Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Systolischer und diastolischer Bluthochdruck: Unabängiger Effekt auf die kardiovaskulären Outcomes


Bochum, 19. Juli 2019:

In einer multivariablen Cox Survival-Analyse der Daten einer Population von 1.3 Millionen ambulanten Patienten im Rahmen des Kaiser Permanente North California Community Benefit Program wurde der Einfluss der systolischen und der diastolischen Hypertonie auf einen Komposit-Endpunkt aus Myokardinfarkt sowie aus ischämischem und hämorrhagischem Schlaganfall in einer 8-Jahresperiode untersucht. Demographische Charakteristika und Begleiterkrankungen wurden kontrolliert und berücksichtigt (1).

Ergebnis: Sowohl der systolische als auch der diastolische Blutdruck waren voneinander unabhängige Prognosefaktoren für die Outcomes. Das Risiko betrug bei einem Grenzwert für  den systolischen Hochdruck von  >/=140 mm Hg bzw. den diastolischen von  >/= 90 mm Hg (Hazard Ratio HR, z-score)  1.18; 1.17-1.18, bzw. 1.06, 1.06-1.07).  Bei Zugrundelegung der tieferen Grenzwerte für eine Hypertonie von systolisch >/=130 mm Hg und diastolisch >/= 80 mm Hg  sowie Berechnung ohne Grenzwerte  ergab sich ein prinzipiell ähnliches Bild.

Kommentar

Die Schlussfolgerungen der Autoren lauteten: „Although systolic blood pressure elevation has a greater effect on outcomes, both systolic and diastolic hypertension independently influenced the risk of adverse cardiovasulat events, regardless of the definition of hypertension.”

In meiner Praxis erlebe ich es immer wieder, ebenso wie wohl auch viele von Ihnen, dass Patienten dem diastolischen Blutdruck einen ganz besonderen, teilweise sogar höheren Wert beimessen als dem systolischen. „Dies ist doch der Dauerdruck auf die Gefäße“, sagen sie. Dies mag vielleicht vor Jahrzehnten eine auch von uns Ärzten verbreitete Ansicht gewesen sein. Die seit Jahrzehnten auch bei uns vielfach verwendete Coronary Heart Risk Factor Prediction Chart der Amerikanischen Herzgesellschaft und die gemeinsamen Coronary Risk Chart der Europäischen Gesellschaften für Atherosklerose, für Kardiologie und für Hypertension aus dem Jahr 2016 berücksichtigen  nur den systolischen Blutdruck. Auf einem der letzten Internistenkongresse, damals in Mannheim, gab es sogar eine heftig diskutierte Sitzung zum Thema: „Soll man den diastolischen Blutdruck überhaupt noch messen?“. Als Argument wurde gebracht, dass 1.) der diastolische Druck, von Ausnahmen abgesehen, mit dem systolischen Druck recht gut korreliere. Und 2.) sei er nicht immer so eindeutig zu messen wie der systolische. Als es noch keine Automaten (=black box!) gab, erfasste man den Blutdruck, so wie vielfach auch heute in der ambulanten Praxis geübt,  mit einem Sphygmomanometer und Auskultation der Korotkow-Geräusche in der Ellenbeuge.  Schon im Studium lernten wir vor einem halben Jahrhundert: „Der Wert, wenn die Töne verschwinden oder zumindest deutlich leiser werden, gibt den diastolischen Druck an. Gelegentlich sind leise Töne aber auch noch weit darunter, fast gegen Null hin zu hören.

Die jetzt präsentierte Analyse von 1.3 Millionen Personen über 8 Jahre zeigt statistisch, dass der diastolische Druck doch eine vom systolischen Blutdruck unabhängige Bedeutung für die kardiovaskulären Outcomes hat. Der Referent erachtet diese bei einer HR von 1.06 als nicht sehr groß, sie ist deutlich geringer als die für den systolischen Blutdruck (HR von 1.18).

Prof. (emer.) Helmut Schatz, Direktor a.D. der Medizinischen Klinik und
Prof. Andreas Mügge, Direktor der Kardiologischen Klinik des Universitätsklinikums Bergmannsheil der Ruhr-Universität Bochum

Literatur

(1) Alexander C. Flint et al.: Effect of systolic and diastolic blood pressure on cardiovascular outcomes.
New Engl. J. Med. , Preview.
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1803180?query=TOC

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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Eine Antwort auf Systolischer und diastolischer Bluthochdruck: Unabängiger Effekt auf die kardiovaskulären Outcomes

  1. Helmut Schatz sagt:

    Im LANCET vom 24. Oktober 2019 kritisieren einige Leser diese Arbeit. Verdecchia et al. kommentieren, dass die Beziehung der Abflachung der J-Kurve für den systolischen und diastolischen Blutdruck und den Outcomes man möglicherweise anders sehen könnte, wenn man Myokardinfarkt und Schlaganfall getrennt betrachtete. Flint und Bharr stimmen dem zu und schreiben, dass dies mit dem Datensatzt auch geschehen würde (p. 1692).

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