Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Hochdosiertes Vitamin D verbessert nicht die neuromuskuläre Funktion und führt zu mehr Stürzen


Bochum, 16. Januar 2016

Die Züricher Vitamin D- Expertin Heike Bischoff-Ferrari et al. (1) untersuchten prospektiv über 1 Jahr 200 Frauen und Männer im Alter von >70 Jahren in Wohngemeinschaften, die schon ein Sturzereignis hatten. Die randomisiert-kontrollierte Studie erfolgte in 3 Gruppen 1.) mit einer monatlichen Vitamin D-Dosis von 24 000 IE (entsprechend 800 IE/Tag, 2.) mit 60 000 IE im Monat (Hochdosisgruppe) und 3.) monatlich 24 000 Vitamin D kombiniert mit 300 Mikrogramm Calcidiol (25-Hydroxy-Vitamin D, Kombigruppe). Über die Hälfte der Teilnehmer hatten zu Beginn Vitamin D-Spiegel <20 ng/ml. Ergebnis: Hochdosis-Vitamin D und die Kombinationsbehandlung der Gruppe 3 verbesserten die Funktion der unteren Extremitäten nicht und führten vermehrt zu Stürzen.

Die Hochdosis- und die Kombigruppe erreichten zwar häufiger das Ziel von >30 ng/ml Vitamin D im Blut, jedoch wurde die Funktion der Beine nicht verbessert. Während in der Kontrollgruppe mit 24 000 IE/Monat 48 % erneut stürzten, waren es in der Hochdosisgruppe 67% und in der Kombigruppe 66% (p=0.048).

Kommentar

Bereits in früheren Studien wurde eine ungünstige Wirkung von Hochdosis- Vitamin D gefunden. Somit kann diese Therapie und auch ein Zusatz von Calcidiol nicht empfohlen werden. Der Referent stellt sich formal die methodologische Frage, wie es gegenüber einer Gruppe ohne jegliche Vitamin D-Gabe ausgesehen hätte. In den vorliegenden Untersuchungen (2,3) fand sich aber ein signifikant günstiger Effekt von Vitamin D bei Seniorinnen in Heimen (4), so dass eine Kontrollgruppe ohne Vitamin D ethisch kaum vertretbar gewesen wäre. Ob eine Vitamin D-Gabe in anderer Applikationsform (etwa tägliche Gabe) gleich ungünstige Effekte von Hochdosis- oder Kombinationstherapien ergibt, bleibt zu untersuchen.

Helmut Schatz, Bochum

Literatur

(1) H.A. Bischoff-Ferrari et al: JAMA Intern Med.
Published online January 04, 2016. doi:10.1001/jamainternmed.2015.7148

(2) M.C. Chapuy et al.: Brit Med J 1994. 308:1081-1082

(3) M.C. Chapuy et al.: Osteoporos Int 2002. 13:257-264

(4) H. Schatz: Medizinische Kurznachricht im DGE-Blog vom 27.1.2014

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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8 Antworten auf Hochdosiertes Vitamin D verbessert nicht die neuromuskuläre Funktion und führt zu mehr Stürzen

  1. Nach Prof. Spitz ist die tägliche Einnahme von 4.000 IE besser als die 1mal wöchentliche von 20.000 IE, die lediglich eine Vitamin-D Spitze von 1 – 2 Tagen bewirkt, in den übrigen Wochentagen aber eine Unterversorgung. In den Sommermonaten könne die Dosis etwas reduziert werden, je nach Sonneneinwirkung auf den Körper.

  2. Prof. Dr. med. Klaus-Werner Wenzel sagt:

    Wenn die Hochdosis offenbar ungünstige Ergebnisse bewirkt, dann erscheint es unlogisch, mit einer Stoß-Therapie von 24 000 IE eine Hochdosis während eines anfänglichen Gipfels in Kauf zu nehmen, zumal angesichts der diversen, noch gar nicht durchschauten intrazellulären Funktionsbeteiligungen des Vit.D3 gar nicht abzusehen ist, ob eine Persistenz nach einer solchen anfänglichen Hochdosis an Rezeptoren oder Funktionsstrukturen nicht lokal zu einer länger anhaltenden Hochdosis führt.

    Die tägliche Einnahme ermöglicht zudem die laborcheimische Dosis-Einstellung bis zum Erreichen der Ideal-Dosis von >30 ng/ml 25-OH-D3 i.S. Die Mehrzahl der Patienten kommt mit 1000 IE 25-OH-D3 / d aus; >2000 IE benotigen nur sehr wenige.

  3. Lieber Herr Schatz,
    da SIe nun-warum auch immer – dieses wunderbare, lebenswichtige Vitamin zu Ihrem persönlichen Feind erklärt haben gehe ich mal davon aus, dass Sie von Vitamin K2 auch noch nie was gehört haben …
    Es ist ein Trauerspiel mit unseren Ärzten – zumindest im deutschsprachigen Raum.
    Da wird operiert was das Zeug hält….und alles was nichts kostet wird mit Rufmord vom Markt verbannt.
    Schämen solltet ihr euch was….!

  4. Helmut Schatz sagt:

    Sehr geehrte/r Frau/Herr Hinrichsmeyer, die „Medizinischen Kurznachrichten der DGE“ berichten über aktuelle Publikationen in anerkannten Zeitschriften und bitten um Kommentierungen, welche dieser Plattform einer gemeinnützigen wissenschaftlichen Fachgesellschaft angemessen sind. Ich kann nicht erkennen, inwieweit Ihr Beitrag irgend etwas mit der Publikation von Frau Professor Bischoff-Ferrari, über die ich berichtet habe, zu tun hat. Die Resultate stammen nicht von mir – warum nennen Sie mich dann einen „persönlichen Feind von Vitam in D“? Und was hat das alles mit der Operationsfrequenz in Deutschland zu tun? Herabsetzende Ausdrücke wie „Trauerspiel“, „Rufmord“ oder einer Aufforderung, sich „zu schämen“, sind unangebracht. Bitte keine unqualifizierten „Rundumschläge“. Als Arzt oder Patient bitte ich Sie ebenso wie alle Diskutanten um sachliche Meinungsäußerung.

  5. Diese Studie enthält keineswegs die Aussage, dass die Einnahme von Vitamin D als „Hochdosis“ zu mehr Stürzen führt.
    Eine Auswertung der in Tabelle 3 der Studie präsentierten Daten zeigt, dass hohe Vitamin-D-Spiegel mit einem verminderten Sturz-Risiko einhergehen.

    Das Problem der Studie ist ein falsches Konzept – es beginnt mit dem ersten Wort des Titels dieser Studie : „monthly“ = monatliche Gabe von Vitamin D

    Eine differnzierte Auswertung mit Grafik habe ich hier ins Netz gestellt:
    https://www.vitamindservice.de/node/794

  6. Angelika Otten sagt:

    Sehr geehrter Herr Prof. Spitz! Wie mache ich es denn nun richtig? Mein Endokrinologe hat mir 20 000 I.E. Dekristol 1 x wöchentlich verschrieben. Damit komme ich auf einen Vit. D Gehalt im Blut von 40.
    Sollte diese Dosis nicht ideal sein, so frage ich mich, ob es vielleicht daher rührt, dass ich nur noch ganz wenig Kraft in den Beinen habe, was beim Treppensteigen aber auch normalem Laufen zunehmend auffälliger wird. Ich bin fast 70 Jahre und wäre sehr froh, eine Antwort von Ihnen zu bekommen, oder einen Endokrinologen in Hamburg genannt, der auf dem Laufenden ist. Ich habe zwei Endokrinologen in HH, aber beide halten noch an dem bisher Gedachten fest.
    Mit freundlichem Gruß aus Hamburg

    Angelika Otten

  7. Angelika Otten sagt:

    Lieber Herr Schatz, sind Sie ein Endokrinologe? Ich habe neulich schon mal von Ihnen eine Antwort, und zwar über TSH Werte bekommen und war sehr irritiert. Mein TSH Wert könne ruhig „von bis sein“, und ich solle auf alle Fälle bei 100 mg Euthyrox bleiben (mein Endo hatte mir geraten, mit der Dosis runter zu gehen, da man wohl erkannt hat, dass Menschen älteren Datums, so wie ich, nicht mehr so niedrige TSH Werte bräuchten, die im Gegenteil, sogar schädlich seien).
    Ich würde mich natürlich immer lieber einem Endokrinologen an vertrauen, in der Hoffnung auf entsprechende Erfahrung. Deshalb meine Frage: In welcher Funktion sind sie online tätig?

  8. Helmut Schatz sagt:

    Sehr geehrte Frau Otten, ich bin Internist und Endokrinologe und war als Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie zwei Amtsperioden 2009 bis 2012 und 2012 bis 2015 und anschließend weiterhin als assoziiertes Vorstandsmitglied mit der Betreuung des Blogs beauftragt. Falls Sie mich noch nicht gegoogelt haben sollten, so schauen Sie bei „helmut schatz“ Wikipedia nach oder für.meine.jetzige Praxis seit meiner Emeritierung als Direktor der Medizinischen Universitätsklinik Bergmannsheil Bochum unter helmut-schatz.weebly.com
    Freundliche Grüße! Helmut Schatz

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