Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Hypophysentumore Teil 1


Bochum, 3. Januar 2022

Herbstsitzung 2021 der AG Hypophyse und Hypophysentumore der DGE

Die Herbstsitzung 2021 der AG Hypophyse wurde als Zoom-Symposium back-to-back mit der Jahrestagung der Sektion Neuroendokrinologie veranstaltet.

Im März 2021 ist das Sonderheft „Hypophyse“ bei Experimental and Clinical Endocrinology & Diabetes erschienen, welches durch die AG Hypophyse gestaltet wurde (1). Daraus ging ganz aktuell ein Artikel über die Operation bei Prolaktinomen im Deutschen Ärzteblatt hervor. Das internationale Textbuch „Pituitary Tumors: A Comprehensive and Interdisciplinary Approach“, dessen Entstehung ebenfalls in der AG Hypophyse verwurzelt ist, erschien im April 2021 (2).

MRT nach Hypophysenoperation – wann und wie durchführen? Wie interpretieren?

Der Sprecher der AG Hypophyse Jürgen Honegger führte aus, dass für die korrekte Interpretation der Vergleich mit dem präoperativen MRT und die Identifikation der normalen Hypophyse unerlässlich ist. Erschwert wird die Beurteilung der postoperativen MRTs durch sogenannte Artefakte, bei denen es sich um Signalauslöschungen und Bildverzerrungen durch feinsten Metallabrieb aufgrund von OP-Instrumenten handelt.

Hypophysenadenome folgen meist einem logarithmischen Wachstum, d.h. gleicher prozentualer Zuwachs jährlich (3). Spätrezidive können vorkommen (4). Wie in der AWMF-Leitlinie der DGE über hormoninaktive Hypophysentumoren ausgeführt, können deshalb die Kontrollintervalle sukzessive verlängert werden, jedoch sind lebenslange Kontrollen empfehlenswert (5). Das erste postoperative MRT sollte mit Gadolinium-haltigem Kontrastmittel erfolgen, um ein Restadenom zu erkennen.

Hypophysentumorregister (HTR) – Update 2021

Im Jahr 2020 kamen 393 neue Fälle hinzu, insgesamt umfasst das Register somit nun 12.075 Fälle. Haupteinsender ist die Hypophysenchirurgie in Hamburg, an zweiter Stelle folgt die Neurochirurgie in Minden.  Die Verteilung der Adenomtypen hat sich 2020 im Vergleich zu den Vorjahren, in denen die Adenome schon nach der neuen WHO-Klassifikation klassifiziert wurden, nicht wesentlich verändert.

Simone Schmid (Charité Berlin) wird zukünftig die Position als Leiterin des HTR gemeinsam mit Wolfgang Saeger übernehmen.

Simone Schmid berichtet über den Verlust der DAXX/ATRX Expression als möglicher negativer prognostischer Marker bei Hypophysenadenomen. Bislang wurden DAXX/ATRX-Mutationen bei aggressiven corticotrophen Adenomen gefunden (6). Frau Schmid stellt den Fall einer Patientin mit aggressivem, Cabergolin-resistentem Makroprolaktinom vor. Immunhistochemisch fand sich im Tumorpräparat ein DAXX-Verlust.

Kindliche hypothalamische und hypophysäre Erkrankungen

Cordula Kiewert (Essen) berichtet, dass Tumorerkrankungen der Hypothalamus-Hypophysenregion im Kindesalter selten sind. Unter den suprasellären Tumoren sind Kraniopharyngeome am häufigsten. Trotz ihrer benignen Histologie führen Kraniopharyngeome aufgrund ihrer Lokalisation zu erheblicher Morbidität und zu langfristig reduzierter Lebensqualität. Es werden zwei Fälle von Keimzelltumoren der Hypophysen- und Hypothalamusregion im Kindesalter vorgestellt, wobei bei einem Fall ein sezernierender Keimzelltumor mit Nachweis von HCG im Liquor vorlag. Bei Germinomen, die mit Bestrahlung oder multimodal mit Chemotherapie und Bestrahlung behandelt werden, ist die Prognose günstig (7). Bei nicht-germinomatösen Keimzelltumoren kann mit Cisplatin-basierter Chemotherapie (und ggf. zusätzlicher Operation und Bestrahlung) in 70% der Fälle eine langfristige Remission erreicht werden.

Lokalisationsdiagnostik beim ACTH-abhängigen Cushing-Syndrom

Timo Deutschbein (Oldenburg) stellt die Ergebnisse einer Multizenterstudie mit 6 Zentren aus 3 Ländern zum Stellenwert der Lokalisationsdiagnostik vor. Das Gesamtkollektiv umfasste 616 Patienten. Die Screening Tests (ACTH-Wert, 1 mg Dexamethason-Hemmtest, freies Kortisol im Urin und Speichel-Kortisol um 23 Uhr) waren weder als Einzeltest noch in Kombination zur Differenzierung von Morbus Cushing und ektopem Cushing-Syndrom geeignet. Bei CRH-Test hatten die ACTH- und Kortisol-Grenzwerte nach 30 Minuten die höchste Aussagekraft, eine Testverlängerung über 60 Minuten hinaus erbrachte keinen Mehrwert, so dass die Testdauer auf eine Stunde begrenzt werden kann. Der CRH-Test hatte eine höhere Aussagekraft als der 8 mg Dexamethason-Hemmtest, um zwischen hypophysärem Cushing-Syndrom und ektopem Cushing-Syndrom zu differenzieren. Die Zuverlässigkeit der Sinus-petrosus-Katheterisierung zur Subtypisierung des ACTH-abhängigen Cushing-Syndroms wurde bestätigt. Als wichtiges Ergebnis wurde gefunden, dass die Korrektur der Ergebnisse anhand des Prolaktin-Spiegels zu einer verbesserten Aussagekraft der Sinus-petrosus-Katheterisierung führte. Ferner wurde eine hohe Rate falsch-positiver und falsch-negativer Befunde bei der MRT Diagnostik gefunden.

Aus dem vom Referenten (H.S.) gekürzten Protokoll der Mitgliederversammlung, Teil I

Alter Vorstand: Jürgen Honegger (Sprecher), Katharina Schilbach, Timo Deutschbein, Jörg Flitsch
Neuer Vorstand: Timo Deutschbein (Sprecher), Katharina Schilbach, Sonja Siegel, Jörg Flitsch

Literatur

(1) Exp Clin Endocrinol Diabetes. 2021 Mar;129(3) Special issue pituitary gland

(2) https://www.elsevier.com/books/pituitary-tumors/honegger/978-0-12-819949-7

(3) Honegger J, Zimmermann S, Psaras T, et al.: Growth modelling on non-functioning pituitary adenomas in patients referred for surgery.
Eur J Endocrinol 2008; 158:287-294

(4) Reddy R, Cudlip S, Byre JV, et al.: Can we ever stop imaging in surgically treated and radiotherapy-naïve patients with non-functioning pituitary adenoma?
Eur J Endocrinol 2011; 165:739-744

(5) https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/089-002l_S2k_Diagnostik-Therapie-hormonaktiver-Hypophsenaddenome_2020-04.pdf

(6) Casar-Borota O, Boldt HB, Engström BE, et al.: Corticotroph aggressive pituitary tumors and carcinomas frequently harbor ATRX mutations.
J Clin Endocrinol Metab 2021; 106:1183-1194

(7) Calaminus G, Kortmann R, Worch J, et al.:SIOP CNS GCT 96: final report of outcome of a prospective, multinational nonrandomized trial for children and adults with intracranial germinoma, comparing craniospinal irradiation alone with chemotherapy followed by focal primary site irradiation for patients with localized disease.
Neuro Oncol 2013; 15:788-796

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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