Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Altes Malaria-Medikament bei Typ-2-Diabetes gleich gut wirksam wie Canagliflozin


Bochum, 9. Mai 2019:

Am 26. April 2019 berichteten Amit Gupta et al. aus Kalkutta auf dem Kongress der American Association of Clinical Endocrinologists (AACE) in Los Angeles bei Typ-2-Diabetes über gleich gute Glukosestoffwechseleffekte mit dem alten Malaria-Medikament Hydroxychloroquin wie mit dem SGLT2-Hemmer Canagliflozin (1).

In einer multizentrischen open-label-Studie wurden 87 Patienten mit ungenügend behandeltem Typ-2-Diabetes 24 Wochen lang entweder mit 400 mg Hydroxychloroquin oder 300 mg Canagliflozin pro Tag als add-on zur bisherigen Therapie mit täglich 2000 mg Metformin  plus 100 mg Vildagliptin untersucht. Der HbA1c-Wert als primäres Outcome nahm unter Hydroxychloroquin von 8.3% auf 7.1% ab (p=0.001), unter Canagliflozin von 8.6% auf 7.4% (p=0.001). Es fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen, ebenso nicht beim Nüchternblutzucker: Dieser ging von 143 auf 112 mg/dl bzw. 147 auf 117 mg/dl zurück. Der Body Mass Index (BMI) sank unter Hydroxychloroquin von 27.2 auf 25.7 kg/m2 (p=0.03), unter Canagliflozin blieb er  unverändert (27.9 auf 27.5 kg/m2).

Hypoglykämieraten unter Hydroxychloroquin vs. Canagliflozin:
Berichtete Ereignisse: 5.4% vs. 8.2%, gemessene (<50 mg/dl): 0 vs. 2,3%.
Retinopathie: Es kam zu keinem Neuauftreten oder  Verschlechterung.
Während das hochsensitive C-reaktive Protein (hsCRP)   unter Hydroxychloroquin von 2.8 auf 1.9 mg/dl signifikant absank (p=0.001), war dies unter Canagliflozin nicht der Fall (von 2.7 auf 2.5 mg/dl).

Gupta zog aus diesen Resultaten die Schlußfolgerung, dass Hydroxychloroquin eine Alternative für Patienten sein könnte, die sich Canagliflozin auf Grund seines hohen Preises nicht leisten könnten.

Kommentar

In Indien ist Hydroxychloroquin seit 2014 zur Therapie des Typ-2-Diabetes zugelassen. Der Moderator der Sitzung; Lance Sloan aus Texas kommentierte in einem nachfolgenden Interview (2): „I think it is really fascinating that they have approved it for the treatment of diabetes in India. It is really not on the radar here in this country”. Und wohl auch nicht in Europa einschließlich Deutschland.

Resochin® (Chloroquin) und Quensyl® (Hydroxychloroquin), von Chinin abgeleitet, sind wohl jedem Arzt seit Jahrzehnten wohlbekannt, nicht nur zur Prophylaxe und Therapie der Malaria, sondern auch als Basistherapie bei  Rheumatoider Arthritis oder auch bei Lupus erythematodes und manchen anderen Indikationen. Dass Hydroxychloroquin  antientzündlich wirkt, sieht man auch in der vorliegenden Studie an Diabetespatienten, bei denen es das hsCRP signifikant senkte. Das kann für das kardiovaskuläre System der Diabetespatienten von Vorteil sein. Im Hinblick auf die Niere ist eine neuere Publikation von Interesse (3): In einer Taiwanesischen Observationsstudie an knapp 3000 neu diagnostizierten Patienten mit Rheumatoider Arthritis war das Risiko für eine chronische Nierenerkrankung unter Hydrochloroquin geringer als ohne diese Substanz (10.3 vs. 13.8 pro 100.000 Personenjahre, HR 0.64, p=0.01), wenn dieser schützende Effekt auch deutlich geringer als der von Canagliflozin ist (4).

Sieht man die Packungsbeilagen von Quensyl® u.a. durch, findet man eine größere Zahl von Kontraindikationen und viele unerwünschte Nebenwirkungen. Vor diesen wird auch in vielen Diskussionsbeiträgen zu dem Kongreßbericht von Medscape (2) gewarnt, insbesondere der Toxizität für die Augen, die in einer nur 24 Wochen dauernden Untersuchung nicht erfasst werden könnten.

Abschließend ist der Kommentator der Meinung, dass bei der Fülle guter bis sehr guter neuer Antidiabetika  Hydoxychloroquin keinen Platz in der Therapie des Typ-2-Diabetes hat. Zu fordern ist freilich, dass die neueren Präparate billiger werden.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Amit Gupta et al.: Vortrag auf dem Kongress der American Association of Clinical Endocrinologists (AACE) am 26. April 2019 in Los Angeles

(2) Miriam E. Tucker: Old malaria drug as good as blockbuster type 2 diabetes agent.
https://www.medscape.com/viewarticle/912548_print

(3) CL Wu et al.: Hydroxychloroquine Use and Risk of Chronic Kidney Disease in Patients with Rheumatoid Arthritis.
Clinical Journal of the American Society of Nephrology 2018. 13:702-709

(4) Vlado Perkovic et al. for the CREDENCE investigators: Canagliflozin and Renal Outcomes in Type 2 Diabetes and Nephropathy. NEJM, April 14, 2019. DOI: 10.1056/NEJMoa1811744

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Posted on by Prof. Helmut Schatz
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One Response to Altes Malaria-Medikament bei Typ-2-Diabetes gleich gut wirksam wie Canagliflozin

  1. Dr.med.Friedrich Mayer says:

    Ich habe jahrelang Patienten mit Rheumatoider Arthritis mit Resochin als Basistherapeutikum behandelt und keine ernsteren unerwünschten Nebenwirkungen gesehen, auch nicht bei regelmäßigen augenärztlichen Kontrollen.

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