Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Neue Strategien zur Gewichtsreduktion und Stoffwechselverbesserung bei Typ-2-Diabetes durch Kombinationstherapien.


Bochum, 16. Mai 2018:

Während des Deutschen Diabeteskongresses vom 9.-12. Mai 2018 in Berlin berichteten Frau Kerstin Stemmer (1) unter „Neue Therapieansätze bei Adipositas“ und Herr Timo Müller (2) unter „Neue Diabetesmedikamente“, beide vom Institut für Diabetes und Adipositas am Helmholtz-Zentrum in München (Prof. Matthias Tschöp), über neue Strategien mit Kombinationsmolekülen zur Gewichtsreduktion zusammen mit Stoffwechselverbesserung. Ausgangspunkt waren die günstigen Effekte von  Agonisten des Glucagon-like Peptide-1 (GLP-1) auf die Glukoseregulation bei gleichzeitiger Gewichtsabnahme wie etwa von Liraglutid,  welches  in der Dosierung  von 3 mg/Tag als Saxenda®  in Deutschland bereits zur Adipositas-Therapie auch bei Nicht-Diabetikern zugelassen ist. Durch Kombination von zwei oder drei Substanzen zu einem Einzelwirkstoff als Co-Agonisten ließen sich tierexperimentell bei Mäusen und Affen bedeutende Steigerungen der Gewichtsabnahmen erzielen. Das Konzept der Kombinationswirkstoffe wurde vom Helmholtz-Zentrum München, Institut für Diabetes und Adipositas,  in Zusammenarbeit mit einer Gruppe von Chemikern rund um Richard DiMarchi (Indiana University, USA) entwickelt und getestet. Die Kombination GLP-1/Glukagon wurde dann später von der Industrie konzeptionell aufgegriffen.

Glukagon/GLP-1 – Co-Agonisten sind derzeit am weitesten fortgeschritten. Bei der Affenart Macaca fascicularis wurde nach 21 Tagen eine Abnahme des Körpergewichts von etwa 8 %, mit dem GLP-1-Analog allein von nur knapp 3% erreicht. Bei adipösen Mäusen wurde auch ein starker Rückgang der Leber-Steatose beobachtet. Mit solchen dualen Co-Agonisten zur täglichen Injektion beginnt eben bei Sanofi eine Phase III-Studie (SAR425899),  AstraZeneca ist mit seinem MEDI0382in Phase II, OPKD mit  TT-401 ebenfalls in Phase II,  jedoch ist mit diesem Präparat  eine nur 1x wöchentlichen Inkeltion erforderlich. Elf weitere Firmen entwickeln ebenfalls GLP-1 / Glukagon –  Co-Agonisten.

GLP-1 / GIP  – Co-Agonisten (Kombinationsmoleküle eines GLP-1 – Agonisten mit dem Glucose-dependend Insulinotropic Peptide GIP,  auch als Gastric Inhibitory Polypeptide bezeichnet) senken ebenfalls Glukose (HbA1c) und Körpergewicht (siehe Abbildung 1, nach Frias et al. 2017 (3) und sind bereits am Beginn der Phase III zur 1x wöchentlichen Injektion bei Lilly (LY 3298176), und zur täglichen Injektion in Phase II bei Novo Nordisk (NN9709), in Phase I bei Sanofi (SAR 438335) und bei 4 weiteren Firmen im präklinischen  Stadium.

Unimolekulare Tri-Agonisten schließlich aus den Komponenten GLP-1-Agonist, Glukagon und GIP  wirken besonders deutlich gewichtsreduzierend. So sank damit nach 20 Tagen das Körpergewicht um mehr als 25% (!), siehe Abbildung 2 nach Finan et al. 2015 (4).  Die Entwicklung solcher Tri-Agonisten befindet sich bei Novo Nordisk in Phase I (NN9452, 1x tgl.), ebenso bei Hanmi (HM 15211), zwei weitere Firmen sind mit ihren Präparaten im präklinischen Stadium.

Frau Kerstin Stemmer berichtete darüber hinaus über Kombinationswirkstoffe aus Peptidhormonen und nukleären Hormonen. Wichtig ist hierbei neben dem Erzielen synergistischer Effekte die Reduktion möglicher unerwünschter Nebenwirkungen durch zielgerichtete Wirkstoffzuführung. Dies betrifft Kombinationen aus GLP-1 und Dexamethason, GLP-1 und Östrogenen sowie Glukagon und Trijodthyronin (T3). Bei der Behandlung der Adipositas etwa durch Östrogene würde man sich der  Expression des GLP-1-Rezeptors an Körperzellen im Fettgewebe oder in der Leber bedienen: über das GLP-1 könnte Östrogen in die Zellen befördert werden (cave  onkogenes Potenzial!).

 Abbildung 1, aus Lit. 3 (nach Frias et al., Cell Metab. 2017)

Abbildung 2, aus Lit 4. (nach Finan et al., Nat. Med. 2015)

Kommentar

Wie Professor Michael Nauck als Vorsitzender bei den Referaten über „Neue Antidiabetika“ betonte, werden in den nächsten Jahren, insbesondere nach dem Auslaufen des Patentschutzes für etliche GLP-1-Analoga und SGLT2-Hemmer mit der Folge von Generika vermutlich nicht sehr viel neue Substanzen für den Typ-2 – Diabetes auf den Markt kommen, so dass in den oben besprochenen und vielleicht auch weiteren Kombinationalmolekülen ein großes Potenzial steckt. Die oben angeführten zahlreichen Firmen mit ihren vielen Präparaten sprechen wohl eindeutig in dieser Richtung. Zu hoffen ist, dass keine unerwünschten Nebenwirkungen dieses neue Feld in der Medikamentenentwicklung einschränken werden.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Kerstin Stemmer: Pharmakotherapie. Referat in der Sitzung über neue Wege in der Therapie der Adipositas während des Diabeteskongresses 2018 der DDG in Berlin, 9.-12.5.2018

(2) Timo Müller: Referat in der Sitzung „Neue Diabetesmedikamente“ auf dem DDG-Kongress 2018 in Berlin

(3) Frias et al.: The sustained effects of a dual GIP/GLP-1 receptor agonist NNC0090-2746, in patients with type 2 diabetes.
Cell Metab. August 1, 2017. 26(2):343-352.e2

(4) Finan et al.: A rationally designed monomeric peptide triagonist corrects obesity and diabetes in rodents.
Nat. Med. Jan. 2015. 21(1):27-36

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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