Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Immer wieder Vitamin D


Hohes Vitamin D schützt weder vor Frakturen noch vor Stürzen. Wird zuviel getestet und Überbehandlung? Supplementieren? Cochrane-Analyse: bei Asthma?

Bochum, 8. Juli 2017:

Vitamin D steht nach wie vor im Fokus des Interesses. Hier soll nur kurz auf vier jüngere Arbeiten hingewiesen werden:

1.) In Juni 2017 erschien die ViDA-Studie (1). Es wurden knapp 50.000 gesunde Erwachsene zwischen 50 und 84 Jahren zur Teilnahme eingeladen, über 5000 aus der Region um Auckland, Neuseeland erhielten schliesslich randomisiert Placebo oder monatlich 100.000 IE Vitamin D, (entsprechend ~3.000 IE pro Tag) für durchschnittlich 3.4 Jahre. Der Ausgangsspiegel von 25-OH-Vitamin D lag mit im Mittel 64 nmol/L im Normbereich. Am Ende war er in der Verum-Gruppe auf 120 nmol/L angestiegen. Es wurde kein Unterschied an Knochenbrüchen und Stürzen gefunden. Diese Studie wurde auf Grund ihres Designs recht heftig kritisiert (2,3).

2.) Auf der Jahrestagung der Amerikanischen Akademie für Dermatologie im März 2017 in Orlando meinte Barbara A. Gilchrest, Dermatologin am Massachussetts General Hospital in Boston, dass unnötigerweise viel zu viel –teure – Tests auf Vitamin D erfolgten und eine Übertherapie bestünde. Für die meisten Menschen seien Sonne und ausgewogene Ernährung ausreichend (4).

3.) Im November 2016 postulierten im British Medical Jounal drei Experten aus Auckland und Aberdeen (Bolland, Levy und Spector), dass nur besondere Risikogruppen zusätzlich zu Sonnenlicht und ausgewogener Ernährung Vitamin D –Supplemente (etwa 800-1000 IE/Tag) nehmen sollten, nicht aber die Allgemeinbevölkerung (5). Abgesehen von den Risikogruppen, meine Dr. Spector: „the rest should avoid being treated for this pseudodisease“, und: “the focus should be on having a healthy lifestyle, sunshine, and a diversity of real food“.

4.) Eine Cochrane-Analyse untersuchte 7 Studien mit insgesamt 435 Kindern und 2 Studien mit zusammen 658 Erwachsenen aus verschiedenen Ländern der Welt, in denen Patienten mit leichtem bis mittelschwerem Asthma 6-12 Monate Vitamin D oder Plazebo erhielten. Die Zahl schwerer Asthmaanfälle pro Patient sank mit Vitamin D von 0.44 auf 0.22 pro Jahr ab, deshalb nötige Krankenhausaufnahmen von 6% auf 3%. Weder die Lungenfunktion noch die alltäglichen Asthmasymptome verbesserten sich jedoch (6). Marek Lommatzsch, Pneumologe aus Rostock meinte dazu, die Studienlage sei nicht eindeutig genug, um eine Vitamin D- Gabe generell zu empfehlen (7). In Deutschland läuft zu dieser Frage übrigens zur Zeit die EVITA-Studie an 11 Standorten.

Helmut Schatz

Literatur

(1) K.T. Khaw et al.: Lancet Diabetes Endocrinol (online) 28. April 2017.

(2) R. Bouillon: Lancet Diabetes Endocrinol (online) 28. April 2017 (Commentary)

(3) A. Kurth, in: M.Frei, ViDa-Studie : Hochdosiertes Vitamin D schützt weder vor Knochenbrüchen noch vor Stürzen.
http://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4906054_print

(4) B.A.Gilchrest: American Academy of Dermatology (AAD) Annual Meeting. Presented March 3, 2017

(5) M.J. Bolland, L. Levy, Dr. Spector, in Brit. Medical Journal 2016, published online November 23, 2016

(6) A.R. Martineau et al.: Cochrane Library (online) 5. September 2016

(7) M. Lommatzsch, in: A. Brodmerkel, Cochrane-Analyse : Vitamin D senkt Zahl schwerer Asthmaanfälle – doch Supplementierung noch nicht empfohlen.
http://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4905338_print

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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8 Antworten auf Immer wieder Vitamin D

  1. Dirk sagt:

    Nur zu Punkt 1: Ist eine Studie aus Neuseeland für uns nicht irrelevant? Dort besteht doch eine ganz andere Sonneneinstrahlung als bei uns. Daher auch „Der Ausgangsspiegel von 25-OH-Vitamin D lag mit im Mittel 64 nmol/L im Normbereich“. Bei uns in Deutschland wird das Ergebnis wohl anders aussehen. Bei mir z.B. war der erste gemessene Wert knapp 8 nmol/L. Ich denke bei solchen Werten lohnt es sich über NEM nachzudenken.

  2. In Deutschland wie in Neuseeland liegt die summative jährliche Sonneneinstrahlung zwischen 1000 und 1400 kWh pro Quadratmeter, wobei es innerhalb beider Länder erhebliche regionale Unterschiede gibt. Näheres finden Sie z. B. auf http://solargis.com/assets/graphic/free-map/GHI/Solargis-World-GHI-solar-resource-map-en.png .

  3. Helmut Schatz sagt:

    Lieber Dirk, die N.Z.-Studie bezieht sich u.a. darauf, ob man allgemein Vitamin D supplementieren soll. Anrwort wohl: nein. In Ihrem Fall liegt individuell aber ein sehr niedriger Wert vor. 8nmol/L sind 3.2. ng/ml. Das ist nach IOM tatsächlich eine „deficiency“ er lliegt unter 10 bzw. 12 ng/ml. Da werden Nahrungsergänzungsmittel (NEM) wohl kaum ausreichen, wenn Sie Symptomme haben. Hatten Sie denn Symptome? Warum wurde denn der Spiegel gemessen? Vitamin D ist kein Screening-Parameter, wenn keine Hinweise auf einen Mangel vorliegen bzw. wenn man keiner Risikogruppe angehört.

  4. Hashi-Seniorin sagt:

    Hallo,
    bezüglich Vit.D stochere ich im Dunkeln. Ich hatte einen Mangel, habe mit 3000 I.E. täglich aufgefüllt, erneut auf Eigeninitiative messen lassen, weil es niemanden so wirklich interessiert. Mangel behoben, dann seither täglich 1000 I.E. weiter genommen, habe hierzu keine befriedigende Beratung erhalten. Im Oktober habe ich erneuten Termin für Knochendichtemessung und – wieder auf eigene Kosten und eigeninitiativ – Vitamin D. Dann sehe ich, ob ich es weiter nehmen muss oder nicht. Finde ich schwierig, dieses Thema…

    Grüße
    Ihre Seniorin

  5. Dirk sagt:

    Vielen Dank füe die Infos. Nahrungsergänzungsmittel haben aber schon gereicht. Nach einigen Monaten mit 10.000 IE pro Tag ist der Wert in den Normbereich geklettert. Ob ich Symptome hatte ist schwer einzuschätzen, da ich auch einige Krankheiten (u.a. Hashimoto Thyreoiditis) habe und das schwer abgrenzen kann. Warum wurde der Spiegel gemessen? Weil ich vermutet habe, dass ich da evtl. einen Mangel habe. Habe dann entsprechend selbst bezahlt und das erwähnte Ergebnis bekommen.

    Ich wollte eigentlich nur darauf hinweisen, dass ich nicht immer nachvollziehen kannt, was in einer Studie eigentlich ausgesagt werden soll. In dem Fall (64 nmol/L auf 120 nmol/L anheben) hätte ich auch keine Veränderungen erwartet.

    Ich finde auch die Vorgehensweise einiger Ärzte falsch. Mein Hausarzt nennt sich Spezialist für Vitamin D und versucht seine Patienten zur Einnahme zu bewegen (Aussage: „Da hat jeder einen Mangel“). Selbst wenn er recht hat; ich finde vor dem zuführen von NEM sollte gemessen werden und dann entsprechend die Dosis sinnvoll angesetzt werden.

  6. Martin Fassnacht sagt:

    Aus meiner Sicht ist die Datenlage ziemlich klar: Es gibt bisher keine einzige Interventionsstudie mit suffizienter Fallzahl, die gezeigt hat, dass die Gabe von Vitamin D bei Patienten ohne Symptome eines echten Vitamin D Mangels irgendeinen relevanten Endpunkt verbessert hat. Und die unter #4 genannten Studien disqualifizieren sich doch von der Fallzahl schon selbst.
    Das heißt nicht, dass es nicht Patienten gibt, die Vitamin D brauchen, aber wir sollten aufhören die oben unter #3 genannten pseudodisease zu behandeln…
    Herzliche Grüße aus Würzburg
    Martin Fassnacht

  7. Seniorin sagt:

    Hallo,

    meinen Vit.D-Wert habe ich noch nicht, dieses Mal muss ich nicht selbst zahlen, schön.

    Meine Knochendichte hat sich seit Entdeckung der Osteoporose in 2012 nicht verändert – heute gemessen, ist stabil. In 2012 Vitamin-D-Mangel, zwischenzeitliche Messungen ergaben: Mangel behoben. Ich falle bzw. stolpere insgesamt deutlich seltener als früher, schreibe dies aber eher meinen Trampolinübungen und weiteren sportiven Einsätzen zu.

    Grüße
    Ihre Seniorin

  8. Seniorin sagt:

    Hallo,
    meine Ergebnisse liegen vor: Vitamin D3 inzwischen bei 32 ng/ml.
    Wie es aussieht, werde ich wohl jetzt den Rest meines Lebens Vitamin D3 nehmen müssen, damit
    ich nicht wieder in den Mangelbereich komme. Hat sich mühsam über die Jahre aufgefüllt.

    Ihre Seniorin

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