Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Langzeitstudie über in der EU neu zugelassenes Medikament zum Gewichtabnehmen Mysimba® (in den USA: Contrave™) vorzeitig gestoppt


Bochum, 24. Mai 2015:

Wegen ohne Information der Studienleiter vorzeitiger Bekanntgabe von verblindeten, vertraulichen Zwischenergebnissen einer Post-Marketing-Studie eines Anti-Obesitas-Medikaments an etwa 9000 Patienten durch Hersteller-Firma Orexin haben die Amerikanischen Behörden die LIGHT-Studie gestoppt (1,2). In dieser sollte die kardiovaskuläre Sicherheit der Fixkombination aus dem Antidepressivum Bupropion mit dem Opiat-Antagonisten Naltrexon (3) untersucht werden. Die Firma machte die Daten einer Interimsanalyse, die von der FDA mit der Auflage strengster Vertraulichkeit genehmigt worden war, jedoch bei der Patenteinreichung in den USA der Öffentlichkeit zugänglich

Basierend auf der Auswertung von nur 25 % der eingeschlossenen Patienten wurde eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskulärer Tod) von 41 % publik gemacht. Nach dem Studien-Stopp wertete das Data Safety Monitoring Board die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Daten von der Hälfte der eingeschlossenen Patienten aus mit dem Ergebnis, dass der Unterschied von 41 % nicht mehr existierte: Die Differenz zwischen 102 Ereignissen unter Plazebo und 90 unter Mysimbia war statistisch nicht mehr signifikant. Es fanden sich Hinweise auf vermehrte nicht-kardiologische Ereignisse unter Contrave™/Mysimbia®.

Kommentar

In den folgenden heftigen Diskussionen zwischen den amerikanischen Behörden und der Firma Takeda, welche die Produktionslizenz für Contrave™ von Orexin erworben hatte, wurde betont, dass jetzt eine neue Studie zur Überprüfung der kardiovaskulären Sicherheit des Präparates nötig sei, die nun nicht wie die LIGHT-Studie bis 2017, sondern bis 2022 dauern würde. Von großem Interesse werden nicht nur das kardiovaskuläre Outcome, sondern auch andere mögliche Nebenwirkungen sein, wie sie bei zahlreichen Anti-Obesitas-Medikamenten auftraten und zur Marktrücknahme geführt haben (3, siehe dort auch den Kommentar von Margaret Ashwell). Die Bedeutung von Anti-Obesitas-Medikamenten (zusätzlich zu Lifestyle-Maßnahmen) und deren Einsatz wurde detailliert in einem eben publizierten Positionspapier der Europäischen Obesitas-Assoziation (EASO) besprochen (4). Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Manuskripts waren Saxenda® (Liraglutid 3 mg) und Mysimba® (Naltraxon/Bupropion) in der EU noch nicht zugelassen.

Der Kommentator ist der Meinung, dass es zumindest erfreulich ist, sieht man ab von der nicht zulässigen vorzeitigen Bekanntgabe von Zwischenresultaten nach dem Vorliegen von 25% (zunächst formal, streng genommen, auch von 50% der Resultate, hier allerdings mit der Konsequenz des Studienabbruchs), dass das neue Medikament bis zu diesen Zeitpunkten nicht zu einer Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse geführt hat, wie man auf Grund vorliegender kurz- und mittelfristiger Resultate über Blutdruckerhöhung vermutet hatte. Dies war auch der Grund für die FDA-Genehmigung einer Interimsanalyse nach Vorliegen von nur einem Viertel der Personendaten gewesen. Bei einem ausgeprägten, signifikanten Anstieg wäre die Studie wohl auch abgebrochen worden, dann aber mit der Konsequenz einer Marktrücknahme des Medikaments.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Takeda Pharmaceuticals and Orexin Therapeutics announce termination of the cardiovascular outcomes study (LIGHT Study) on the obesity drug Contrave.
Press Release May 12, 2015

(2) Cleveland Clinic: Clinical trial testing safety of obesity drug Contrave halted: 50 percent interim data released by the study´s executive committee.
Press Release May 12, 2015

(3) Helmut Schatz: Zwei Medikamente zur Behandlung der Adipositas in der Europäischen Union (EU) neu zugelassen.
DGE-Blogbeitrag vom 29. März 2015

(4) Hermann Toplak et al.: 2014 EASO Position Statement on the Use of Anti-Obesity Drugs.
Obes Facts 2015; 8:166-174, online May 1, 2015. DOI: 10.1159/000430801

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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