Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Bei Pubertätsgynäkomastie unverändertes Östrogen/Testosteron-Verhältnis


Bochum, 8. September 2015:

In der COPENHAGEN Puberty Study, einer prospektiven Kohortenstudie von 2006-2014 wurden 106 gesunde dänische Jungen alle 6 Monate untersucht. Davon entwickelten 52 (49%) eine Gynäkomastie. Von den gemessenen hormonalen Parametern waren bei Gynäkomastie IGF-I, Östradiol, freies Testostseron und FSH signifikant erhöht, es bestand aber kein Unterschied im Östradiol/Testosteron-Verhältnis (1).

Eine Gynäkomastie wurde durch palpierbares Drüsengewebe im Bereich der Brustwarze(n) diagnostiziert. Diese Jungen wiesen eine signifikant höhere Wachstumsgeschwindigkeit auf, mit einem Gipfel bei 13.5 (vs. 13.9) Jahren. Auch erfolgte die Ausprägung der Genitalbehaarung früher. Sie unterschieden sich aber weder in Größe noch in Gewicht, Body Mass Index oder prozentualem Körperfett. Ebenso bestand kein Unterschied in der Ausbildung von Penis und Hoden.

Hormonal fand man bei Gynäkomastie – nach entsprechender Adjustierung – signifikante Erhöhungen der Spiegel von IGF-I, Östradiol, freiem Testosteron und FSH, während das Anti-Müller-Hormon und Sexhormon-bindende Globulin signifikant erniedrigt waren. Kein Unterschied bestand in den Spiegeln für IGF-bindende Protein-3 und LH. Das Verhältnis Östradiol/Testosteron war nicht verändert.

Kommentar

Weithin wurde bisher angenommen, dass eine physiologische (Pubertäts-) Gynäkomastie auf einem Überwiegen der Östrogene gegenüber dem Testosteron beruhe. Dies schloss man insbesondere aus den Daten bei Klinefelter-Patienten mit Gynäkomastie. Die vorliegende Arbeit widerlegt diese Annahme. Die Befunde sprechen vielmehr dafür, dass IGF-I, in Zusammenarbeit mit den Östrogenen, das Brustwachstum bewirkt, bei ebenfalls erhöhtem Testosteronspiegel und somit unverändertem Verhältnis von Östrogenen zu Testosteron.

Auf jeden Fall könne man, wie der Erstautor Dr. Mieritz äußerte (2), die betroffenen Jungen und deren Eltern beruhigen, ihnen die günstige Prognose mitteilen und eine gute Rückbildungstendenz vorhersagen. Dies haben die Ärzte ohnedies schon seit Jahrzehnten auf Grund der klinischen Erfahrungen getan; jetzt kann man es noch durch die neuen Befunde hormonell untermauern. Die Gynäkomastie hatte bei den dänischen Jungen im Mittel 1.9 (1.1 – 2.6) Jahre bestanden und bei 19 der 52 Jungen am Ende der Beobachtungszeit noch vorgelegen. Und wohl die meisten Endokrinologen werden in ihrem Berufsleben eine vom Patienten als störend empfundene „persistierende Pubertätsgynäkomastie“ nach Abschluss der Entwicklungsperiode zur Exzision gebracht haben.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Mikkel G. Mieritz et al.: A longitudinal study of growth, sex steroids and insulin-like growtht factor I in boys with physiological gynaecomastia.
J Clin Endocrinol Metab. Publishes online August 19, 2015.
DOI: http://dx.doi.org/10.1210/jc.2015-2836

(2) Miriam M. Tucker: Physiological gynecomastia common in pubertal boys.
http://www.medscape.com/viewarticle/849975_print

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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3 Antworten auf Bei Pubertätsgynäkomastie unverändertes Östrogen/Testosteron-Verhältnis

  1. Franz sagt:

    Hallo zusammen,

    ich bin zwar kein Endokrinologie-Experte, probiere mich aber laufend aktuell zu halten da ich selbst an einer Gynäkomastie litt. Ich finde das Ergebnis interessant und finde es gut, dass an den hormonellen Ursachen der Gynäkomastie geforscht wird. Ich war einer der 19 der 52 Jungen, bei denen sich die Gynäkomastie festigte. Ich habe vor ein paar Jahren nach langem warten eine Operation machen lassen und mittlerweile eine männliche Brust. Ich danke allen Ärzten die sich mit dem Krankheitsbild auseinandersetzen und Informationen wie diese zur Verfügung stellen.

    Danke und schönes Wochenende

  2. Reinhold sagt:

    Sehr interessanter Beitrag. Ich litt auch in der Pubertät an Gynäkomastie die sich erst sehr spät zurückgebildet hat (mit 17). Später wieder durch Gewichtszunahme obwohl ich trotzdem noch schlank war. An der Brust setzt sich das fett häufig zuerst an bevor es am Bauch und anderen stellen anfängt.

  3. Ingo sagt:

    Um den ganzen Thema einen anderen (und in Zeiten mit drei Geschlechtern vielleicht auch moderneren) Aspekt hinzuzufügen: ich bin 43 und habe seit meiner Pubertät eine Brust die noch wächst. Ich kann allen, die den Mut haben nur empfehlen sie zu behalten! Es lohnt sich wirklich enorm, weil weiblichere Brüste wesentlich empfindsamer sind.
    Ich hatte auch nie größere Probleme deswegen. Oberflächliche Partnerinnen/Freunde/Ärzte muss man in dem Fall allerdings eher meiden bzw sich selbstbewusst positionieren, das ist aber schon vor 30 Jahren kein Problem gewesen und sollte es heute hoffentlich umso weniger sein.
    Ich liebe diesen Oberkörper. Er sieht wegen der breiten Männerbrust niemals schön ausgewogen wie eine weibliche aus, damit muss man leben. Wegen dem Gefühlsreichtum dadurch freue ich mich trotzdem immer sehr über den Anblick.
    Ich möchte alle Fachkräfte die das lesen ermutigen, ihren Patienten den Wert von Vielfalt ans Herz zu legen und nicht reflexartig das Skalpell anzubieten.

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