Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Clinical Obesity – eine neue Krankheitsbezeichnung


14. Dezember 2024

Gibt es auch „Gesunde Dicke“? Der Body Mass Index gilt vielen Experten längst als unzureichendes Maß zur Bewertung von Obesitas, weil er keine Aussage über gesundheitliche Folgeschäden trifft. Eine internationale Expertenkommission will das mit dem neuen Begriff „Clinical Obesity“ ändern, der stärker auf organbezogene Schäden abzielt. Kritiker bemängeln jedoch die Begriffswahl „Healthy Obesity“ und schlagen „asymptomatische Obesitas“ vor.

Die Diskussion um Obesitas/Fettsucht als Krankheit und deren korrekte Bezeichnung läuft schon jahrelang. Die American Medical Association (AMA) erklärte bereits auf ihrem Kongress 2013 in Chicago die Obesitas als Krankheit (1). In den letzten Jahren gab es lebhafte Diskussionen, darüber, ob man diesen zweifellos ernsten Zustand wirklich als Erkrankung bezeichnen solle. Man sollte mehr Augenmerk auf die Prävention richten.
Der Body Mass Index (BMI) wird heute von vielen Experten als kein gutes Maß für die Einstufung bezeichnet, da er nicht unterscheidet zwischen Personen mit einer Exzess-Obesitas, die zwar ein hohes Risiko für Erkrankungen tragen, aber (sonst noch) erkrankungsfrei sind („Healthy Obese“) und solchen, bei denen bereits Erkrankungen als Folge ihrer Obesitas eingetreten sind (Clinically Obese, Lit.2).

Eine Lancet-Kommission von 56 weltweit führenden Obesitas-Experten (Akademischen Klinikern, Grundlagenwissenchaftlern, Experten des Öffentlichen Gesundheitswesens, Patientenvertretern und Repräsentanten der Weltgesundheitsorganisation WHO) verfassten ein Dokument, das Mitte Januar 2025 im LANCET – Diabetes & Endocrinology publiziert werden dürfte. Vorher sollte es von mehr als 75 Medizinischen Gesellschaften und anderen Organisationen akzeptiert und gebilligt werden. Am 4. November 2024 gab der führende Autor dieser Publikation, Francesco Rubino vom King´s College London eine Vorschau auf dem ObesityWeek Meeting 2024 der Obesity Society in San Antonio, Texas.

In der Publikation wird eine Herangehensweise in 2 Schritten empfohlen werden:
1.) Es ist zu eruieren, wann und wie der Patient zu seiner Obesitas kam. Es werden Vorschläge für die dazu zweckmäßige Art gemacht.
2.) Es muss Organ für Organ das Vorliegen von Abnormitäten erfasst werden, die Folge der Obesitas sind. Wenn solche gefunden werden, besteht eine „Clinical Obesity“. Weitere spezifische Kriterien für diese Diagnose stehen laut Erstautor bis zur Publikation Mitte Januar 2025 unter Embargo.

Kommentar

Unter den Lesern der Vorab-Publikation in Medscape (2) fand eine lebhafte Diskussion zu dem Vorschlag statt. Unter anderem wurde bemerkt, dass bei der „clinical obesity“ dieser die „healthy obesity“ gegenüberstünde, was bei der Obesity sinnvoll erscheinen mag. Will man in gleicher Weise andere Zustände nach Symptomen definieren, könnte man auch  von einer „healthy hypertension“ oder eine „healthy anemia“ sprechen.  Man sollte also besser die Bezeichnung „asymptomatic “ und nicht  „healthy“ obesity verwenden.

Wie ist Ihre Meinung, liebe Leser, zu „Clinical Obesity“ als Krankheitsbezeichnung?

Helmut Schatz und Wiebke Fenske, Bochum

Literatur

(1) Marcia Freilick: AMA Declares Obesity as a Disease.
Medscape Medical News, 19. Juni 2013

(2) Miriam E. Tucker: Coming Soon: A New Disease Definitiom, „Clinical Obesity“
Medscape Medical News, 5. November 2024

Posted on by Prof. Helmut Schatz
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