Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Ibuprofen, ein breit angewandtes Schmerz- und Rheumamittel beeinträchtigt die Hodenfunktion: „Kompensierter Hypogonadismus“ bei gesunden jungen Männern nach 6 Wochen


Bochum, 3. Februar 2018:

In  den Proceedings der National Academy of Sciences (PNAS) erschien am 8. Januar 2018 online  ein Bericht von Kristensen et al. (1) über eine Multicenter-Studie in Dänemark und Frankreich an gesunden jungen Männern (18-35 Jahre), die 6 Wochen lang Ibuprofen oder Plazebo erhalten hatten. Unter Ibuprofen war der Spiegel an Luteinisierendem Hormon (LH) im Vergleich zur Plazebogruppe  signifikant angestiegen, während sich kein Unterschied im Testosteronwert fand. Diese Konstellation entspricht einem „kompensierten Hypogonadismus“ (2).  Zweitens wurde von den Autoren ex vivo in Hodenzellen aus Biopsien bei der Operation von Prostatakrebspatienten ohne Hormonbehandlung eine konzentrations-  und zeitabhängige Verringerung der Testosteronproduktion durch Ibuprofen um bis zu 40%  gefunden. Drittens schließlich wurde in vitro in einer steroidogenen Zellinie, die von humanem Nebennierengewebe stammte, die DNA-Expression der Gene bestimmt, die bei der Steroidogenese beteiligt sind und gezeigt, dass Ibuprofen über eine selektive Repression der Transskription wirkt (1).

In die Studie an 31 Probanden wurden nur gesunde junge Männer aufgenommen. Ausschlusskriterien waren ein Body Mass Index >30 kg/m2, Knieverletzungen, peptische Geschwüre, Zeichen von Leber oder Nierenfunktionsstörungen und Teilnahme an regelmäßigem körperlichen Training, speziell Krafttraining. Fahrradfahren zur normalen Fortbewegung war erlaubt. Gematcht nach Alter, Größe und Gewicht wurden 14 Probanden in die Gruppe mit Ibuprofen und 17 in die Plazebogruppe aufgenommen. Ibuprofen (2×600 mg/Tag) oder Plazebo wurden 14 Tage vor und weitere 4 Wochen unter täglicher, definierter elektrischer Muskelstimulation eingenommen. Die Ibuprofenspiegel wurden in  Blutproben kontrolliert. Übliche Blutmeßwerte wurden ebenfalls bestimmt. Während die Spiegel an Gesamt- und freiem Testosteron unverändert blieben, stieg LH nach 14 Tagen um 23% (p=0.05) und nach 44 Tagen um 33% (p=0.01) an. Errechnete man einen Quotienten aus freiem Testosteron zu LH, so wurde dieser nach 14 Tagen um 18% und nach 6 Wochen um 23% signifikant reduziert. In den ex vivo- und in-vitro- Experimenten bestätigte sich der negative Einfluß von Ibuprofen auf die Hodenfunktion.

Kommentar

Ein antiandrogener Effekt von Analgetika wurde schon vielfach in früheren Studien gezeigt. Auch auf die negative Wirkung von endokrinen Disruptoren wie etwa Bisphenol-A während der Schwangerschaft auf die Hodenfunktion wurde von der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie schon aufmerksam gemacht (3). Die Ergebnisse dieser Arbeit weisen darauf hin, dass auch im jungen Erwachsenenalter Ibuprofen für die Hodenfunktion nachteilig sein kann. Viele Athleten bzw. Berufssportler nehmen  regelmäßig Ibuprofen ein. Insofern kommt dieser Untersuchung eine besondere Bedeutung für die in mehreren Ländern beobachtete Abnahme der männlichen Fruchtbarkeit zu.

Im folgenden DGE-Blogbeitrag  vom 5. Februar 2018 (4) werden die ungünstigen Resultate mit Ibuprofen auf den fetalen Eierstock besprochen,  mit möglichen Auswirkungen für die spätere Fruchtbarkeit der weiblichen Feten bei mütterlicher Einnahme dieses Analgetikums während der Schwangerschaft.

Helmut Schatz

Literatur

(1) David M Kristensen et al.: Ibuprofen alters human testicula physiology to produce a state of compensated hypogonadism.
Proc Nat Acad Sci (PNAS) 2018. online January 8, 2018.
https://doi.org/10.1073/pnas.1715035115

(2) A. Tajar et al., EMAS Group: Characteristics of secondary, primary, and compensated hypogonadism in aging men: Evidence from the European Male Ageing Study.
J Clin Endocrinol Metab 2010. 95:1810-1818

(3) Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie: Hormonerkrankungen durch Weichmacher.
Pressemitteilung vom 19. März 2010

(4) Helmut Schatz: Ibuprofen-Einnahme der Mütter im ersten Schwangerschaftsdrittel könnte die spätere Fruchtbarkeit der Töchter beeinträchtigen.
DGE-Blogbeitrag vom 5. Februar 2018

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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