöne Ergebnisse gebracht hat, ist höchst erfreulich und es ist zu hoffen, dass Teprotumumab gute Langzeitergebnisse bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit zeigen wird.

Im Zusammenhang mit  der Thematik „Auge-IGF-1“  darf hier darauf hingewiesen werden, dass von der Bochumer Arbeitsgruppe des Referenten bei neovaskulären Augenerkrankungen wie der proliferativen diabetischen Retinopathie bis zu etwa 10-fach erhöhte IGF-1 und -2 – Spiegel im Auge gefunden wurden (5). Diese wurden aber als sekundär zu einer lokalisierten Ischämie und nicht als ursächlich angesehen, sodass eine Blockade der IGF-1-Rezeptoren durch Teprotumumab bei diesem Krankheitsbild wohl kaum in Frage kommen wird.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Terry J. Smith, George J. Kahaly et al.: Teprotumumab for thyroid-associated ophthalmopathy.
NEJM 376:1748-1761 , 4. Mai 2017

(2) Sidney C. Werner: Prednisolone in emergency treatment of malignant exophthalmos.
Lancet 1: 1004, 1966

(3) Dieter Depisch, Rudolf Höfer, Helmut Schatz: LATS levels and conventional antibody titers. Relationship and reaction to immunosuppressive therapy.
Kongress der European Thyroid Association (ETA), Marseille 5.-7. September 1968, Abstract

(4) Dieter Depisch, Rudolf Höfer, Helmut Schatz: Der Einfluss von immunosuppressiver Therapie auf den Long-Acting Thyroid Stimulator (LATS) und das klinische Bild bei Patienten mit lokalisiertem Myxödem und Exophthalmos. Wien.
Klin. Wschr. 81(1969): 8-10

(5) R. Meyer-Schwickerath, A. Pfeiffer et al.: Vitreous levels of the insulin-like growth factors I and II, and the insulin-like growth factor bindings proteins 2 and 3, increase in neovascular eye disease.
J. Clin. Invest. 92 (December 1993): 2620-2625

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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4 Antworten auf Endokrine Orbitopathie bei Morbus Basedow: Besserung durch Teprotumumab, einen monoklonalen Antikörper zur Hemmung des Insulin-like Growth Factor-1 (IGF-1) – Rezeptors

  1. Melanie sagt:

    Guten Tag,
    Wo und wie bekomme ich dieses Medikament in Berlin?
    Ich war im Virchow Klinikum und dort kannten sie dieses Medikament nicht einmal. Ich möchte mich gerne damit behandeln lassen aber ich weiß nicht wo es so eine Behandlung gibt. Können sie mir bitte weiter helfen?

  2. Helmut Schatz sagt:

    Das Medikament ist noch nicht zugelassen und wird nur im Rahmen klinischer Studien eingesetzt. In Berlin ist mir kein Studienzenrum bekannt. Eine Studie läuft bei Prof. George Kahaly, Universitätsmedizin Mainz. Es werden dort aber nur frische EO-Patienten aufgenommen (meines Wissens innerhalb von 6 Monaten nach Auftreten der EO). Fragen Sie dort nach. Natürlich kann es, wie immer bei plazebokontrollierten Doppelblindstudien, der Fall sein, dass man in die Plazebogruppße randomisiert wird. Dann erhält man nur ein wirkungsloses Scheinmedikament, ohne dass Patient und behandelnder Arzt dies vor Studienende wissen.

  3. jada sagt:

    hallo
    werden klinische studien mit teprotumumab auch in der schweiz angeboten ?

  4. Helmut Schatz sagt:

    Fragen Sie Professor George Kahaly, Universitätsmedizin Mainz, oder Frau Prof. Spitzweg, Uni München.
    Helmut Schatz

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