Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Canagliflozin zur Diabetesbehandlung in den USA zugelassen


Bochum, 30. März 2013

Canagliflozin, ein Hemmer des Natrium-Glukose-Rücktransporters der Niere (SGLT2-Inhibitor) wurde gestern von der Amerikanischen Arzneibehörde FDA zur Behandlung des Typ-2-Diabetes zugelassen (1). Während aus dieser Klasse von Diabetesmedikamenten in der Europäischen Union (EU) bereits Dapagliflozin am 14. November 2012 approbiert wurde (2), stellt Canagliflozin in den USA die erste Substanz aus dieser neuen Wirkstoffgruppe dar. Durch Hemmung der Glukose-Rückresorption in der Niere wird Zucker mit dem Harn ausgeschieden, wodurch er im Blut abgesenkt wird. Diese Substanzen wirken nur bei erhöhten Blutglukosespiegeln, so dass durch sie allein keine Unterzuckerungen auftreten.

Canagliflozin (Handelsname Invokana™, Janssen Pharmaceuticals) wurde vom Beratergremium der FDA bereits am 10. Januar 2013 zur Zulassung empfohlen, obwohl Bedenken wegen möglicherweise vermehrter Schlaganfälle bestanden (3).Das in der Europäischen Union bereits verfügbare Dapagliflozin (Handelsname Forxiga ®, BMS/AstraZeneca) hingegen wurde im Januar 2013 von der FDA wegen Blasen- und Brustkrebsbedenken zurückgestellt, bis die Ergebnisse von neuen Studien zur Sicherheit vorlägen. Für Canagliflozin wurden von der FDA fünf Postmarketing-Studien zur Auflage gemacht: Eine kardiovaskuläre Endpunkt-Studie (CANVAS), ein besonders sorgfältiges Pharmakovigilanz-Programm für Krebs, schwere Pankreatitis und andere Ereignisse; eine Knochensicherheitsstudie und zwei pädiatrische Studien. Als häufigste Nebenwirkungen von Canagliflozin werden Pilzbefall der Scheide und Harntrakt-Infekte angeführt. Auf Auswirkungen einer gesteigerten Harnmenge wie etwa Benommenheit und Blutdruckabfall soll besonders in den ersten 3 Monaten geachtet werden.

Kommentar

Bereits im DGE-Blog-Beitrag vom 15. November 2012 zur Dapagliflozin-Zulassung in der EU (2) wurde betont, dass erst der breitere Einsatz der SGLT2-Hemmer in der „real world“ deren klinischen Wert und das Nebenwirkungsspektrum wird zeigen müssen. Dapagliflozin stammt von AstraZeneca, einer Firma, die 1999 durch Zusammenschluss der schwedischen Firma Astra mit dem britischen Unternehmensgruppe Zeneca entstanden ist, zusammen mit Bristol-Myers Squibb aus New York. Canagliflozin kommt von Janssen, einer Tochter der 1886 in New Yersey (USA) gegründeten Johnsson & Johnsson GmbH. Beide Unternehmensgruppierungen betonen, dass ihr SGLT2-Hemmer „der erste aus einer neuen Antidiabetika-Klasse“ sei – was dann stimmt, wenn man die Aussage auf die EU oder die USA bezieht.
In der Diskussion zu dem Blog-Beitrag über Degludec-Insulin (4) hat „Strumpf“ vermutet, dass bei Zulassungen durch die FDA und EMA ein edler Wettkampf stattfinden könnte, bei dem Pharma-Lobbyisten kräftig mitwirken. Ob das wirklich nur „böse Zungen“ sagen?

Helmut Schatz

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Literatur

(1) FDA approves canagliflozin, a first-in-class diabetes drug. Medscape. March 29, 2013
http://www.medscape.com/viewarticle/781709_print

(2) H. Schatz: Dapagliflozin in der Europäischen Union zugelassen.
DGE-Blog-Beitrag vom 15. November 2012

(3) H. Schatz: Canagliflozin, ein SGLT2-Hemmer, von der U.S. Arzneimittelbehörde FDA für die Zulassung bei Typ-2-Diabetes empfohlen.
DGE-Blog-Beitrag vom 16. Januar 2013

(4) „Strumpf“ in: H. Schatz: Insulin Degludec der Firma Novo Nordisk von der Amerikanischen Arzneibehörde (FDA) nicht zugelassen.
Diskussion zum DGE-Blog-Beitrag vom 17. Februar 2013

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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2 Antworten auf Canagliflozin zur Diabetesbehandlung in den USA zugelassen

  1. Harro sagt:

    Dapagliflozin war wirklich das „erste Präparat einer neuen Wirkstoffgruppe“, das überhaupt in einem Land bzw. einem Staatenverbund (EU) zugelassen wurde, Canagliflozin nur „das erste“ in den USA.

  2. Helmut Schatz sagt:

    In den USA ist eine heftige Diskussion über die Zulassung von Canagliflozin durch die FDA entbrannt (siehe: http://www.medscape.com/viewarticle/782712_print) . Zwei Kardiologen äußern sich negativ bis kritisch, ebenso David M. Nathan aus Boston. Lediglich Alan J. Garber aus Houston begrüßt Canagliflozin und sieht es sogar als „second-line drug“ nach Metformin und Lifestyle, gleichwertig mit den Inkretinen. Ein Kritikpunkt des Kardiologen Sanjai Kaul von der UCLA ist, daß die von der FDA seit 2008 für Diabetesmedikamente vorgeschriebene kardiovaskuläre Sicherheitsstudie CANVAS zum Zwecke der Zulassung vorzeitig zum Teil entblindet wurde, so daß jetzt statistische Probleme beim für 2016 zu erwartenden Endresultat bestehen. Die Daten hätten übrigens ein um 46% gesteigertes Schlafanfallrisiko ergeben, vor allem in den ersten 30 Tagen der Behandlung. Dies sei wohl durch Dehydratation bedingt. Es wird daher geraten, im ersten Monat nach Beginn mit SGLT2-Hemmern reichlich zu trinken.Dann würde sich ein neues Äquilibrium einstellen. Dr. Nathan meint im Hinblick auf den Gewichtsverlust durch SGLT2-Hemmer: „Old-fashioned poorly controlled diabetes did the same thing“. Er schreibt weiter: „I do remain generelly concerned regarding this flooding of the market witrh diabetes drugs that really are not substantially better, and in some ways worse, the the older, less expensive, generic drugs that are available“. Die meisten der Kritikpunkte gelten wohl auch für Dapagliflozin.

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