Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Colchicin nicht nur bei Gicht – auch bei Herzinfarkt?


Bochum, 12. Dezember 2019:

Im New England Journal of Medicine erschien am 16. November 2019 online das Ergebnis des kanadischen Colchicine Cardiovascular Outcome Trial (COLCOT), einer plazebo-kontrollierten Studie an insgesamt etwa 4500 Patienten, die in den letzten 30 Tagen einen Herzinfarkt durchgemacht hatten (1).  Randomisiert erhielt die eine Hälfte niedrig-dosiertes Colchicin (0.5 mg, 1x täglich), die andere Plazebo. Die Ereignis-getriebene Studie sollte für eine genügende Power die Zahl von 301 Patienten mit primären Endpunkten erreichen. Der primäre Komposit-Endpunkt umfasste cv Tod, Herzstillstand mit Wiederbelebung, Myokard-Reinfarkt, Schlaganfall oder stationäre Notaufnahme wegen Angina pectoris und Revaskularisation. Unter Colchicin kam es zu weniger derartigen ischämischen kardiovaskulären (cv) Ereignissen als unter Plazebo.  Die Hazard Ratio für den primären Komposit-Endpunkt betrug 0.77; 95% Confidence Interval (CI), 0.61 bis 0.96, p=0.02, siehe Abbildung aus Lit.1).

Die sekundären Endpunkte bestanden aus den Komponenten des primären Endpunktes sowie Gesamtmortalität. Die signifikante Abnahme des primären Endpunktes (s.o.) unter Colchicin kam vor allem durch ein unter Colchicin niedrigeres Risiko für Schlaganfälle zustande.

An unerwünschten Nebenwirkungen registrierte man unter Colchicin im Vergleich zu Plazebo häufiger Nausea, vor allem aber mehr Infektionen (2.2% vs. 1.6% der Patienten), insbesondere mehr Pneumonien (0.9% vs. 0.4%).

 

Kommentar

Im DGE-Blog wurde am 10. November 2017 über Untersuchungen mit Colchicin bei koronarer Herzkrankheit referiert, die eine Abnahme des hochsenitiven C-reaktiven Proteins  und eines Markers für die  Plaque-Instabilität gezeigt hatten (2). Die Untersuchungen gingen von der Annahme aus, dass bei der koronaren Herzkrankheit die Inflammation eine wichtige pathophysiologische Rolle spielt. In der CANTOS-Studie wurde der  Anti-Interleukin (IL)-1ß -Antikörper Canakinumab eingesetzt, worüber im DGE-Blog ebenfalls berichtet wurde (3). Dieser Antikörper hatte cv Vorteile gebracht, aber auch eine höhere Inzidenz fataler Infektionen. Methotrexat war ohne Effekt, es bewirkte in der CIRT – Studie keine CRP-Reduktion.

Im Editorial zur hier referierten Colchicin-Studie weist L. Kristin Newby (4) darauf hin, dass Colchicin keinen signifikanten Effekt auf Einzelkomponenten des primären Komposit-Endpunktes wie cv Tod oder  Myokard-Reinfarkt gezeigt hätte. Sie meint, dass die insgesamt recht geringen cv Effekte angesichts fehlender Verringerung  von cv Tod und Re-Infarkt

nicht für einen Routine-Einsatz von Colchicin zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt sprächen. Auf Grund des deutlich verminderten Schlaganfall-Risikos unter Colchicin, wie es auch schon zuvor beschrieben wurde (5) müsse man darüber nachdenken, ob dies eine spezielle Wirkung von Colchicin auf das zerebrovaskuläre Gefäßsystem ist oder nur ein Zufallsbefund. Das Editorial schließt mit den Sätzen: „These observations do not lessen the overall importance of inflammation in atherosclerosis, nor should they halt efforts to find more antiinflammatory agents with better side-effect profiles. However, they should encourge us to revisit whether inflammation itself is the best treatment target or whether opportunities exist to identify and better understand pathophysiological processes or mediators that incite inflammation and drive atherosclerosis in order to intervene further upstream (4).

Helmut Schatz

Literatur

(1) Jean-Claude Tardif et al.: Efficacy and safety of low-dose colchicine after myocardial infarction.
New Engl.J.Med. online Nov.16, 2019. DOI: 101056/NEJMoal1912388.
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1912388?query=RP

(2) Helmut Schatz: Colchicin bei koronarer Herzkrankheit?
DGE-Blogbeitrag vom 10. November 2017

(3) Helmut Schatz: Neues zu koronarer Herzkrankheit und Lipiden auf dem Europäischen Kardiologenkongress in Barcelona. Teil I: CANTOS-Sudie mit Canakinumabv (Ilaris).
DGE-Blogbeitrag vom 1. September 2017

(4) L.Kristin Newby: Inflammation as a treatment target after acute mayocardial infarction.
New ENgl.J.Med. online Nov.16, 2019. DOI: 10.1056/NEJMe1914378.
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMe191378

(5) C. Khandkar et al.: Colchicine for stroke prevention: a systematic review and meta-analysis.
Clin. Ther. 29019;41(3):582-530.3e.

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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