Liegt es an der größeren weiblichen Empathie? – und an der „Gender-Medizin“!
Bochum, 8. März 2025:
Abstract
Atsushi Miyawaki et al. (1) fanden eine signifikant geringere Mortalitätsrate sowie signifikant weniger Krankenhauswiederaufnahmen bei Behandlung von weiblichen Kranken durch Ärztinnen als durch Ärzte. Bei männlichen kranken Personen ist der Unterschied zwischen dem Geschlecht der behandelnden ärztlichen Person geringer.
Methodik
Aus US-Versicherungsdaten verglichen Miyawaki und Mitarbeiter die 30-Tage-Mortalitätsrate sowie die Rate an Rehospitalisierungen von Patientinnen und Patienten in Abhängigkeit davon, ob sie von Ärztinnen oder Ärzten behandelt wurden (1). Es wurden 458.108 Patientinnen und 318.819 Patienten eingeschlossen. 142.465 Patientinnen (31%) und 97.500 Patienten (30 %) waren von Ärztinnen behandelt worden.
Ergebnisse
Die kranken Frauen zeigten bei Behandlung durch Ärztinnen eine signifikant niedrigere 30-Tage-Mortalitätsrate und weniger Rehospitalisierungen als bei Behandlung durch Ärzte. Bei männlichen Patienten war der Unterschied zwischen dem Geschlecht der behandelnden ärztlichen Personen geringer und nicht signifikant: Frauen unter Behandlung durch eine Ärztin fand sich eine adjustierte Mortalitätsrate von 8,15 % verglichen mit 8,38 % bei Patientinnen, die von einem Arzt behandelt wurden (Average Marginal Effect AME, −0,24 Prozentpunkte pp; Konfidenzintervall CI −0,41 bis –0,07 pp). Bei männlichen Patienten fand sich keine wesentliche Differenz zwischen dem Geschlecht der behandelnden Person (10.15 vs. 10.23; AME, -0.08 pp; CI, -0.29 bis 0.14 pp). Die Rate an Rehospitalisierungen zeigte ein ähnliches Bild wie die Mortalitätsraten (1).
Diskussion
Um die Hintergründe dieser Ungleichheit aufzudecken, führte die britische Arbeitsgruppe Interviews mit 38 Expert*innen, Patient*innen und Ärzt*innen durch. Sie fand die gleichen qualitativen Ergebnisse bei der Umfrage.
Ergebnis: Ärztinnen scheinen personenzentrierter zu behandeln.
Für Ärztinnen besteht offenbar eine höhere Priorität als für Ärzte, die Sorgen ihrer Patient*innen anzusprechen bzw. ihre Fragen zu beantworten (74 vs. 68 % bzw. 77 vs. 64 %).
Die Wahrscheinlichkeit, dass Ärztinnen die Entscheidung von Patient*innen als wesentlich für eine personenzentrierte Behandlung ansehen, war bei ihnen signifikant größer als bei Ärzten (84 vs. 66 %).
Die Patientinnen erhielten auch mehr emotionale Unterstützung, die Patienten mehr Information: Ärztinnen gaben signifikant häufiger emotionale Hilfestellung an die Patientinnen als an die Patienten (23 vs. 14 %). Umgekehrt informierten Ärztinnen die Patienten über die Krankheit signifikant häufiger als die Patientinnen (62 vs. 52 %).
Was dem Referenten (H.S.) besonders wichtig erscheint: Fast drei Viertel (70 %) der Ärzteschaft sagten, dass Frauen wesentlich häufiger schon zu einem früheren Zeitpunkt mit „milden“ Symptomen in die Praxis gekommen seien als die Männer, so dass die Behandlungsresultate im bei Frauen meist früheren Krankheitsstadium besser ausfielen als bei Männern. Die Studienergebnisse der britischen Autoren weisen darauf hin, dass Krankheitsprävention im Gesundheitswesen eine zu niedrige Priorität hat. Patientinnen, die mit nur milden Symptomen vorstellig werden, müssten stets sehr ernst genommen werden, was nicht immer der Fall ist.
Die heute zunehmend wichtiger werdende Gender-Medizin wurde in dem oben besprochenen Bericht (1) indirekt angesprochen, wenn von der durch Ärztinnen eher als durch Ärzte praktizierten „patientenzentrierten Medizin“ gesprochen wird. Über die Gender-Medizin wurde Im DGE-Blog schon mehrfach berichtet, so über die im Jahre 2010 in Wien etablierte Abteilung für Gender-Medizin unter Leitung von Frau Univ.-Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer (2) und über Frau Prof. Dr. Marie von Lilienfeld-Toal, die seit 2023 Lehrstuhlinhaberin für Diversitätsmedizin an der Ruhr-Universität Bochum ist. Dankenswerterweise hat Frau Prof. von Lilienfeld über ihre Antrittsvorlesung in unserem DGE-Blog einen Beitrag über den intersektionalen Ansatz der Diversitätsmedizin geschrieben (3). Sie führt die ursprünglich aus der schwarzen Feminismustheorie der USA kommenden Diskriminierungskategorien „Race“, „Class“ und „Gender“ an. In Deutschland würde das Thema „Diversität“ immer mehr Bedeutung gewinnen und es kämen noch weitere Diskriminierungsfaktoren dazu wie sexuelle Orientierung und körperlicher Zustand einer kranken Person.
Helmut Schatz
Literatur
(1) Atsushi Miyawaki et al.: Comparison of Hospital Mortality and Readmission Rates by Physician and Patient Sex.
Ann Intern Med. 2024 May; 177(5):598-608. Doi: 10.7326/M23-3163
(2) Helmut Schatz: Gendermedizin in der Diabetologie: Typ-2-Diabetes bei Männern häufiger, bei Frauen mit mehr Problemen.
DGE-Blogbeitrag vom 4. Oktober 2023
(3) Marie von Lilienfeld-Toal: Diversitätsmedizin – ein intersektionaler Ansatz. In: Helmut Schatz: DGE-Blogbeitrag vom 18. September 2023: Institut für Diversitätsmedizin an der Ruhr-Universität Bochum
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