Bochum, 16. November 2015:
Beim Kongress der Amerikanischen Kardiologie-Gesellschaft (AHA) in Orlando präsentierte am 10. November 2015 William C. Cushman aus Memphis, TN, der führende Autor der ACCORD_Studie, die Resultate der Follow-up-Studie ACCORDION (1). Die Ergebnisse sprechen dafür, dass der systolische Blutdruck bei Diabetespatienten doch nicht nur unter 140, sondern möglichst <120 mm Hg liegen soll, also gleich wie in der SPRINT-Studie bei Patienten ohne Diabetes.
Die SPRINT-Studie wurde im DGE-Blog am 25. September 2015 besprochen (2). Ein Diabetes wurde in deren Protokoll ausgeschlossen, da bei der Planung schon die ACCORD-Studie an Diabetespatienten mit zwei Blutdruckstrategien existierte. ACCORD hatte nach knapp 5 Jahren in der intensiven Gruppe eine nur nicht-signifikante Senkung des primären kardiovaskulären Komposit-Endpunkts von 12% gefunden. Schlaganfälle wurden zwar signifikant verringert, nicht aber sieben weitere sekundäre Endpunkte. Einschränkend ist heute festzustellen, dass die Studie wegen der geringer als angenommenen Ereignisrate nicht genügend Power hatte. Auch dürfte die stärkere Blutzuckersenkung mit den Ergebnissen der starken Blutdrucksenkung interagiert haben. Heute wird der Blutzucker nicht mehr so tief abgesenkt, da dies ungünstige Resultate bringt.
In der Nachfolgestudie ACCORDION wurden knapp 4000 Teilnehmer nach Beendigung von ACCORD weitere 54-60 Monate bei freigegebener Behandlungsstrategie verfolgt. Es fand sich 8.8 Jahre nach der Randomisierung eine 9%-ige, nicht-signifikante Reduktion des primären Endpunkts grösserer kardiovaskulärer Ereignisse. Allerdings ergab sich jetzt bei signifikanter Interaktion zwischen Blutdruck- und Blutzucker-Senkung ein Nutzen einer starken Blutdrucksenkung bei den Teilnehmern mit Standard-Glukosesenkung, der signifikant war (HR=0.79, 95% CI 0.65-0.96).
Kommentar
W.C. Cushman schloss aus den Resultaten von ACCORDION: „The bottom-line message is we don´t have level-A evidence to treat diabetics to a target of 120 mm Hg, but taking into account results from the standard-glycemic-control arm of ACCORD, including those from long-term follow-up, and the stroke benefit seen in the main trial, together with the SPRINT results, I would say it is appropriate to include diabetic patients when making recommendations on intensive blood-pressure control” (3). In der Diskussion in Orlando meinte George Bakris aus Chicago, dass man nach den neuen Resultaten den Blutdruck bei allen Patienten unter 130 mm Hg systolisch bringen und dort auch dauerhaft halten sollte (3). In ACCORDION hatte sich nämlich für die Blutdrucksenkung kein Legacy-Effekt gezeigt.
Helmut Schatz
Literatur
(1) William C. Cushman et al.: Long-term cardiovascular effect of 4.9 years of intensive blood pressure control in type 2 diabetes mellitus. The Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes follow-on blood pressure study.
AHA-Congress, Orlando 10. November 2015 (Abstract)
(2) Helmut Schatz: Blutdruck doch tiefer absenken als nach den aktuellen Hypertonie-Leitlinien: auf 120 mm HG systolisch nach der neuen SPRINT-Studie (=ohne Diabetespatienten!).
DGE-Blogbeitrag vom 25. September 2015
(3) Sue Hughes: Extend SPRINT results to diabetics: New ACCORD data.
http://www.medscape.com/viewarticle/854311_print
Bitte kommentieren Sie diesen Beitrag!
Blutdruck senken unter 130 mm Hg – ist das jetzt bereits eine konkrete Therapieempfehlung? Oder gelten die Ergebnisse dieser Studie weiterhin als vorläufig und man sollte weitere Untersuchungen abwarten?
Die offizielle Empfehlung für Diabetiker ist generell noch unter 140 systolisch in der sprechstunde. Bei nierejproblemej etwas tiefer. Wie weit Sprint und Accordion die Empfehlungen ändern werden bleibt abzuwarten.
Helmut schatz
SPRINT zeigt doch, wie risikoreich es ist, den Blutdruck dem Normalbereich medikamentös zu nähern. ACCORDION zeigt als Nachbeobachtung, dass diejenigen, bei denen eine medikamentöse Therapie den Blutdruck tiefer senkt und die dies über längere Zeit vertragen – was man erst hinterher weiß – , einen sehr kleinen Benefit haben, gegenüber denjenigen, bei denen die medikamentöse Therapie nicht so wirksam oder verträglich ist. Beide Ergebnisse sprechen doch dafür, dass eine Normalisierung des Blutdrucks in kurativer Absicht nur durch eine intensive Lebensstiländerung – oft sicherlich in Kombination mit einer medikamentösen Therapie – sicher anzustreben ist.