Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Bluthochdruck ab Werten von 140/90 mm Hg. Therapie gleich mit Kombinationstabletten beginnen!


Die neuen Leitlinien 2018 der Europäischen Gesellschaften für Kardiologie und Hypertonie

Bochum, 18. Juni 2018:

Vor etwa 1 Woche stellte die Europäische Hochdruckgesellschaft (ESH) auf ihrem Kongress in Barcelona die neuen Europäischen Leitlinien zur Behandlung des Hypertonus vor (1,2). Sie hält an ihren bisherigen, gemeinsam mit der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) publizierten Leitlinien fest und definiert einen Hypertonus bei Werten ab 140/90 mm Hg. Ein Blutdruck von 130 – 139/80-89 mm Hg wird als   hochnormal eingestuft und nicht wie bei den amerikanischen Leitlinien 2017 als Hypertonus Stadium 1.  Eine  Senkung in den Normalbereich von <130/80 ist anzustreben. Prävention und Früherkennung sollten im Vordergrund stehen. Eine medikamentöse Behandlung ist erst  – individualisiert – bei einem großen Teil der Patienten ab Werten über 140/90  angezeigt. Dass diese Werte bei etwa der Hälfte aller Patienten nicht erreicht werden, liegt an der mangelnden Therapietreue und einer großen Dunkelziffer an Betroffenen.

Bei normotensiven Erwachsenen mit optimalen Werten von  <120/80 mm Hg g sollte der Blutdruck sollte der Blutdruck alle fünf  Jahre überprüft werden, im hochnormalen Bereich von 130-139 / 80-89 mm Hg mindestens  1x jährlich. Zur Erhöhung der Therapietreue sollen Fixdosis-Kombinationen mit 2 bis 3 Wirkstoffen in 1 Tablette verschrieben werden.

Kommentar

Die Zahlen der europäischen Leitlinie werden wohl den meisten von uns Ärzten vernünftig erscheinen. Die nach der SPRINT-Studie (3) postulierte systolische Obergrenze von 120 mm Hg wurde in Deutschland und Europa und auch in den USA lebhaft diskutiert und vielfach nicht akzeptiert (4). Wichtig erscheint in der ESC/ESH-Leitlinie 2018 das zeitlich definierte Screening, die erneute Betonung von nichtmedikamentösen Allgemein-Maßnahmen (Kochsalzreduktion,  DASH-Diät u.a.),

der Hinweis auf die hohe Dunkelziffer sowie auf verstärkten Einsatz der „single pill“-Strategie. Der Referent hat in seiner eigenen Praxis auch die Erfahrung gemacht, dass viele Patienten, insbesondere dann, wenn sie eine größere Zahl  Tabletten nehmen müssen, das zweite oder dritte Blutdruckmedikament des öfteren selbst weglassen.  Empfohlen wird jetzt der Einstieg mit einer Kombinationstablette aus  einem ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptorblocker zusammen mit einem Kalziumantagonisten oder Thiazid-Diuretikum. In der Pressemeldung der Deutschen Hochdruckliga vom 11. 6. 2018  wird Professor Bernhard Krämer mit dem Satz zitiert: „Eine Monotherapie hat als Erstlinientherapie ausgedient“ (1) .

Für die Praxis:

Wenige Tage nach Bekanntgabe der ESC/ESH-Leitlinien 2018 bringt Medscape Deutschland die  praktischen Hinweise des amerikanischen Präventionsmediziners Michael LeFevre  für eine präzise Blutdruckmessung in der Praxis (5). Diese nimmt etwa 10 min in Anspruch, eine Zeit, die wohl kaum generell in allen Praxen für eine Blutdruckmessung aufgewendet werden kann. Bei den Patienten jedoch, die wegen ihrer Hypertonie die Sprechstunde aufsuchen, sollte man freilich die 10 Punkte möglichst genau beachten.

1.) Der Patient soll mindestens 30 min vor dem Praxisbesuch kein Koffein oder Nikotin zu sich genommen und sich nicht nennenswert körperlich belastet haben.
2.) Der Patient soll mindestens 5 min entspannt auf einem Stuhl sitzen (mit Rückenlehne, Füße auf dem Boden).
3.) Stellen Sie sicher, dass der Patient seine Blase entleert hat.
4.) Während der Entspannungsphase und der Messung wird nicht gesprochen.
5.) Alle Kleidungsstücke, die den Bereich der Manschetten-Platzierung bedecken, werden ausgezogen.
6.) Es muss die richtige Manschettengröße verwendet werden.
7.) Der Arm des Patienten wird abgelegt bzw. unterstützt.
8.) Die Manschetten-Mitte wird am Oberarm des Patienten in Höhe des rechten Vorhofs (Mitte des Brustbeins) positioniert.
9.) Wiederholte Messungen sollten im Abstand von 1-2 min erfolgen.
10.) Es wird dann der Mittelwert aus mindestens 2 Messungen gebildet.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL und Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention: Neue Europäische Leitlinien für Bluthochdruck: Was ändert sich?
Pressemeldung von 11. Juni 2018

(2) Williams B., Mancia G. et al.: Guidelines of the ESC/ESH.
Eur Heart J / J Hypertens 2018. in press.
(3) Helmut Schatz: SPRINT-Studie mit Blutdruckziel <120 mm systolisch heftig kritisiert. DGE-Blogbeitrag vom 9. September 2016

(4) Helmut Schatz: Neue Blutdruck-Leitlinien in den USA: Obere Grenze von 140/90 auf 130/80 mm Hg gesenkt.
DGE-Blogbeitrag vom 16. November 2017

(5) Michael Lefevre: Praxis-Problem Bluthochdruck: Ein Experte zerpflückt den Zielwert 130 und gibt Tipps für vernünftige Messungen und Therapie.
https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4907045

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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