Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Fäkalbehandlung – eine Option bei Übergewicht und Diabetes? Machen Darmbakterien dick?


Bochum, 19. Januar 2013: Bei der 18. Jahrestagung der Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie in Aachen stellte am 18. Januar 2013 Prof. Michael Roden, Düsseldorf die Daten über Stoffwechseleffekte der „Fäkaltherapie“ von Vrieze et al. vor: Die Amsterdamer Autoren hatten gefunden, dass intraduodenale Infusion kleiner Stuhlmengen von gesunden, schlanken Spendern 6 Wochen später die Insulinempfindlichkeit bei übergewichtigen, männlichen Patienten mit Metabolischem Syndrom erhöhte (1).

Die mittlere Glukoseverschwinderate stieg in dieser Studie von 26.2 auf 45.3 mikromol/kg/min, p<0.05). Auch die Butyrat-produzierenden Bakterien im Darm wurden verändert gefunden. Die gleiche Arbeitsgruppe publizierte auch Resultate mit der „fecal microbiota transplantation (FMT, Stuhlbakterientransplantation) bei Patienten mit rezidivierender pseudomembranöser Enterokolitis. Die Erfolgsrate lag bei 81% damit weit über der einer Vancomycingabe allein oder mit Darmlavage (31% bzw. 23%, beide p<0.001). Wegen dieser eindeutigen Resultate bei einer Interimsanalyse wurde die Studie vorzeitig beendet (2).

Kommentar des Referenten

Über gute Erfolge mit der Fäkaltherapie bei Patienten mit schwersten Durchfallerkrankungen vom Typ der pseudomembranöser Enterokolitis wurde schon 1958 von Ärzten aus Denver, USA berichtet. In der Folgezeit wurde die Rolle von Clostridium difficile erkannt und die gezielte antibiotische Therapie zum Standard. Heute erleiden aber 25% der antibiotisch behandelten Patienten ein Rezidiv, und davon weitere 35-45% nochmals Rückfälle (3). Die Daten der Amsterdamer Gruppe (2) sprechen hier die die Fäkaltherapie. Die Stuhlbakterientranplantation wird auch zur Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder des Reizdarmsyndroms diskutiert, eine geänderte Darmbakterien-Zusammensetzung für die Entstehung etwa von Dickdarmkrebs.

Die Ergebnisse der Fäkalbehandlung bei Stoffwechselerkrankungen (1) rücken den Darm erneut in den Vordergrund des Interesses der Stoffwechselforscher. Schon vor Jahren wurden Befunde erhoben, dass im Darm von Übergewichtigen und Typ-2-Diabetespatienten ein Ungleichgewicht zwischen den beiden wichtigsten Darmbakteriengruppen der Firmicutes und der Bakteroidetes bestünde (4). Die Ernährung hat anscheinend einen Einfluss auf das Verteilungsmuster der Darmbakterien, wie auch auf dem Europäischen Adipositaskongress in Lyon 2012 an 26 adipösen und 27 nicht adipösen Kindern berichtet wurde. Bei übergewichtigen Kindern beobachtete man vermehrt Bakterien der Gruppe Firmicutes im Vergleich zu Bakteroidetes.

Die „Mikrobiom“-Forschung ergänzt die Charakterisierung der Eiweißzusammensetzung („proteomics“) und das Studium der komplexen Stoffwechselprozesse („metabolomics“). Sie belebt auch die Diskussion um den Einfluß der Nahrungszusammensetzung auf die Darmflora: Fast Food, Rohkost mit Obst und Gemüse oder eine fett- und kohlenhydratreiche Kost können offenbar eine unterschiedliche bakterielle Besiedelung im Darm hervorrufen. Durch „Prebiotics“(5) in der Nahrung, also kaum unverdauliche Nahrungsbestandteile wie Faserstoffe, trans-Galaktooligosaccharide oder Inulin soll das Wachstum von „guten“ Bakterienstämmen im Darm angeregt und damit der Stoffwechsel günstig beeinflusst werden. Von den „guten“ Bakterien, in Lebensmitteln wie etwa Joghurt enthalten oder auch zugesetzt („Probiotika“), kommen allerdings nach der Magenpassage nur wenige im Darm an. Die Nahrungsmittelindustrie hat sich der werbewirksamen Bezeichnungen „präbiotisch“ oder „Probiotika“ bemächtigt. Probiotisch bedeutet „für das Leben“ im Gegensatz zu antibiotisch, wörtlich „gegen das Leben“.

Ein interessantes medizinhistorisches Detail zum Schluss, gefunden in „Spiegel online“ vom 17. Januar 2013: In früherer Zeit hätten „Pferdedoktoren einem Ross mit Darmkoliken eine Brühe eingeflösst, die man mit Pferdeäpfeln eines gesunden Tieres angerührt“ hätte. Diese Therapie sei „Transfaunierung“ genannt worden (6) . Den Ausdruck konnte ich trotz intensiver Suche weder im Internet noch in Büchern finden. Sie wird in der Veterinärmedizin offenbar heute nicht mehr angewandt. Jetzt erlebt die Fäkaltherapie eine Renaissance beim Menschen.
Helmut Schatz, Bochum

Literatur:

(1) A. Vrieze et al.: Transfer of intestinal microbiota from lean donors increases insulin sensitivity in individuals witrh metabolic syndrome.
Gastroenterology 2012 oct; 143(4):913-6.e7. doi: 10.1053/j.gastro.2012.06.031. Epub 2012 Jun 20

(2) E. van Nood et al.: Duodenal infusion of donor feces for recurrent Clostridium difficile.
New Engl.J.Med., January 16, 2013. DOI: 10.1056/NEJMoa1205037

(3) C.P. Kelly: Fecal microbiota transplantation – and old therapy comes of age. Editorial.
New Engl. J. Med., January 16, 2013. DOI: 10.1056/NEJMe1214816

(4) J. Qin et al.: A metagenome-wide association study of gut microbiota in type 2 diabetes.
Nature 2012; doi:10.1038/nature11450

(5) M. Roberfroid et al.: Prebiotic effects: metqabolic and health benefits.
Br. J. Nutr. 2010 Aug; 104 Suppl. 2: S1-63. doi: 10.1017/(S0007114510003363

(6) J. Blech: Fäkalien-Transplantation: Ekel-Therapie heilt Darmkrankheiten.
Spiegel online vom 17.1.2013

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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2 Antworten auf Fäkalbehandlung – eine Option bei Übergewicht und Diabetes? Machen Darmbakterien dick?

  1. Harro sagt:

    Bein der Fäkaltherapie handelt es sich in der Tat um ein in der Veterinärmedizin jahrhundertealtes Verfahren. EIn Mitglied unserer Gesellschaft, selbst auch Gastroenterologe, fand heraus, dass der Ausdruck „tranfaunation“ in der englischsprachigen Literatur auch heute aufscheint. L.J. Brandt, New York, schrieb in seiner Übersichtsarbeit „Intestinal microbiota and the role of fecal microbiota transplant (FMT) in treatment of C.difficile infection“ im Jahre 2013: …“FMT also has been used for centuries in veterinary medicine per rectum to treat horses with diarrhea or per os as rumen transfaunation to treat a variety of illness in cattle“ (Am J Gastroenterol advance online publication 15 Jan 2013; doi:10.1038/ajg.2012.430). Auch in der Dissertation von Bardhyl Noci am Fachbereich Veterinärmedizin der FU Berlin aus dem Jahre 2009 wird der Ausdruck „Tranfaunierung“ gebraucht, allerdings in einem anderen Zusammenhang. Damit werden hier die physiologischen Vorgänge bei der Bakterienbesiedlung des Pansen (englisch: rumen) von Kälbern bezeichnet.

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