Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Totale Thyreoidektomie bei Amiodarone-induzierter Hyperthyreose auch im hyperthyreoten Stadium


Bochum, 2. Februar 2016:

Die Berner Schilddrüsenchirurgen (Kaderli et al., Lit. 1) berichten im 1. Heft des wissenschaftlichen Organs der DGE, Exp.Clin.Endocrinol. Diabetes, im Januar 2016 über 11 totale Thyreoidektomien in Allgemeinanästhesie bei Amiodarone (Cordarex®)-induzierten Hyperthyreosen, 10x im hyperthyreoten Stadium. Es kam zu keinem Todesfall und nur 2x zu passageren Komplikationen.

Amiodarone war für durchschnittlich 29 Monate (Bereich 2-36) gegeben worden. Ursache dafür waren in je 4 Fällen Vorhofflimmern und ventrikuläre Arrythmien, dreimal lag Vorhofflatten vor. Die zugrundeliegenden Herzkrankheiten waren 5x eine koronare Herzerkrankung, 2x eine dilatative Kardiomyopathie sowie andere. Die Ejektionsfraktion hatte präoperativ im Durchschnitt 32.5% (15-65) betragen. Die primär Indikationen für die totale Thyreoidektomie war 5x ein medikamentös nicht beeinflussbarer Zustand, 2x eine Verschlechterung des Herzbefundes, 2x Nebenwirkungen von Carbimazol und je 1x Nebenwirkungen von Glukokortikoiden und die Notwendigkeit, die Amiodarone-Therapie weiterzuführen.

Alle 11 Patienten wurden problemlos mit Betablockern vorbehandelt, obwohl darunter vermehrt insbesondere kardiale Komplikationen beschrieben worden waren. Auch bereitete die Allgemeinanästhesie keine Probleme, wie sie etwa von Williams und Lo Gerfo 2002 publiziert worden waren, weshalb diese den Eingriff in Lokalanästhesie vorschlugen (2). Auch Houghton et al. (2007) hatten eine relevante perioperative Morbidität und Mortalität bei Allgemeinnarkose beschrieben (3). In der Berner Serie unter Allgemeinnarkose kam es zu keinem Todesfall und die 2 beobachteten postoperativen Komplikationen waren eine asymptomatische transiente Hypokalzämie und eine Pneumonie.

Kommentar

Wie auch bei uns in Deutschland vielfach schon praktiziert, kann bei Amiodarone-induzierter Hyperthyreose, die anderweitig nicht beherrschbar ist oder aus kardialer Sicht rasch Euthyreose hergestellt werden soll, eine totale Thyreoidektomie auch im hyperthyreoten Stadium erfolgen. Freilich sollten solche Eingriffe, wie auch die Autoren betonen, nur an spezialisierten Zentren und in guter Kooperation insbesondere den Anästhesisten erfolgen.

Helmut Schatz

Literatur

(1) R.M. Kaderli et al.: Total thyroidectomy for amiodarine-induced thyrotoxicosis in the hyperthyroid state.
Exp. Clin. Endocrinol. Diabetes 2016. 124:45-48

(2) M. Williams, P. Lo Gerfo: Thyroidectomy using local anesthesia in critically ill patients with amiodarone-induced thyrotoxicosis: a review and description of the technique.
Thyroid 2002. 12:523-525

(3) S.G. Houghton et al.: Surgical management of amiodarone-associated thyrotoxicosis: Mayo Clinic experience.
J. Surg. 2004. 28:1083-1087

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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Eine Antwort auf Totale Thyreoidektomie bei Amiodarone-induzierter Hyperthyreose auch im hyperthyreoten Stadium

  1. Hannsjörg W. Seyberth sagt:

    Vielen Dank für diese Kurznachricht, die ich mit großem Interesse und Zustimmung gelesen habe.

    Aus eigner leidvollen Erfahrung kam ich vor zwei Jahren zu dem Schluss, dass man nicht zu lange versuchen sollte, bei einer Amiodaron-induzierten Hyperthyreose mit einer konservativen Therapie der Lage Herr zu werden. Offensichtlich liegen keine wirklich kontrollierten Studien vor, die den Nutzen bzw. die Wirksamkeit der Behandlung mit Glukokortikoiden mit oder ohne Thyreostatika überzeugend belegen. Meist handelt es sich um Fallberichte oder Fallsammlungen mit anekdotenhaftem Charakter. Dem gegenüber sind die Berichte über die unter dieser Behandlung zu erwartenden gravierenden Nebenwirkungen zahlreich.

    Wird die operative Totalentfernung der Schilddrüse bei gleichzeitig bestehender Hyperthyreose unter einer wirksamen kardioselektiven β-Rezeptorblockade durchgeführt, dürfte das Nutzen-Risiko-Verhältnis dieses Vorgehens – auch bei Vollnarkose – besser sein als das Zuwarten auf eine möglicherweise eintretende euthyreote Stoffwechsellage. Auch sollte hervorgehoben werden, dass nach der erfolgreich durchgeführten totalen Thyreoidektomie unter entsprechender Substitutionstherapie nicht nur rasch ein euthyreotischer Zustand erreicht wird, sondern dass auch bei entsprechender Indikation die Amiodaron-Behandlung ohne Rezidivgefahr fortgesetzt werden kann.
    Fazit: Solange unsere Vorstellungen über die zugrundeliegende Pathoätiologie dieser unter Umständen sehr plötzlich auftretenden schweren Arzneimittel-Nebenwirkung des Amidarons so wenig wissenschaftlich belegt sind, sollte man sehr bald die chirurgische der medikamentösen Intervention vorziehen.

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