Bochum, 1. September 2015:
Im Journal of the American Medical Association (JAMA) wird am 18. August 2015 die Ansicht vertreten, daß NPH-Insulin und reguläres (Human-)Insulin bei Typ-2- Diabetes gleich gut wirksam wie die Analoginsuline seien, aber nur fast die Hälfte kosten würden (1). Im HbA1c-Wert und in der Rate schwerer Hypoglykämien gebe es nach einer Cochrane Review keinen Unterschied, wenn auch das Risiko an – bei Typ-2-Diabetespatienten sehr seltenen – symptomatischen nächtlichen Unterzuckerungen mit Analoginsulinen geringer gefunden wurde. Bei den vaskulären Komplikationen hätte man auch keinen Unterschied gesehen (2). In den USA sei von 2000 bis 2010 die Verwendung von Analoginsulinen bei privat versicherten erwachsenen Patienten mit Typ-2 – Diabetes von 19% auf 96% gestiegen. Zwischen 2001 und 2015 erhöhte sich der Preis pro Fläschchen Lispro-Insulin von 35 auf 234 US Dollar, für reguläres Humaninsulin hingegen von nur 20 auf 131 US Dollar. Die Inflationsrate in dieser Zeitspanne betrug nur 33.7%. Die Autoren vertreten die Ansicht, dass bei Anpassung des Insulinschemas mit NPH- und regulärem Humaninsulin in etwa gleich gute Ergebnisse mit wesentlich geringeren Kosten zu erzielen seien. Man solle sogar daran denken, Patienten von Analoginsulinen wieder auf die alten, billigeren Insuline umzustellen (1).
Kommentar
Die Diskussion über die Analoginsuline wurde in den letzten Jahren bei uns heftig und kontrovers geführt. In den deutschen Disease Management Programmen (DMP´s) für Typ-2-Diabetes ist die jetzt in dem JAMA-Artikel (1) vertretene Meinung schon seit Jahren festgeschrieben. Durch Dokumentation ungenügender Einstellungsbemühungen sowie über Rabattierungsverträge einzelner Krankenkassen werden Analoginsuline heute aber auch bei gesetzlich versicherten Patienten mit Typ-2-Diabetes verstärkt eingesetzt. Das deutsche System von Rabattverträgen bei hohem Listenpreis erschien dem Referenten immer schon sehr eigenartig. In anderen Ländern der Europäischen Union ist dies wohl besser geregelt. Die Autoren der amerikanischen Stellungnahme, Tylee und Hirsch (1) betonen, dass es keine Leitlinien oder in den USA publizierte Empfehlungen gebe, wie man Patienten von Analoginsulinen wieder auf die alten Insuline umstellen solle. Sie führen deshalb das an, was bei uns ohnedies wohl jeder Arzt, der Diabetespatienten behandelt, weiß und ähnlich praktiziert: Statt 1x abends Glargininsulin 2x täglich NPH-Insulin, 2/3 morgens und 1/3 abends, und zur Vermeidung nachmittäglicher Hypoglykämien das präprandiale Insulin mittags reduzieren. Sie meinen, der Spritz-Eßabstand von 20-30 min sei mit regulärem Humaninsulin wohl auch nicht nötig. Sie zitieren dazu eine Cross-Over-Studie an 100 Patienten aus der Arbeitsgruppe von U.A.Müller aus Jena (3). Und die amerikanischen Ärzte sollten den Patienten schließlich zeigen, wie man das NPH-Insulin vor der Injektion gut durchmischen solle. Insgesamt hat man beim Lesen dieses Artikels mehrere Déjà vu-Erlebnisse… Führende Mitglieder deutscher Fachgesellschaften antworteten auf meine Frage nach ihrer Meinung zu diesem US-Artikel, dass die größere Praktikabilität der Analoginsulin-Schemata auch den Vorteil einer besseren Compliance habe oder dass man für Sonderfälle „noch ein Instrument im therapeutischen Werkzeugkoffer“ haben sollte. Im Übrigen ist zu hoffen, dass auch in den USA durch die Biosimilars für Analoginsuline der Preis bald keine sehr große Rolle mehr spielen sollte.
Helmut Schatz
Literatur
(1) Tracy Tylee und Irl B. Hirsch: Costs associated with using different insulin preparations.
J Amer Med Ass 2015. 314:665-666. doi:10.1001/jama.2015.7032
(2) Cochrane Database Syst Rev 2007; 2:CD005613
(3) Nicolle Müller et al.: Randomized crossover study to examine the necessity of an injection-to-meal interval in patients with type 2 diabetes and human insulin.
Diabetes Care 2013. 36:1865-1869
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