Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Weniger strenge Ziele zur kardiovaskulären Prävention bei Typ-2-Diabetes: Statement 2015 der Amerikanischen Herz-Gesellschaft (AHA) und der Amerikanischen Diabetes-Assoziation (ADA)


Graz, 26. August 2015:

Am 5. August 2015 erschien ein Update der AHA und ADA zur kardiovaskulären (CV) Prävention bei Typ-2-Diabetespatienten, gleichzeitig publiziert in Diabetes Care (1) und Circulation (2). Das Statement 2015 steht in der Reihe mit der Publikation von 1998 und einer aktualisierten Version von 2007.

Es betrifft in erster Linie „ABC“: den anzustrebenden HbA1c-Wert (A), den Blutdruck (B) und den Cholesterinspiegel (C). Auch  zu Lebensstil-Intervention, Obesitas, Anti-Obesitas-Medikamenten, Bariatrischen Chirurgie,  Nahrungssupplementen und Aspirin wird Stellung genommen. Einzelne dieser Aspekte waren schon vorher bekannt geworden und auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) besprochen; teilweise wurden sie wie etwa das Problem von  Zielwerten für Lipide (3) kontrovers diskutiert.

Wissenschaftliche Grundlage für die Version 2015 der AHA/ADA sind die Studien aus den letzten Jahren – ACCORD, ADVANCE und VADT -, wonach eine HbA1c-Senkung unter 7.0 % und des Blutdrucks auf 130/80 mm Hg KEINEN kardiovaskulären Vorteil gebracht hatte. Deswegen sollte kein tieferer HbA1c-Wert als 6,5% (Ziel <7,0%) angestrebt werden, und die Blutdruckgrenze wurde auf 140/90 angehoben. Für Cholesterin wurde in den 2013- AHA/ACC – Leitlinien empfohlen, nicht mehr auf einen  Zielwert hin zu behandeln, sondern sich beim Statin-Einsatz am gesamten CV Risiko zu orientieren (siehe 3). Typ-2-Diabetespatienten sollten zumeist mit einem mittel- bis hochwirksamen Statin, etwa Simvastatin oder Atorvastatin, behandelt werden. Die Look-AHEAD – Studie von 2013 hatte ergeben, dass auch intensive Lebensstil-Intervention das CV Risiko NICHT senken konnten. Allerdings ließ die Adhärenz der Teilnehmer zu wünschen übrig; wenigstens verbesserten sich dadurch der körperliche Allgemeinzustand und die Lebensqualität bei Verminderung der benötigten Medikamente.

Dass die rigorose Glukoseabsenkung heute nicht im Zentrum der Behandlung des Typ-2-Diabetes steht, ist weitestgehend Konsens auch in Deutschland. Bei der oberen Blutdruckgrenze von 140/90 mm Hg gibt es hier etwas Diskussion, vor allem im Hinblick auf den Schutz der Nierenfunktion und einer möglichen weiteren Reduktion cerebraler Ereignisse. Und ein Verzicht auf Lipid-Zielwerte wird von den führenden Lipidologen Deutschlands, mit denen ich gesprochen habe, weiterhin abgelehnt. Der Grund ist naheliegend: mittelwirksame Statine können leicht unterdosiert sein, andererseits hat 80 mg Simvastatin ein hohes Rhabdomyolyserisiko und hochwirksame Statine sind oft überdosiert. Aufgrund der „6%-Regel“ (bei Dosisverdoppelung nur 6% LDL-Reduktion) bringen blind hohe Dosen, wie in den USA empfohlen, häufig individuell keinen nennenswerten zusätzlichen Effekt gegenüber niedrigeren Dosen. Implizit erkennt auch das AHA/ADA-Statement ein LDL-Cholesterin <70 mg/dl als wünschenswert an, da alle darüber liegenden Werte behandelt werden sollen. Auf die Empfehlung von Lebensstilmaßnahmen wird, auch nach der Look-AHEAD-Studie, wohl kaum ein Arzt bei uns verzichten.

Insgesamt entspricht das neue AHA/ADA – Statement dem heutigen Trend, nicht mehr (nur) nach Surrogat-Parametern zu behandeln, sondern evidenzbasiert nach harten Endpunkten.

Die Leser dieses Kurzbeitrages werden diesmal besonders herzlich gebeten, die aktuelle amerikanische Empfehlung aus ihrer Sicht zu diskutieren – vielen Dank!

Helmut Schatz

Literatur

(1)  Caroline S. Fox et al.: Update on prevention of cardiovascular disease in adults with type 2 diabetes mellitus in light of recent evidence: a scientific statement form the American Heart Association and the American Diabetes Association.
Diabetes Care 2015.38:1777-1803. DOI: 10.2337/dci15-0012

(2)  Caroline S. Fox et al.: Update on prevention
Circulation online 5 August 2015

(3)  Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie: Neue US-Leitlinie zu Herz-Kreislauferkrankungen: DGE sieht Verzicht auf Cholesterinzielwerte kritisch.
Pressemitteilung vom 15.11.2013

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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Eine Antwort auf Weniger strenge Ziele zur kardiovaskulären Prävention bei Typ-2-Diabetes: Statement 2015 der Amerikanischen Herz-Gesellschaft (AHA) und der Amerikanischen Diabetes-Assoziation (ADA)

  1. Helmut Schatz sagt:

    Am 13. Oktober 2015 erschien im JAMA online ein Artikel von William H. Shrank et al. mit dem Titel: „New Therapies in the Treatment of High Cholesterol. An Argument to return to Goal-Based Lipid Guidelines“. Die PCSK9-Hemmer würden dies nötig machen. Na bitte, wir in Deutschland sind ohnedies von Zielwerten nie abgewichen.

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