Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Weltweiter Trend der Prävalenz und Behandlung des Bluthochdrucks von 1990 bis 2019


Datenanalyse von 1201 repräsentativen Bevölkerungsstudien mit 104 Millionen Teilnehmern

Bochum, 20. September 2021:

Am 11. September 2021 erschien im LANCET eine von der Weltgesundheitsorganisation WHO gesponserte Analyse des weltweiten Blutdruckverhaltens und seiner Behandlung bei 30-79 Jahre alten Frauen und Männern von 1990-2019. Es wurden die Daten von 104 Millionen Personen aus  1201 repräsentativen Bevölkerungsstudien in 200 Ländern und Territorien statistisch nach dem Bayesischen hierarchischen Modell ausgewertet. Geschlecht, das Alter  und weitere Faktoren wurden berücksichtigt. Als Hypertonus wurden die Werte von systolisch =/> 140 mm Hg und diastolisch =/> 90 mm Hg definiert. Es ergab sich von 1990 bis 2019 zirka eine Verdoppelung der Personen mit Hypertonie.

In den zwei Jahrzehnten stieg die Zahl der Frauen mit Hypertonus  von 331 auf 625 Millionen,  der Männer von 317 auf 652 Millionen, mit einer stabilen globalen nach dem Alter standardisierten Prävalenz. Im Jahre 2019 waren für Frauen und  Männer die Werte am niedrigsten in Kanada und Peru, für Frauen in Taiwan, Südkorea, Japan und einigen westeuropäischen Ländern einschließlich Schweiz, Spanien und Großbritannien und für Männer in etlichen Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen wie Eritrea, Bangladesh, Äthiopien und den Salomon-Inseln. Eine Hypertonie-Prävalenz über 50% lag für Frauen in 2 Ländern, für Männer in 9 Ländern von Mittel- und Osteuropa, Zentralasien und Lateinamerika vor. Weltweit berichteten 59% der Frauen und 49% der Männer über eine schon vor der Erhebung gestellte Hypertonie-Diagnose. Eine Behandlung  erfolgte aber  nur bei 47% der Frauen und 38% der Männer. Kontrolliert wurde der hohe Blutdruck im Jahre 2019 bei 23% der Frauen 18% der Männer. Am häufigsten waren diese Raten in Südkorea, Kanada und Island ( >70% Therapie, >50% Kontrollen), gefolgt von den USA, Costa Rica, Deutschland, Portugal und Taiwan. Weniger als 25% der Frauen und 20% der Männer wurden in Nepal, Indonesien, einigen Ländern der Sub-Sahara und Ozeanien kontrolliert, weniger als 10% der Männer in Nordafrika, Zentral- und Südasien sowie Osteuropa.

Seit 1990 haben sich die Raten in den meisten Ländern verbessert. Nur geringe Änderungen wurden aber meist in der Sub-Sahara und Ozeanien gefunden. Die größten Verbesserungen beobachtete man in Ländern mit hohem Einkommen wie in Mitteleuropa sowie in Ländern, die von mittlerem zu hohem Einkommen aufgestiegen waren wie Costa Rica, Taiwan, Kasachstan, Südafrika, Brasilien, Chile, Türkei und Iran.

Abbildung: Undiagnostizierte (rot), nicht behandelte (orange), behandelte aber unkontrollierte (hellgrün) und kontrollierte (grün) Hypertonie weltweit (links) und in verschiedenen Regionen der Welt von 1990–2019 (aus Lit.1).

Kommentar

Zhou et al. (1) führen an, dass in vielen Ländern, gegenläufig zur Abnahme der Hypertonie, die Adipositas zugenommen habe. Zur Prävention des Bluthochdrucks sei die Salzarmut der Kost sehr wichtig sowie ein besserer Zugang zu Früchten und Gemüse. Eine vermehrte Blutdruck-Diagnostik soll erfolgen und die Therapie muss früh einsetzten. Hier ist die Compliance von Bedeutung. Der Trend geht heute weg vom Beginn mit einer Monotherapie, gefolgt von stufenweiser Steigerung  hin zum sofortigen Einsatz von Kombinationstherapien etwa durch eine „Polypill“. Eine Woche nach der Publikation der hier referierten Studie (1) erschien dazu im Lancet wieder eine neue Arbeit über eine Vielfach-Kombinationstablette zum frühen Einsatz (2).

Eine erfolgreiche Hypertonie-Bekämpfung, beginnend  mit Primärprävention zur Verminderung der Prävalenz durch geeignete Ernährung, Erfassung des Hochdrucks und frühe kontrollierte Behandlung  ist offenbar nicht nur in Ländern mit hohem, sondern auch niedrigem bis mittlerem Einkommen erreichbar (siehe Abbildung).

Helmut Schatz

Literatur

(1) B. Zhou et al., for the NCD Risk Factor Collaboration: Worldwide trends in hypertension prevalence and progress in treatment and control from 1990 to 2019: a pooled analysis of 1201 population-representative studies with 104 million participants.
THE LANCET, September 11, 2021. Vol. 398, (issue 10304): 957-980.
DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)1330-1

(2) Clara K Chow et al.: Initial treatment with a single pill containing quadruple combination of quarter doses of blood pressure medicines versus standard dose monotherapy in patients with hypertension (QUARTET): a phase 3, randomised, double-blind, active-controlled trial
THE LANCET, September 18, 2021. Vol. 398 (issue 10305): 1043-1052.
DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)01922-X

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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2 Antworten auf Weltweiter Trend der Prävalenz und Behandlung des Bluthochdrucks von 1990 bis 2019

  1. Helmut Schatz sagt:

    Eben wurde auf dem Europäischen Kardiologenkongess und zeitgleich publiziert „erstmals eine robuste Studie“ über Schlagabfallrisiko bei über 20.000 Chinesen in einem ländlichen Raum vorgetragen. Die prospektive Studie zeigte, dass um 25% reduziertes Natriumsalz, ersetzt durch Kaliumsalz bei über 60-Jährigen mit kardiovasvulärer Vorgeschichte Schlaganfälle und kardiovaskuläre Mortalität hochsignifkant um 14% bzw. 12 % reduzierte, ohne dass Hyperkaliämien auftraten..

  2. Helmut Schatz sagt:

    „Diese „Salt Substitue and Stroke Study“ wurde im NEJM publiziert.

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