Bochum, 19. November 2019:
Eine historische, populationsbasierte Kohortenstudie über 10 Jahre an 19.518 (von insgesamt 37.230) den Einschlusskriterien entsprechenden versicherten Personen ab dem 65. Lebensjahr mit Statinen ohne kardiovaskuläre (CV) Ereignisse („Primärprävention“) ergab bei denen, welche die Statine regelmäßig einnahmen, im Vergleich zu der Gruppe, welche dies nicht tat, einen Überlebensvorteil: Die Gesamtsterblichkeit war um 34% niedriger. Auch die CV Ereignisse waren seltener. Diese Vorteile betrafen auch Menschen mit regelmäßiger Statin-Einnahme nach dem 75. Lebensjahr (1). Zwischen Männern und Frauen fand sich kein Unterschied (1).
Untersucht wurden die Mitglieder der Clalit Health Services Northern District in den USA ab einem Alter von 65 J. zehn Jahre lang. Die Hazard Ratio (HR) für Statin-Einnehmer im Vergleich zur anderen Gruppe betrug 0.66; 95% CI 0.56 – 0.79. Kardiovaskuläre Vorteile der Statine: HR 0.80; 95% CI 0.71-0.81) Dies nahm auch nach dem Alter von 75 Jahren nicht ab.
Kommentar
Die wenigen Untersuchungen zu diesem Thema bei Älteren ergaben widersprüchliche Resultate (2, 3, 4). Der Vorteil dieser Studie ist ihre große Teilnehmerzahl sowie ein weitgehendes Vorliegen von weiteren Daten der Versicherten. Man könnte einwenden, dass Personen, welche ihre Tabletten regelmäßig einnehmen, auch eher einen gesunden Lebensstil aufweisen und regelmäßiger zu Kontrollen gehen („healthy user/adherer effect“). Möglicherweise fällt dadurch der positive Effekte von Statinen auf Mortalität und CV Ereignisse überhöht aus. Gebrechlichkeit und mangelnde körperliche Aktivität sind als Einflussfaltoren (confounders) ebenfalls zu betrachten. Diese wurden in der vorliegenden Studie aber weitgehend berücksichtigt ebenso wie der sozioökonomische Status. Auch der Lebensstil (Obesitas, Rauchen etc.) wurde in die statistischen Berechungen einbezogen. Wenn es auch noch weitere Einflussfaktoren gibt, so spricht die angeführte Methodik gegen ein substanzielles „healthy user bias“. Die Autoren raten vorsorglich zu einer vorsichtigen Interpretation ihrer Daten, da wichtige Faktoren wie Lebensqualität und andere ungünstige Ereignisse die Ergebnisse beeinflusst haben könnten. Dennoch meinen sie, dass die Studienergebnisse Evidenzen für das Gespräch der Ärzte mit ihren Patienten liefern. Die Schlussfolgerungen der Arbeit enden – wie fast stets nach solchen Studien – mit der Forderung: „Die Ergebnisse müssen noch in anderen Bevölkerungsgruppen bestätigt werden, und: Es besteht die Notwendigkeit einer prospektiven Interventionsstudie in einer älteren Population“.
Helmut Schatz
Literatur
(1) S. Eilat-Tsanani et al.: Statin use over 65 years of age and all-cause mortality. A 10-Year Follow-Up of 19 518 People.
J Am Geriatr Soc. 2019; 67(10):2038-2044
(2) M.B. Mortensen, E. Falk: Primary prevention with statins in elderly.
J Am Coll Cardiol. 2018;71(1):85-94
(3) J. Armitage et al.: Efficacy and safety of statin therapy in older people: a meta-analysis of indivitual perticipant data from 28 randomised controlled trials.
Lancet 2016.388(10059):2532-2561
(4) T.E. Strandberg et al.: Evaliuation and treatment of older patients with hypercholesterinemia.
JAMA 2014; 312(11):1136-1144
In einem hier vor über einem Jahr erschienenen Artikel wurde empfohlen, in hohem Alter bei guter „intervaskulärer Vorgeschichte“ auf die Einnahme von Statinen zu verzichten. Diesem Rat folgte ich, müßte aber nach der vorliegenden Veröffentlichung die Einnahme wieder aufnehmen, oder?
Die Medizin ändert sich ständig, basierend auf den großen Outcome-Studien (wer lebt länger? Bekommt weniger Herzinfarkte und/oder Schlagnfälle?). Man orientiert sich nicht mehr an „Surrogat-Parametern“ wie Cholesterinspiegeln. It is up to You, sagt der Engländer. Und: Mit dem Hausarzt eine „shared decision“ treffen, nach „informed consent“.