Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Das Altern durch Medikamente aufhalten – Metformin auf dem Prüfstand


Bochum, 26. Juni 2015:

Am 17. Juni 2015 erschien in der Zeitschrift „Nature“ (1) ein Artikel über die geplante TAME-Studie mit dem Diabetesmedikament Metformin (Targeting Aging with Metformin). Es soll geprüft werden, ob damit das Leben verlängert werden kann und altersassoziierte Erkrankungen aufzuhalten sind. In der 2. Juni-Hälfte 2015 soll in einer Sitzung der Amerikanischen Arzneibehörde FDA über diese Studie entschieden werden. Es wäre das erste Mal, dass die FDA eine Studie über ein Medikament approbierte, das nicht zur „Verhinderung, Behandlung oder Heilung einer Erkrankung“ dient. Mit anderen Worten: Kann und soll man Altern als eine „Erkrankung“ ansehen?

Geplant ist, bis zu 3000 Menschen zwischen 70 und 80 Jahren an 15 Zentren in den USA 5-7 Jahre lang zu verfolgen. Sie müssen an mindesten 1 von 3 Erkrankungen leiden, die mit dem Alter gehäuft auftreten: Koronare Herzkrankheit, Krebs oder Störungen der Kognition (Gedächtnis-, Denk-, Wahrnehmung- und andere Störungen bis hin zu Demenz). Es soll geprüft werden, ob Metformin das Auftreten von anderen dieser Krankheiten verhindert oder beeinflusst. Die Personen dürfen keinen Diabetes aufweisen, da kein Einfluss auf Altern und Krankheiten über eine Beeinflussung des Glukosestoffwechsels stattfinden soll. Metformin ist auch für die Indikation Diabetes zugelassen.

Dafür, dass Metformin auf außer bei Diabetes auch anderweitig günstig wirkt, gibt es viele Hinweise. Gegenwärtig wird prospektiv in der GLINT-Studie (2) geprüft, ob es bei Nicht-Diabetikern Herzerkrankungen oder Krebs verhindern kann.  An Würmern und manchen Mäusestämmen wurde bereits eine positive Wirkung von Metformin auf die Gesundheit und die Lebensspanne gezeigt. Es gibt bei Diabetespatienten allerdings auch Anhaltspunkte, dass Metformin mit kognitiven Einschränkungen verbunden sein könnte (3).

Gegenwärtig stehen 3 Substanzen für eine Lebensverlängerung im Blickpunkt.  Es sind dies Metformin, Resveratrol (etwa im Rotwein, auch Sirtuin) und Rapamycin (welches zur Unterdrückung von immunologischen Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantation verwendet wird). An Hunden läuft zur Zeit eine Studie mit Rapamycin zur Lebensverlängerung. Am einfachsten aber ist eine Kalorienbeschränkung, also weniger essen (4). Am Wurm C.elegans wurde eindrucksvoll die lebensverlängernde Wirkung einer Kalorienreduktion demonstriert. Bei allen Turbulenzen um Resveratrol in der Vergangenheit (4) wirkt diese Substanz über den gleichen Mechanismus wie Nahrungsbeschränkung (5). Auch mit Dasatinib und Quercetin konnte man bei Mäusen durch Abtötung gealterter Zellen das Leben verlängern.  Ein anderer Weg wäre, nur das Enzym AMPK (Adenosin-Monophosphat-aktivierte Protein-Kinase) zu erhöhen. Metformin und auch Resveratrol wirken über den AMPK- Mechanismus.

Kommentar

Ist das Altern ein physiologischer Vorgang – oder eine behandelbare Krankheit? Vieles sträubt sich in einem gegen diesen Gedanken. Bei allen „Medikamenten gegen das Altern“ bleibt immer die Frage nach den Langzeit-Nebenwirkungen der Substanzen, die man naturgemäß erst nach Jahren und Jahrzehnten erkennen kann. Metformin wird  weltweit seit etwa 6 Jahrzehnten eingesetzt und hat, abgesehen von gastrointestinalen Beschwerden, kaum  Nebenwirkungen, wenn auch Vitamin B12- Mangelzustände und kognitive Einschränkungen beschrieben wurden (3).

Bleibt vorerst der Rat: Vernünftig leben mit viel Bewegung, möglichst im Freien, bei maßvoll-knapper, abwechslungsreicher  Kost – und vielleicht einem Glas Rotwein  am Abend?

Helmut Schatz

Literatur

(1) Erika Check Hayden: Anti-Ageing pill pushed as bona fide drug.
Nature, 17. Juni 2015.
www.nature.com/news/anti-ageing-pill-pushed-as-bona-fide-drug-1.17769

(2) Helmut Schatz: Metformin – wo ist die Evidenz? Rury Holman aus Oxford: ‘Die Evidenz ist unklar“.
DGE-Blogbeitrag vom 19. September 2014

(3) E.M. Moore et al.: Increased risk of cognitive impairment in patients with diabetes is associated with metformin.
Diabetes Care 2013. 36:3850

(4) Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie: Insulinwirkung genetisch verändern oder hungern: Schlüssel für ein langes, gesundes Leben.
Pressemitteilung vom 21. April 2009

(5) Helmut Schatz: Wirkmechanismus von Resveratrol in Rotweinextrakt aufgeklärt – können wir wirklich 150 Jahre alt werden?
DGE-Blogbeitrag vom 21. März 2013

(6) Helmut Schatz: Betrugsskandal: Resveratrol aus Rotwein soll das Herz schützen
DGE-Blogbeitrag vom 2. Februar 2012

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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4 Antworten auf Das Altern durch Medikamente aufhalten – Metformin auf dem Prüfstand

  1. Ria Hinken sagt:

    Ich stimme Herrn Schatz zu. Ist es wirklich so erstrebenswert, immer älter zu werden? Von Eltern verlangen wir, dass sie loslassen können, wenn es um ihre Kinder geht. Alt werden bedeutet doch auch „loslassen“. Und zwar jene Vorstellung von der ewigen Jugend.
    Alt werden ist eben nichts für Feiglinge.

  2. Alexandra BREHM sagt:

    Alles nur Geldmacherei von der Pharmaindustrie

  3. Martin J. Herrmann sagt:

    Mein Vater stammt aus einer Weinbauernfamilie und muß Metformin einnehmen. Er wird jetzt 93 und erfreut sich bester Gesundheit. Vielleicht liegt es an den beschriebenen Wirkstoffen. In der Jugend mußte er als Maurer hart arbeiten, und noch heute bewirtschaftet er den Garten.

  4. Kann man einem Diabetes 2 Patient der mit 1mal Insulin/tgl. eingestellt ist zusätzlich Metmorfin tägl zur Lebensverlängerung verabreichen? Und welche Dosierung wird empfohlen?

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