Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Augenkomplikationen unter Semaglutid und Tirzepatid, Teil I


Bochum, 24. April 2025:

Als auf dem 52. Europäischen Diabeteskongress in München 2016 die Daten der SUSTAIN-6- Studie mit Semaglutid mit einem signifikanten Retinopathie-Anstieg als Nebenwirkung publiziert wurden, gab es wegen dieser Augenkomplikationen erste Bedenken. Es wurde vermutet, dass dieser Effekt Folge einer zu raschen Glukose/HbA1c-Absenkung sei. Auch in der LEADER-Studie mit Liraglutid war dies tendenziell beobachtet worden (1). Da es eine Verschlechterung einer schon vorbestehenden Retinopathia diabetica betraf, bestand die Anweisung, vor dem Einsatz von Semaglutid eine Augenuntersuchung durchführen zu lassen. Später wurde die gefundenen Assoziationen als nicht kausal bedingt eingestuft.

Jetzt erscheinen zwei Berichte über ein unter Semaglutid erhöhtes Risiko für einen Sehverlust (2,) sowie Augenkomplikationen sowohl unter Semaglutid als auch Tirzepatid (3).

Teil I: Die erste  Studie erschien am 27. März 2025 im JAMA Ophthalmology (2). Es handelte sich um eine retrospektive Kohortenstudie von Oktober 2019 bis Dezember 2023 auf der Datenbasis eines globalen Gesundheitsregisters, etabliert zur Erfassung des  Risikos von Diabetespatienten für eine Nonarteritic Anterior Ischemic Optic Neuropathy (NAION)  unter Semaglutid.

Methodik

Es wurden 174.000 Diabetespatienten, die Semaglutid erhielten (mittleres Alter 58 Jahre, 51% Frauen) untersucht, gematcht im Propensity-Verfahren mit einer gleichen Anzahl ohne Semaglutid , die (nur) andere Antidiabetika wie etwa Metformin oder/und  Sulfonylharnstoff  erhalten hatten. Primäres Outcome war die Erstdiagnose einer NAION nach der Erstverschreibung von Semaglutid oder anderen Antidiabetika. Die Nachverfolgungsperiode betrug 1 Monat bis 4 Jahre.

Ergebnis

Über den gesamten Beobachtungszeitraum war Semaglutid mit einem erhöhten Risiko für NAION assoziiert (HR, 2.25; 95% CI, 1.37- 3.60) . Während des 1. Jahres zeigte sich unter Semaglutid kein signifikanter Anstieg von NAION, im 2., 3. und 4. Behandlungsjahr fanden sich jedoch deutliche Assoziationen: 2. Jahr: HR, 2.39; 95% CI, 1.37- 4.18; 3. Jahr: HR, 2.44; 95% CI, 1.44-4.12; 4. Jahr: HR, 2,05; 95% CI, 1.26-3.34.

Subgruppenanalysen: Signifikant gesteigertes NAION-Risiko unter Semaglutid bei Frauen, 40 bis 64-jährigen Patienten, Weißen Patienten und bei Begleithypertonus.

Schlussfolgerungen: Die Autoren betonen, dass man die Ergebnisse mit in differentialtherapeutische Überlegungen einbeziehen solle, wenn es sich auch um Assoziationen und keine Kausalität handelt.

Helmut Schatz, Bochum

Literatur

(1) Helmut Schatz: Semaglutide, ein GLP-1-Agonist, senkt bei Typ-2-Diabetespatienten das kardiovaskuläre und renale Risiko.
DGE-Blogbeitrag vom 19. September 2016

(2) Alan Y. Hsu JAMA Ophthalmology online, March 27, 2025

(3) Bradley J. Katz, Eye Center, Department of Ophthalmology & Visual Sciences. University of Utah Health, Salt Lake City, published January 30, 2025 in JAMA Ophthalmology

Posted on by Prof. Helmut Schatz
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One Response to Augenkomplikationen unter Semaglutid und Tirzepatid, Teil I

  1. Helmut Schatz says:

    Die NAION ist eine seltene Aigenerkrankung (1:10.000),nach dem Glaikom die zweithäufigste Ursache einer Neuropathie des N.opticus.

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