Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Fettsuchtmedikament Qsiva von EMA erneut abgelehnt


In USA als Qsymia™ zugelassen, mit positiven Ergebnissen in der CONQUER-Studie.
Exenatid (Byetta™) zur Gewichtsabnahme?

Bochum, 19. März 2013:

Die Europäische Arzneibehörde EMA hat am 26. Februar 2013 die Kombination aus Phenteramin und Topiramat mit verzögerter Freisetzung (Qsiva der Firma Vivus) zur Behandlung der Obesitas erneut abgelehnt. Grund waren kardiovaskuläre Sicherheitsbedenken wegen Beschleunigung der Herzfrequenz sowie möglicher psychiatrischer Langzeitfolgen (1).

Während der US-Amerikanische Arzneibehörde FDA diese Kombination aus einer amphetaminähnlichen Substanz und einem Antiepileptikum (Qnexa, später Qsymia™ genannt) am 22. Februar 2012 zur Zulassung empfohlen wurde (2), die mittlerweile mit Auflagen am 19. Juli 2012 erfolgt ist, wurde diese Wirkstoffkombination jetzt von der EMA zum 2. Mal abgelehnt. Die Nachteile wie beschleunigte Herzfrequenz sowie mögliche langfristige psychiatrische Probleme und eingeschränkte kognitive Funktionen, bei Einnahme während der Schwangerschaft auch kindliche Fehlbildungen wie etwa Gaumenspalten würden gegenüber dem Vorteil einer Gewichtsabnahme überwiegen. Auch dürften Patienten mit Schilddrüsenüberfunktion oder Herzerkrankungen wie etwa Rhythmusstörungen das Kombinationspräparat nicht einnehmen (1).

Kommentar

In einem Blog-Beitrag vom 5. Juli 2012 wurde vom Referenten die Ansicht geäussert (3), man solle die Ergebnisse, insbesondere die Nebenwirkungen dieses Präparates in den USA abwarten. Die Zulassung von Qsymia erfolgte von der FDA mit der Auflage einer „risk evaluation and mitigation strategy (REMS) und einer kardiovaskulären outcome-Studie nach Markteinführung. Eben wurde im American Journal of Cardiology online die CONQUER-Studie publiziert (4): In dieser doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie an Patienten mit einer Dyslipidämie und/oder Bluthochdruck bei einem Body Mass Index (BMI) von 27-45 wurde über 56 Wochen unter Einnahme von Qsymia eine beträchtliche Gewichtsabnahme erzielt, verbunden mit einer deutlichen Verbesserung des Lipidprofils und des Blutdrucks. Etwa 4% erlebten kardiale Nebenwirkungen.

Mit Rimonabant (Acomplia®) und Sibutramin (Reductil®) mussten in Deutschland in jüngerer Zeit zwei Anti-Obesitas-Medikamente wegen ihrer erheblichen Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen werden. Ähnliche Zurückhaltung empfiehlt sich für Lorcaserin (Belviq®), einen Serotonin-Rezeptor-Aktivator zur Appetitzügelung, der in den USA am 27. Juni 2012 approbiert wurde. Im Jahre 2010 war er von der FDA wegen eines kanzerogenen Potentials bei Versuchstieren abgelehnt worden.

Zur Zeit ist in Deutschland als Medikament zur Unterstützung einer diätetischen Gewichtsabnahme nur Orlistat (Xenical®, Generika) erhältlich. In den USA wird zur Zeit Exenatid (Byetta™ ) als Anti-Adipositas-Medikament bei Kindern und Jugendlichen von 12-18 Jahren mit einem BMI über 35 erprobt (5).

Helmut Schatz

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Literatur

(1) L. Nainggolan: EU rejects obesity drug Qsiva for the second time. Medscape. Feb. 26, 2013.
http://www.medscape.com/viewarticle/779897_print

(2) H .Schatz: Anti-Obesitas-Medikament Qnexa von dem FDA Advisory Board zur Zulassung empfohlen.
DGE-Blog-Beitrag vom 5. März 2012

(3) H. Schatz: Gute und weniger gute Nachrichten im Kampf gegen Adipositas und Diabetes.
DGE-Blog-Beitrag vom 5. Juli 2012

(4) H.M. Davidson et al.: Changes in cardiovascular risk associated with phenteramine and topimarate extended-release in participants with comorbidities and a body mass index >27.
Am J Cardiol 2013. DOI:10.1016/j.amjcard.2012.12.038.
http://ajconline.org/home

(5) A.S. Kelly et al.: The effect of glucagon-like peptide-1 – receptor agonist therapy on body mass index in adolescents with severe obesity – a randomized, placebo-controlled clinical trial.
JAMA Pediatr. 2013; doi: 10.1001/jamapediatrics.2013.1661
http://www.medscape.com/viewarticle/778761_print

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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3 Antworten auf Fettsuchtmedikament Qsiva von EMA erneut abgelehnt

  1. Werner Schroffner MD FACP FACE sagt:

    Der Enthusiasmus ueber Qsimia koennte wohl uebertrieben sein. In Konversation mit den Qsimia Repraesentanten im Cardiometabolic Congress in Boston letzten Oktober konnten die mir keine klare Antwort geben, ob oder nicht der anorexigene Effect der Drogenkombination ausschliesslich auf die CNS Stimulierung des Phentermin zurueckzufuehren waere. In dieser Hinsicht waere eine Tasse starker Kaffee sicherer und weniger suchtfoerdernd. Zudem kommt noch, dass der antikonvulsive Effect von Topiramate beim Absetzen der Droge unerwartete Nebenwirkungen nach sich ziehen koennte. Es ist wohl angebracht fuer die EMA all das erst zu beobachten, aber stoerend fuer mich, die USA in der Rolle des Versuchskaninchen zu sehen. Aloha, Werner G.Schroffner, Clin Prof of Med, UH (Endocrinol.),

  2. Helmut Schatz sagt:

    Sehr geehrter Herr Kollege Schroffner,
    danke für Ihren Kommentar. Wie Sie gesehen haben, war und bin ich nach wie vor zurückhaltend. Die USA als „Versuchskaninchen“ für Europa zu sehen, ist Ansichtssache und Frage des Blickwinkels. Ich sehe das anders. Wenn die FDA das Präparat nun einmal zugelassen hat: Warum sollte man dann die Resultate nicht anwartend beobachten dürfen? Das hat wohl nichts mit einer Rolle der USA als „Versuchskaninchen“ zu tun – der Ausdruck ist zudem negativ besetzt.
    Helmut Schatz

  3. B.W. sagt:

    Zur Migräneprophylaxe habe ich Topiramat in geringer Dosierung eingenommen. Eine der Nebenwirkungen war ein Gewichtsverlust von 10kg innerhalb eines Jahres. Dieser war auch nachhaltig. Die Häufigkeit der Migräneanfälle reduzierte sich nicht, jedoch die Schmerzintensität. Auch dies nachhaltig. Meines Erachtens bedarf es des Phentermins nicht, um eine Gewichtsreduktion zu erzielen! Die sonstigen Nebenwirkungen des Topiramats waren im Übrigen spürbar irritierend, jedoch auszuhalten. Das Ausschleichen der Medikation war unproblematisch.

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