Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Lebensstil, Burn-out und Übergewicht bei Endokrinologen und Diabetologen


Bochum, 15. April 2013:

Am 28. März 2013 erschien der „2013 Medscape Physician Lifestyle Report“, beruhend auf Erhebungen an 24 000 amerikanischen Ärzten (1). Im Vergleich zu anderen ärztlichen Fachrichtungen lieben Endokrinologen und Diabetologen ein gepflegtes Zuhause und sind überdurchschnittlich gebildete Menschen, die gute Bücher lesen und kulturelle Veranstaltungen besuchen. Sie reisen häufig, essen gerne gut und trinken besseren Wein. Diese Aktivitäten bevorzugen sie gegenüber Sport im Freien wie etwa Golf, das nur 9 % spielen. Jagen und Fischen gehen gar nur 3 % (Abbildung 1). Über ein Burn-out-Syndrom, definiert als Verlust der Begeisterung für den Beruf, zynische Gedanken und das Gefühl einer zu geringen persönlichen Anerkennung berichten 38% (Abbildung 2). Etwas mehr als der amerikanische Durchschnitt, über 40 % weisen einen Body-Mass Index >25 kg/m2 auf. Das ist erstaunlich gerade bei Ärzten, welche oft Patienten mit Übergewicht zu beraten haben (2).

Der Prozentsatz der Endokrinologen und Diabetologen mit einem Burn-out-Syndrom lag mit 38% unter dem Durchschnitt von 46% für alle ärztlichen Berufsgruppen zusammen. An der Spitze standen die Ärzte im Notfalldienst und auf Intensivstationen. Die geringste Burn-out-Rate wiesen Pathologen, Psychiater, Augenärzte und Rheumatologen auf (Abbildung 2). Als Hauptursache für ihren Burn-out gaben die 280 Endokrinologen und Diabetologen, die auf die Befragung antworteten, an: Bürokratische Aufgaben, lange Arbeitszeiten, Auswirkungen der in den USA gesetzlich neu geregelten Krankenversicherung (“Affordable Care Act“) und ungenügendes Einkommen (Abbildung 3) . Von den gestressten Ärzten sagten 45%, dass sie finanzielle Sorgen hätten, mit nur minimalen Ersparnissen oder Problemen mit Schulden. Bei den nicht gestressten Ärzten waren dies nur 28%. Endokrinologinnen gaben in 54 % ein Burn-out an, ihre männlichen Kollegen hingegen nur in 33%. Dies entspricht der Situation in der gesamten Ärzteschaft und weist auf die schwierige Doppelbelastung von Frauen durch Beruf, Haushalt und Kinder hin. Der Gipfel einer Burn-out-Symptomatik liegt zwischen 36 und 45 Jahren. Partnerschaftsprobleme spielten nach dieser Erhebung beim Burn-out der Ärzte keine Rolle.

Kommentar

Die Resultate dieser bemerkenswerten Studie dürften in vielen Punkten auch auf die Endokrinologen in Deutschland zutreffen. Wieweit sie auch für Schwerpunktsdiabetologen gelten, sei dahingestellt. Die Verhältnisse sind in den USA wohl anders als bei uns. Unter den ehemaligen Mitarbeitern an der Bochumer Klinik des Kommentators finden sich heute sowohl vorwiegende endokrinologisch tätige Ärzte als auch ausschließlich diabetologisch in Schwerpunktpraxen arbeitende Kolleginnen und Kollegen. Der Eindruck aus Gesprächen mit ihnen ist, dass deutsche Schwerpunktsdiabetologen möglicherweise weniger finanzielle Sorgen haben könnten als die reinen Endokrinologen angesichts der gegenwärtigen Laborproblematik.

Alle Fachkollegen und -innen, welche diesen Beitrag lesen, werden ausdrücklich gebeten, im unten stehenden Blog ihre persönliche Meinung dazu bekannt zu geben.

Helmut Schatz

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Abbildungen 1-3 (aus Lit. 1)

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Literatur

(1) C. Peckham; Christine Wiebe Contributor Information:
Endocrinologist Lifestyles – Linking to Burnout: A Medscape Survey.
http://www.medscape.com/features/slideshow/lifestyle/2013/diabetes

(2) Lisa Nainggolan: “Cultured” Endocrinologists Less Burned Out, but Fatter
http://www.medscape.com/viewarticle/781943_print

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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5 Antworten auf Lebensstil, Burn-out und Übergewicht bei Endokrinologen und Diabetologen

  1. Medizyniker sagt:

    Früher einmal hieß es, man könne die Internisten von den Chirurgen dadurch unterscheiden, daß sie eine Krawatte tragen und ein gepflegteres Deutsch sprechen. Heute kann man Endokrinologen also daran erkennen, dass sie eher kein Bier und auch „keinen Rotwein unter 5 Euro“ trinken….

  2. Socrates sagt:

    ..und es hiess früher, Endokrinologen sind die Intellektuellen unter den Ärzten, was diese Erhebnung indirekt zu bestätigen scheint.
    Beunruhigend ist das Ausmass der beruflich bedingten übermässigen Erschöpfung (‚Burn-out‘). Hier würden mich die Zahlen aus dem deutschen Gesundheitssystem sehr interessieren, die sicherlich nicht niedriger sind. Die Erzeugung des künstlichen Wettbewerbs in unserem Gesundheitssystem seit 13 Jahren (Stichwort Diagnose Related Groups) bleibt nicht folgenlos…

  3. Helmut Schatz sagt:

    Psychiater haben nach dieser Umfrage (Abb. 2) die niedrigste Burn-out-Rate, abgesehen von den Pathologen. Und das, obwohl sie mit jährlich 186 000 US$ im unteren Drittel des EInkommens der amerikanischen Ärzte stehen (http://www.medscape.com/viewarticle/803192_print). An der Spitze rangieren die Orthopäden, Radiologen, Gastroenterologen und Urologen. Dennoch fühlt sich die Mehrzahl der Psychiater (58%) fair bezahlt, fairer als der Durchschnitt aller Ärzte zusammen. Der „Medscape´s Psychiatrist Compensation Report 2013“ ergab, daß für Psychiater das Geld nicht so wichtig sei. Ein guter Arzt zu sein und seine Praxis gut zu führen gibt 32% von ihnen die größte Befriedigung und zugleich ist ihr höchster Lohn. Das sollte auch – und gilt wohl auch – für uns Endokrinologen in Deutschland.

  4. Helmut Schatzr sagt:

    Jetzt erschien am 26. April 2013 der „2013 Medscape Physician Compensation Report“ http://www.medscape.com/viewarticle/803173_print) . Danach verdienten im Jahr 2012 die Endokrinologen in den USA 178 000 US$, also in etwa das Gleiche wie die Psychiater. Während diese sich aber zu 58% als fair bezahlt betrachteten, war dies bei der Mehrzahl der Endokrinologen nicht der Fall. Befragt, ob sie wieder den gleichen Beruf ergreifen würden, antworteten 55%, sie würden wieder Ärzte werden wollen, aber nur 48% wieder Endokrinologen, und nur 15% würden sich wieder für eine Praxis wie zur Zeit entscheiden wollen.

  5. Strumpf sagt:

    Amerikanische Endokrinologie in der Krise?

    Dies fragen Ghably et al. im South Med. J., 2013; 106(4):245. Man befürchtet immer weniger Endokrinologen und das bei einem steigenden Bedarf, auch zufolge Zunahme von Übergewicht und Diabetes. Als Abhilfe wird eine grundlegende Änderung des Honorierungssystems vorgeschlagen: Prävention sollte gegenüber Behandlung schon existierender Krankheiten favorisiert werden.Die Veterans Health Administration hat bereits eine neue Regelung eingeführt: Es wird nach dem „healtcare outcome“ und nicht mehr nach der Anzahl behandelter Patienten in einem bestimmten Zeitraum vergütet. Dadurch wurde etwa ein niedrigeres HbA1c bei niedrigeren Kosten errreicht. Ob Ähnliches auch einmal im deutschen Gesundheitswesen erfolgen wird? Wohl nicht mehr zu meinen Lebzeiten.

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