Bochum, 25. September 2015:
Erst kürzlich hat man sich auf neue Leitlinien für den Blutdruck geeinigt: 140/90 mm Hg würden nach den Studien aus der jüngeren Zeit als Obergrenze genügen. Eine weitere Absenkung brächte im Allgemeinen nicht viel Nutzen. Im DGE-Blog wurde darüber berichtet (1,2). Kaum haben wir Ärzte dies unseren Patienten mitgeteilt, die einerseits erleichtert waren, andererseits aber vielfach doch etwas ungläubig eher an den alten Zielwerten festhalten wollten, da kommt schon wieder eine andere Empfehlung, diesmal von den National Institutes of Health (NIH): Am 11. September 2015 wurde publiziert: “Landmark NIH study shows intensive blood pressure management may save lifes: Lower blood pressure target greatly reduces cardiovascular complications and deaths in older adults” (3). Danach verringerten sich bei Menschen mit Bluthochdruck (aber ohne Diabetes!) bei einem systolischen Zielblutdruck von 120 mm Hg die kardiovaskulären Ereignisse (Herzattacken, Herzinsuffizienz, Schlaganfälle) um etwa ein Drittel und das Mortalitätsrisiko um ein Viertel, im Vergleich zu einem Zielblutdruck von 140 mm Hg. Die SPRINT-Studie wurde deshalb „wegen möglicherweise lebensrettenden Informationen“ vor geplantem Abschluss beendet.
Studienbeginn war 2010, eingeschlossen wurden 9.300 „Hochrisiko-Hypertoniker“ ab dem 50. Lebensjahr aus den USA, also Menschen mit einem zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktor oder einer Nierenerkrankung. Patienten mit Diabetes und Schlaganfall in der Vorgeschichte wurden ausgeschlossen. Die Medikamentenauswahl wurde nicht vorgeschrieben. Unterschiedlich war nur der systolische Zielblutdruck (140 vs. 120 mm Hg). Die Absenkung von kardiovaskulären Ereignissen und der Mortalität um etwa ein Drittel bzw. ein Viertel ist eindrucksvoll. Im „intensiven Arm“ hatten die Patienten in der Regel drei oder mehr Antihypertensiva wie Chlorthalidon, Amlodipin und Lisinopril. Im Therapiearm mit dem Standardziel (<140 mm Hg systolisch) waren es im Durchschnitt nur zwei.
Kommentar
Im Jahre 2013 wurde in den Leitlinien mehrerer Fachgesellschaften der Zielblutdruck gelockert und generell auf etwa 140/90 mm Hg – mit Ausnahmen für einige Gruppen – angehoben. Noch am 5. August 2015 hatten die Amerikanische Herzgesellschaft (AHA) und die Amerikanische Diabetesgesellschaft /ADA) in einer gemeinsamen Stellungnahme über die kardiovaskuläre Prävention bei Diabetespatienten die „ABC-Ziele“ (HbA1c, Blutdruck und Cholesterin) aktualisiert. Basierend auf den großen Diabetesstudien der letzten Jahre – ACCORD, ADVANCE und VADT – wurde konstatiert, dass eine Blutdrucksenkung auf Werte < 130/80 keinen kardiovaskulären Vorteil brächte (4). Die SPRINT-Studie hatte aber ausdrücklich Diabetes als Ausschlußkriterium gewählt, insofern treffen die Ergebnisse schon methodisch auf Diabetespatienten nicht zu. Auch bedeutet ein vorzeitiger Studienabbruch für den Statistiker immer eine Einschränkung: Wenn man länger, bis zum Studienende gewartet hätte, wäre der positive Effekt just zu dem Zeitpunkt des Studienabbruchs vielleicht wieder verschwunden. Man wird die Publikation der genauen Daten, auch bei den Untergruppen wie den >75-Jährigen, den Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen in der Vorgeschichte oder denen mit chronischen Nierenerkrankungen abwarten müssen, um die SPRINT-Studie beurteilen zu können.
Helmut Schatz
Literatur
(1) Helmut Schatz: Blutdruckziele gelockert: für alle <140/90 mm Hg
DGE-Blogbeitrag vom 11. November 2013
(2) Helmut Schatz: Zwei neue, differierende Hochdruck-Leitlinien in den USA
DGE-Blogbeitrag vom 10. Januar 2014
(3) National Institutes of Health, Press Release: Landmark NIH study shown intensive blood pressure management may save lifes.
http://www.nih.gov/news/health/sep2015/nhlbi-11.htm
(4) Helmut Schatz: Weniger strenge Ziele zur kardiovaskulären Prävention bei Typ-2-Diabetes: Statement 2015 der Amerikanischen Herz-Gesellschaft (AHA) und der Amerikanischen Diabetes-Assoziation (ADA).
DGE-Blogbeitrag vom 26. August 2015
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