Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Nur wenige Screeningverfahren senken das Sterberisiko


Bochum, 8. Februar 2015:

Nazmus Saquib et al. vom Stanford Prevention Research Center in Kalifornien werteten die Daten der US Preventive Services Task Force (USPSTF), der Cochrane Data Base und von PubMed  aus. Von 50 Erkrankungen, für welche die USPSTF Screening-Evaluationen durchführt, wurden die wichtigsten 19 Krankheiten mit 39 Tests ausgewählt. Es werden nur 12 Tests auf 6 Erkrankungen empfohlen, wobei eine Verringerung der krankheitsspezifischen Mortalität nur für vier Testverfahren gefunden wurde. Das allgemeine Sterberisiko jedoch wurde durch keines der Screeningverfahren gesenkt (1).

Die vier Screeningmethoden, die sich in den Metaanalysen zur Senkung der krankheitsspezifischen Sterblichkeit als nützlich erwiesen hatten, waren die Ultraschalluntersuchung auf ein Bauchaortenaneurysma, die Mammographie für Brustkrebs sowie der Test auf okkultes Blut im Stuhl und die flexible Sigmoidoskopie, beide für das kolorektale Karzinom.

Kommentar

Das allgemeine Sterberisiko sollte nicht das wichtigste Outcome bei der Evaluation von Screeningmethoden sein, betont der Kommentator der Arbeit, P.G. Shekelle (2). Gemeint ist hier das Screening der Gesamtpopulation, um diejenigen Menschen herauszufinden, welche noch  keine Anzeichen oder Symptome einer Erkrankung haben. Die Erfassung bereits im präklinischen Stadium soll über eine frühzeitige Behandlung den späteren klinischen Verlauf günstig beeinflussen, im Vergleich zu Therapiebeginn erst bei Krankheitsmanifestation (ausgenommen genetisch bedingte Erkrankungen). Gegenüber dem  Tod aus jeglicher Ursache rücken aber bei vielen chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Herzinsuffizienz oder chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung Symptome und Outcomes wie Erblindung, Nierenversagen und Amputationen oder Dyspnoe in den Vordergrund. Im Zeitalter der „individualisierte Medizin“ ist zu berücksichtigen, dass für viele Patienten eine Linderung von Symptomen mit Verbesserung der Lebensqualität wichtiger ist als Senkung des allgemeinen  Sterberisikos (vgl. 3). Eine Berücksichtigung nur von prospektiven, randomisierten kontrollierten Studien über Screening im Vergleich zu Nicht-Screening  mit dem Outcome „allgemeine Sterblichkeit“ erscheint  überdies ohne Berücksichtigung patientenbezogener Outcomes nicht sinnvoll, Solche  Studien sind heute auch oft ethisch kaum zu rechtfertigen. Für das Screening auf  Gebärmutterhalskrebs gebe es übrigens keine randomisiert-kontrollierten, sondern nur Observationsstudien. Dennoch würde dadurch, zumindest nach den Daten aus Skandinavien, die Häufigkeit dieser Erkrankung deutlich gesenkt. Man sollte überhaupt zwischen nützlichen und weniger bis kaum nützlichen Screeningmethoden unterscheiden. Dies gelte insbesondere für die in der vorliegenden Studie überprüfte flexible Sigmoidoskopie zur Darmkrebsvorsorge, die sinnvoller sei als eine große, belastende Koloskopie, meint Klaus Giersiepen aus Bremen (4). Ihm dürften wohl manche Kollegen heftig widersprechen.

Helmut Schatz

Literatur

(1) N. Saquib et al.: Does screening for disease save lives in asymptomatic adults? Systematic review of meta-analyses and randomized trials.
Int. J. Epidemiol. (2015) doi: 10.1093/ije/dyu140 (Epub ahead of print)

(2) P.G.Shekelle: Commentary on: Does screening for disease save lives in asymptomatic adults? Systematiic review of 5 meta-analyses and randomizes trials.
Int. J. Epidemiol. (2015) doi: 10.1093/ije/dyu268 First published online Jan 15, 2015

(3) H. Schatz: Screening auf Diabetes und allgemeine ‘Gesundheits-Check-ups’ ohne viel Nutzen?
DGE-Blogbeitrag vom 2. November 2012

(4) H. Dierbach: Was nützen Screenings? Zumindest das allgemeine Sterberisiko senken sie nicht.
http://www.medscapemedizin.de/artikelansicht/4903276

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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Eine Antwort auf Nur wenige Screeningverfahren senken das Sterberisiko

  1. Helmut Schatz sagt:

    Daß Lebensqualität und keine Medikamente einnehmen zu müssen für vile wichtiger ist als etwas länger zu leben, zeigen Hutchins et al. in: „Quantifying the utility of taking pills for cardiovascular prevention“, erschienen in Circ.Cardiovasc.Qual. Outcomes am 3. Februar 2015. Heartwire kommentiert diese Arbeit unter dem Titel “ Many willing to die months earlier to avoid taking daily meds: Survey. (http://www.medscape.com/viewarticle/839362_print)

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