Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Neues zu PCSK9-Hemmern und zu Glukagon – Präsentationen auf dem 51. Europäischen Diabeteskongress 2015 in Stockholm


Bochum, 16. Oktober 2015:

PCSK9-Hemmer

Die humanen monoklonalen Antikörper gegen Proprotein-Convertase-Subtilisin-Kexin-Typ 9 (PCSK9 – Inhibitoren) führen über eine vermehrte Expression von LDL-Rezeptoren an der Zelloberfläche zu einer bis zu 60%-igen LDL-Cholesterin – Reduktion. Interessanterweise vermögen sie Lipoprotein(a) (Lp(a)) auch um bis zu 30% abzusenken, wobei die Indikation dieser innovativen Therapie Lp(a) – Erhöhungen nicht einschließt (zu den Indikationen siehe Fachinformation für Evolocumab und products.sanofi.us für Alirocumab).

Evolocumab (AMG 145, Repatha®, Injektionslösung in einem Fertigpen, Amgen)

Dr. David Preiss von der Universität Glasgow (Abstract # 159) präsentierte Daten zur Effektivität einer einjährigen Therapie mit Evolocumab (140 mg alle zwei Wochen oder 420 mg monatlich s.c.) zusätzlich zur Standardtherapie bei insgesamt 4802 Patienten (OSLER-1 und OSLER-2), mit Diabetes mellitus Typ-2 (563 Patienten) und ohne Diabetes (2637 Patienten). Die Absenkungen von LDL-C, non-HDL-C, Triglyceriden und Lp(a) waren vergleichbar zwischen den Gruppen mit und ohne Diabetes. Weiterhin waren die Effekte vergleichbar in den verschiedenen Subgruppen mit Typ-2 Diabetes (Geschlecht, Statindosis, Insulingebrauch, Anamnese einer kardiovaskulären Erkrankung, Diabetes-Kontrolle und Glomeruläre Filtrationsrate GFR).

Professor Naveed Sattar, ebenso von der Universität Glasgow (Abstract # 157) präsentierte 1-Jahresdaten zu Effektivität, Sicherheit und glykämischen Effekten von Evolocumab bei den 4802 Patienten (OSLER-1 und OSLER-2) mit Diabetes oder mit hohem oder niedrigen Risiko für Diabetes. Hintergrund ist, dass Statine zwar das kardiovaskuläre Risiko reduzieren, jedoch z.T. das Risiko erhöhen, einen Diabetes zu entwickeln. Veränderungen der Plasma – Nüchternglucose (FPG), des HbA1C und von unerwünschten Nebenwirkungen (AEs) wurden über 48 Wochen betrachtet bei drei verschiedenen Gruppen: 852 mit Typ 2 Diabetes, 2432 mit hohem Risiko einen Typ 2 Diabetes zu entwickeln (definiert als metabolisches Syndrom, gestörter Glukosetoleranz (IFG), HbA1C > 6%, BMI > 30 kg/m2) und 1518 mit niedrigem Risiko für die Entwicklung eines Diabetes. LDL-C – Reduktion durch Evolocumab zusammen mit Standardtherapie und unter Standardtherapie allein waren vergleichbar zwischen allen 3 Subgruppen (57% und 60%). Evolocumab führte im Vergleich zur Standardtherapie zu keinem vermehrten Auftreten eines Diabetes mellitus und zu keiner Verschlechterung der glykämischen Parameter. Das hier präsentierte Sicherheitsprofil war somit recht überzeugend.

Alirocumab (Praluent®, Injektionslösung in einem Fertigpen, Sanofi/ Regeneron)

H.M. Colhoun von der Universität Dundee, Schottland, präsentierte eine Subanalyse der Effektivität und Sicherheit der Behandlung mit Alirocumab bei Patienten mit Diabetes aus der ODYSSEY LONG TERM – Studie. Darin wurden 2341 Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko mit einem LDL-C > 70 mg/dl (>1,8 mmol/l) unter maximal tolerierter Statindosis oder Kombinationstherapien eingeschlossen (832 mit Diabetes, entsprechend 35%). Die Randomisierung erfolgte 2:1 auf Alirocumab 150 mg alle 2 Wochen s.c. versus Placebo. Die – signifikante – LDL-C-Senkung bei Diabetikern ist vergleichbar der bei Nicht-Diabetikern: 79% der Patienten sowohl mit als auch ohne Diabetes erreichten ihr Ziel – LDL-C von < 70 mg/dl (< 1,8 mmol/l) nach 24 Wochen. Die Triglycerid-Spiegel wurden um 16,7% bei Nicht-Diabetikern und 18,5% bei Diabetikern reduziert. Lp(a) sank um 27,2% bei Diabetikern und 24,9% bei Nicht-Diabetikern. Auch die Nebenwirkungsrate bei der Subpopulation mit Diabetes unterschied sich nicht signifikant von der bei Patienten ohne Diabetes. Daten über „new-onset“ – Diabetes oder Verschlechterung eines vorbestehenden Diabetes aus der ODYSSEY – Studie werden im November 2015 auf dem Jahrestreffen der American Heart Association präsentiert werden; Dr. Colhoun gewährte jedoch bereits einen Einblick, dass wohl beides nicht der Fall gewesen sei: new-onset – Diabetes: 1,8% in der Alirocumab Gruppe versus 2% in der Placebo Gruppe, Verschlechterung eines vorbestehenden Diabetes: 12,9% in der Alirocumab Gruppe und 13,6% in der Placebo Gruppe. In einer post hoc – Analyse wurden kardiovaskuläre Ereignisse unter Therapie mit Alirocumab betrachtet (treatment-emergent major cardiovascular events – MACE). Es zeigte sich eine niedrigere Rate von MACE in der Gesamtpopulation unter Alirocumab (1,7% Alirocumab versus 3,3% Placebo, hazard ratio 0,52, CI 0,31-0,90) sowohl bei Diabetikern als auch bei Nicht-Diabetikern. Jedoch werden erst die Endergebnisse der ODYSSEY OUTCOME-Studie bezüglich des primären Endpunktes – der kardiovaskulären Komplikationen -Aufschluss bringen. Die Studie soll insgesamt 18 000 Hochrisikopatienten einschließen. Die Daten werden 2018 mit Spannung erwartet.

Übersicht über die kardiovaskulären Endpunktstudien mit drei PCSK 9- Inhibitoren

pcsk5

Glukagon

Glukagonzufuhr bei Hypoglykämien intranasal statt i.m.

Es wurden zwei Studien zur („needle free“) intranasalen Glukagon-Applikation vorgestellt:

1.) Claude Piché aus Quebec zeigte in einer kleinen Studie, dass bei schweren Hypoglykämien intranasales Glukagon schneller und effektiver sei als i.m. verabreichtes.

2.)Jennifer Sheer von der YALE School of Medicine stellte eine Studie zu intranasalem Glukagon bei Kindern mit Typ 1 – Diabetes vor. Darin war nasales Glukagon intramuskulär appliziertem nicht unterlegen. Bei Kindern wurden 3 mg intranasal appliziert, was zu einem Blutglucoseanstieg von 25 mg/dl innerhalb von 20 Minuten führte. Die Substanz wird passiv absorbiert und muss nicht aktiv inhaliert werden, daher sei sie bei Bewusstlosigkeit problemlos einsetzbar. Die Substanz war bei Patienten mit „common cold“ gleich gut wirksam.

In der Diskussion wurde betont, dass jeder Mensch einem Patienten das Glukagon intranasal applizieren könne und so die Schwierigkeiten der i.m. Injektion des herkömmlichen Kits umgangen würden, die oft dazu führten, dass es nicht verabreicht würde. Es wurde vorgeschlagen, in Zukunft intranasalen Glukagon auf Notarztwagen mit zu führen (Lagerung bei Raumtemperatur mit shelf life von 2 Jahren). 2016 soll die NDA (new drug application) für intranasales Glukagon erfolgen.

Dr. med. Ulrike Schatz, Dresden

Literatur:

NEJM 2015;372:1489-99 (ODYSSEY Long-Term study)

NEJM 2015; 372:1500-1509 (OSLER)

EASD Virtual Meetings (easdvirtualmeeting.org)

EASD-Kongress Stockholm 2015, Abstract-Band

Publiziert am von Dr. Ulrike Schatz
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