Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Was Archie Cochrane von einem einzigen Fall lernte


Bochum, 2. März 2017:

Cochrane Reviews werden heute vielfach als „heiliger Gral der Medizin“ betrachtet. Sie gehen zurück auf den schottischen Arzt Archibald Leman Cochrane (1909-1988), der im Jahre 1972 ein Buch „Effectiveness and Efficiency: Random Reflections on Health Services“ veröffentlichte. Darin forderte er randomisierte kontrollierte Studien, um die Medizin effektiver und effizienter zu gestalten. Später entstanden die Cochrane Library Database of Systematic Reviews, das UK Cochrane Centre in Oxford und die International Cochrane Collaboration. Das deutsche arznei-telegramm sah manche Cochrane-Analysen kritisch, nämlich dann, wenn die Qualität der in die Analyse eingegangenen Studien nicht gut gewesen war und schrieb diesbezüglich: „Garbage in, garbage out“ (Müll rein, Müll raus). Weltweit gelten heute die Cochrane Reviews als bester aktueller Wissensstand.

Archie Cochrane persönlich hatte seine Begegnung mit einem Patienten im zweiten Weltkrieg für sein weiteres ärztliches Denken und Handeln entscheidend geprägt. Dies wurde erst 1989 nach seinem Tod bekannt. Sein autobiographisches Buch mit dem Titel „One Man´s Medicine“ war rasch vergriffen, man konnte jedoch sein Erlebnis in einem Kriegsgefangenenlager im Britisch Medical Journal nachlesen (1). Jetzt erschien am 11. Februar 2017 im Lancet ein Artikel über ihn, „The art of medicine: What Archie Cochrane learnt from a single case“ (2), in dem Cochranes Beschreibung seiner Begegnung mit einem sterbenden, jungen russischen Soldaten im Lager von Elsterhorst bei Hoyerswerda, (der Ort heißt heute Nardt) zitiert wird:

Der Bericht von Archie Cochrane belegt die grosse Bedeutung der Empathie. Sie ist ein wichtiger Wesenszug für Ärzte, zumindest für alle, welche nicht ausschließlich technisch und ohne direkten Kontakt mit dem zu untersuchenden oder zu behandelnden Patienten stehen. Auch Protagonisten der „digitalen Medizin“ sehen in kritischen Lebenssituationen die Notwendigkeit für empathisches Verhalten, welches Computer und technische Geräte nie so wie ein Mensch vermitteln können. Manche Vertreter der digitalen Medizin meinen aber, dazu bedürfe es in Zukunft vielleicht keines Arztes mehr, denn „dies könne auch durch medizinisches Assistenzpersonal oder Seelsorger erfolgen“ (siehe meine Rezension des Buches „App vom Arzt“ (3), endend mit den Worten von Aldous Huxley „Schöne neue Welt!“ (4)).

Cochranes autobiographischer Bericht über sein Erlebnis mit dem sterbenden Soldaten ging in die medizinische Literatur ein, als ein Ansporn für bessere Schmerzbekämpfung in der Palliativmedizin ein. Er gab auch Anregungen zu vielen weiteren Überlegungen (2).

Helmut Schatz

Literatur

(1) A.L. Cochrane with M. Blythe: One man´s medicine.
Brit. Med. J. (Memoire Club) 1989:82

(2) B. Hurwitz: The art of medicine: What Archie Cochrane learnt from a single case.
Lancet, February 11, 2017. 389: 594-595

(3) J. Spahn, M. Müschenich, J. F. Debatin: App vom Arzt. Bessere Gesundheit durch digitale Medizin.
Freiburg im Breisgau, Verlag Herder 2016

(4) H. Schatz: Die digitalisierte Medizin im Buch „App vom Arzt“. Rezension eines Klinikers und niedergelassenen Arztes
Beitrag im DGE-Blog vom 4. Oktober 2016

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