Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Der Regulation des Körpergewichts auf der Spur: Der Rezeptor GPR83 im Gehirn vermittelt Körpersignale für den Energiehaushalt


Bochum, 16. Juni 2013:

Der G-Protein-gekoppelte Rezeptor 83 (GPR83) im Gehirn, für den bisher keine Funktion bekannt war, ein „orphan receptor“, ist nach den Befunden von Timo Müller aus München und seinen Mitarbeitern (1) an der Regulation des Körpergewichts beteiligt. GPR83 wirkt unter anderem bei der Appetitsteigerung durch Ghrelin mit. Eine Hemmung von GPR83 erscheint somit prinzipiell als pharmakologischer Ansatzpunkt zur Gewichtsreduktion möglich.

T. Müller et al. (1) vom Helmholtz-Zentrum in München und seine Partner von der Berliner Charité und weiteren Institutionen beobachteten an GPR83-knock-out-Mäusen, dass diese nach Gabe hochkalorischer Diät trotz vermehrten Fressens nicht fettleibig wurden und auch keinen Diabetes entwickelten. Wie M. Tschöp et al. (2) schon vor Jahren beschrieben hatten, führt Ghrelin, ein Hormon aus dem Magen, normalerweise bei Nagetieren zur Fettsucht. Im Nucleus arcuatus, einem Gehirnkern, findet sich in Co-Lokalisation neben GPR83 auch der Ghrelin-Rezeptor Ghsr1a und das agouti-related protein. GPR83 moduliert offenbar das appetitsteigernde und zur Fettgewebszunahme führende Ghrelin-Signal. Er dürfte aber auch über andere Signale in den Energiestoffwechsel eingreifen.

Kommentar

Im März 2013 erschien eine umfassende Übersichtsarbeit von M.C. Garin et al. über die Publikationen zu Ghrelin-Wirkungen beim Menschen. Es zeigte sich in erster Linie eine Appetitsteigerung. Der Einfluß auf andere Hormone war unterschiedlich ausgeprägt. Nebenwirkungen traten bei jeder 5. Person auf, hauptsächlich Flushs. In einem DGE-Blog-Beitrag wurde am 4. April 2013 darüber berichtet (3). Ghrelin hat aber auch viele andere, „pleiotrope“ Wirkungen: So wurden in einer DGE-Pressemitteilung vom 15. November 2010 (4) die Mäuseversuche von Moon et al. besprochen, bei denen Ghrelin das Zellwachstum im Hippocampus anregte. Dadurch könnte das Erinnerungsvermögen verbessert oder sogar wiederhergestellt werden und ein therapeutischer Einsatz bei Patienten mit Morbus Alzheimer und auch nach Schädelhirntraumen ist denkbar. Der Referent ist sich sicher, dass in den nächsten Jahren noch andere, bisher nicht bekannte Ghrelineffekte gefunden werden und sich durch deren Beeinflussung manches therapeutische Potential ergeben könnte.

Helmut Schatz

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Literatur

(1) Timo D. Müller et al.: The orphan receptor Gpr83 regulates systemic energy metabolism via ghrelin-dependent and ghrelin-independent mechanisms.
Nature Communications 4, Article number: 1968 doi:101038/ncomms2968, published 07 June 2013

(2) M. Tschöp et al.: Ghrelin induces adiposity in rodents. Nature 407:908-913 (2000)

(3) H. Schatz: Ghrelin, ein Hormon aus dem Magen, steigert nach intravenöser Gabe beim Menschen den Appetit. Kann es therapeutisch noch mehr?
DGE-Blogbeitrag vom 4. April 2013

(4) Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie: Neue Therapieansätze im Kampf gegen Alzheimer und Übergewicht.
Pressemitteilung vom 15. November 2010

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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