Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss für medizinische Themen.

LDL-Cholesterinsenkung durch Injektion eines Antikörpers gegen PCSK9


Bochum, 16. September 2013

Hemmung von PCSK9 (Proprotein Convertase Subtilisin/Kexin Typ 9) durch humane, monoklonale Antikörper senkt die LDL-Spiegel sehr stark. PCSK9 bindet an den LDL-Rezeptor der Leberzellen und führt zu dessen Degradation. Seine Blockade erhöht die Rezeptorzahl, so dass vermehrt LDL-Cholesterin aus dem Blutstrom entfernt werden kann. Auf dem Europäischen Kardiologenkongress der ESC in Amsterdam Anfang September 2013 wurde über eine Analyse von vier Phase 2 -Studien mit einem Antikörper der Firma Amgen (AMG 145) berichtet (1). Auch auf dem Amerikanischen Kardiologenkongress (ACC) wurden schon im März 2013 ähnlich positive Ergebnisse mit einem PCSK9-Antikörper von Sanofi und Regeneron bekanntgegeben (2). Die Firma Pfizer arbeitet ebenfalls an diesem lipidsenkenden Prinzip (3).

F. Raal aus Johannesburg präsentierte in Amsterdam eine zusammenfassende Auswertung von vier verschiedenen Studien an insgesamt >1200 Patienten mit dem Amgen-Antikörper. Alle 4 Studien liefen über 12 Wochen. Zu Studienbeginn betrug LDL-Cholesterin 135 mg/dl / 3,5 mmol/l. Die Antikörperdosis von 140 mg, 2x monatlich injiziert, bewirkte eine 64%ige Reduktion von LDL-Cholesterin. Auch geringere Dosen waren gut wirksam. Mit 420 mg alle 4 Wochen wurde LDL-Cholesterin um 57% gesenkt. AMG 145 reduzierte dosisabhängig auch Apolipoprotein B und Lipoprotein(a) und erhöhte Apolipoprotein A1 und HDL-Cholesterin mäßiggradig.

Kommentar

Statine stellen nach wie vor den Eckpfeiler zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen dar. Man schätzt jedoch, dass etwa 20 % der Patienten diese nicht tolerieren und/oder damit den angestrebten Zielwert von < 100 mg/dl / 2,6 mmol/l oder gar < 70mg/dl /1.8 mmol/l nicht erreichen. Für diese Patienten böte sich durch die neuen Antikörper eine Alternative bzw. eine add-on – Möglichkeit. Freilich muss die Langzeitsicherheit und auch -wirksamkeit erst evaluiert werden. In den 2 Studien mit dem Sanofi-Regeneron-Antikörper, die auf dem 61. ACC-Kongress 2013 in den USA vorgestellt wurden, war es vermehrt zu Hautreaktionen an den Einstichstellen und 1 leukozytoklastischen Vaskulitis gekommen. Sechs Patienten der Verumgruppe brachen die Behandlung wegen unerwünschter Nebenwirkungen vorzeitig ab. Muskelbeschwerden traten nicht gehäuft auf.

In einem Gespräch mit heartwire (1) kritisierte Dr. Sanjay Kaul, Los Angeles, dass die vier Studien mit dem Amgen-Antikörper, die zusammen ausgewertet wurden, sehr heterogen gewesen seien: So wurden hyperlipidämische Patienten rekrutiert, die entweder noch keine Statine erhalten hatten oder bereits statinbehandelt waren, sowie Patienten mit heterozygoter familiärer Hyperlipidämie und auch solche mit Statinunverträglichkeit.

Generell stellte Dr. Kaul die „the lower the better“ – Hypothese bei der Lipidabsenkung zur Diskussion. Im Hinblick auf die Leitlinien des American College of Cardiology und der American Heart Association zur kardiovaskulären Sekundärprävention durch Anstreben eines LDL-Zielwertes < 100 mg/dl / 2,6 mmol/l oder noch tiefer sagte er, dass die Evidenzen dafür aus epidemiologischen, bildgebenden und Tierstudien stammten, nicht aber aus randomisierten Outcome-Studien. Somit handle es sich noch um eine Hypothese (1). Dennoch wird sich bei uns wohl jeder Arzt bemühen, diese Zielwerte zu erreichen.

Zwischen den Firmen Amgen, Sanofi und Pfizer hat ein heftiges Wettrennen begonnen. So baut beispielsweise Amgen bereits an drei Stellen Fabriken zur Herstellung des Antikörpers. Steven Nissen, Kardiologe aus Cleveland und Leiter einer Amgen-Studie sagte, die potenzielle Bedeutung für das öffentliche Gesundheitswesen sei „so heiss, dass es knistere“ (3)

Helmut Schatz

Bitte kommentieren Sie diesen Beitrag (nach unten scrollen !)

Literatur

(1) M. O´Riordan: Big LDL drops with PCSK9 inhibition in grouped phase-2-studies.
http://www.medscape.com/viewarticle/810908_print

(2) Pressemitteilung: Sanofi und Regeneron präsentieren Phase-2-Daten zur potenziellem “First-in-Class-PSCK9-Antikörper zur Lipidsenkung.
http://www.sanofi.de/l/de/de/layout.jsp?cnt=5D2F2855-26C5-44D…

(3) John Carell: NYT: Amgen, Sanofi, Pfizer scramble to lead in hot PCSK9 drug race.
July 10, 2013.
http://www.fiercebiotech.com/story/nyt-amgen-sanofo-pfizer-scramble…

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit verschlagwortet. Permalink.

4 Antworten auf LDL-Cholesterinsenkung durch Injektion eines Antikörpers gegen PCSK9

  1. dartminder sagt:

    Eine mögliche Lebertoxizität ist meiner Meinung nach unwahrscheinlich,aber nicht gänzlich auszuschließen,
    zumal es bei additiver Statingabe (Atorvastatin 80mg) bei mir selbst zu einer GammaGT Erhöhung auf
    1140 U/l kam. Ein alleiniges Absetzen der Atorvastatingabe erscheint bei der Placebo – Doppelblindstudie
    problematisch, weil die Skylla einer Leberzirrhose ebenso droht,wie die Charybdis weiterer kardiovaskulärer
    Schädigung.

  2. Helga Winter sagt:

    meine Cholesterin-Werte sind fam. bedingt immer sehr hoch. Ich nehme Statine vertrage diese aber nicht.Bauckkrämpfe bis zu Entzündungen im Bauch. Wäre diese Spritze eine Alternative für mich?

  3. Max sagt:

    Prinzipiell ja, aber besprechen Sie das mit Ihrem Arzt. Der PSCK9-HEMMER Praluent von Sanofi ist in Deutschland bereits zugelassen und wird im Herbst erhältlich sein.

  4. Helmut Schatz sagt:

    In der Europäischen Union und damit in Deutschland ist bereits der PCSK9-Hemmer Repatha(R) der Firma Amgen zugelassen, Praluent(R) von Sanofi wurde vom Berater-Gremium der EMA, dem CHMP, zur Zulassung in der EU empfohlen, die wohl in Kürze folgen wird. Die Firma Sanofi beginnt bereits mit Informationskampagnen zu diesem Präparat.

Bitte kommentieren Sie diesen Beitrag!

- Kommentare sind auf 1000 Zeichen beschränkt. Bei Umgehen dieser Regelung durch mehrere aufeinanderfolgende Kommentare werden diese gelöscht.
- Wir schätzen eine wissenschaftlich-sachliche Diskussion.
- Bei erbetenen 'Fernberatungen' hat der Leser zu entscheiden, inwieweit er seine persönlichen Daten öffentlich bekanntgeben möchte (Datenschutz!)

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

 Verbleibende Zeichenanzahl

Mit dem Absenden des Formulars erklären Sie sich mit der Verarbeitung der übermittelten Daten einverstanden. Details hierzu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.