Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Leptin-Mutation führt beim Menschen zu Adipositas, Ghrelin steigert bei Mäusen den Sexualtrieb


Bochum, 22. Februar 2015:

Bei einem extrem übergewichtigen Kind fanden Martin Wabitsch et al. aus Ulm (1) eine neue Transversion des Leptin-Gens. Das dadurch veränderte Leptin band nicht an den Leptin-Rezeptor und aktivierte ihn nicht. In einer weiteren Arbeit über neuere hormonelle Wirkstoffe, publiziert aus der Gruppe von Elisabeth Jerlhab in Göteborg (2), steigerte die Gabe von Ghrelin an Mäuse deren Sexualtrieb.

Kongenitales Fehlen oder Mangel an Leptin ist eine bekannte, sehr seltene Ursache einer frühkindlichen extremen Adipositas. Die Ulmer Autoren beobachteten jetzt ein zweieinhalbjähriges Kind normalgewichtiger Eltern mit 33.7 kg Körpergewicht, 93.5 cm Größe und einem Body Mass Index von 38, das hohe Spiegel immunoreaktiven Leptins aufwies. Als Ursache fanden sie eine neue, homozygote Transversion des Leptin-Gens, was zu einem Austausch von Asparagin in Position 100 zu Tyrosin im Leptinmolekül führte. Diese Leptin-Mutante bewirkte in Leptin-defizienten ob/ob – Mäusen keine Verminderung der Futteraufnahme und keinen Gewichtsverlust, erwies sich also als biologisch inaktiv. Behandlung des Kindes mit dem rekombinanten menschlichen Leptin-Analog Metreleptin normalisierte dessen Eßverhalten und senkte sein Gewicht. Metreleptin wurde 2014 von der FDA als Myalept™ zur Behandlung von Komplikationen einer Leptin-Defizienz mit einer kongenitalen oder erworbenen generalisierten Lipodystrophie zugelassen.

Das appetitanregende Ghrelin interagiert mit dem Belohnungssystem im Gehirn, welches auch mit dem Sexualtrieb verbunden ist. Die schwedischen Autoren beobachteten nach Ghrelin-Gabe an Mäuse eine gesteigerte sexuelle Aktivität, nach medikamentöser Ghrelin-Hemmung sank das sexuelle Verlangen der Tiere. Ob diese Ghrelin-Wirkungen auch beim Menschen existieren, muß offenbleiben, wie die Autoren betonen. Sollte dies der Fall sein, so könnten Ansätze am Ghrelin-System bei Sexsucht oder Sexualstraftätern eine Behandlungsoption darstellen.

Kommentar

Leptin und Ghrelin wirken bei der Appetitsteuerung gegensätzlich, hemmend und fördernd.
Die „Neue Endokrinologie“ beschert uns aber laufend neue, überraschende Resultate. Man kennt noch lange nicht alle hormonellen Wirkstoffe, ja man kann sie gar nicht überblicken oder abschätzen. Journalisten, die mich als Mediensprecher immer wieder fragen, möchten gerne konkrete Zahlen hören, die ich nicht geben kann. Aber auch bei den jetzt schon bekannten neueren Wirkstoffen werden immer wieder neue Effekte wie jetzt bei Ghrelin beobachtet. Diese kann man als „pleiotrop“ bezeichnen. Wer weiß heute schon, was man vielleicht später einmal als „Hauptwirkung“ einer Substanz bezeichnen wird – wenn man das überhaupt will oder soll.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Martin Wabitsch et al.: Biologically inactive leptin and early-onset extreme obesity.
New Engl. J. Med. 2015. 372: 48-54

(2) Emil Egecioglu et al.: The role of ghrelin signalling for sexual behaviour in male mice.
Addition Biology, published online 4 Dec. 2014. doi: 10.1111/adb.12202

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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