Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Conn-Syndrom: Eine neue Studie belegt die Relevanz hormoneller Blutdruckursachen


– der 500. Beitrag im DGE-Blog –

Dass Bluthochdruck eine ‚Volkskrankheit’ ist, gehört in Deutschland inzwischen zu den Binsenweisheiten. Weniger bekannt dürfte aber sein, dass hinter einem erhöhtem Blutdruck häufig eine behandelbare Hormonursache steht. Bei 6% der Hypertoniker in Allgemeinarztpraxen, so eine aktuelle Studie aus Italien, findet sich eine Mehrsekretion des Blutdruckhormons Aldosteron. In so einem Fall kann eine Operation den Blutdruck dauerhaft heilen. Wenn rechtzeitig danach gefahndet wird.

Die krankhafte Mehrbildung des Blutdruckhormons Aldosteron wird als Hyperaldosteronismus oder Conn-Syndrom bezeichnet. Aldosteron wird in den Nebennieren, je 12 Gramm schweren Drüsen oberhalb der Nieren, gebildet. Aldosteron regelt den Kochsalz- und Flüssigkeitsgehalt des Körpers. Bei Aldosteronmangel kommt es zu Salz- und Volumenmangel, bei Aldosteronüberschuss zu Salzüberladung und Bluthochdruck. Neues Licht auf die Häufigkeit des Hyperaldosteronismus wird durch eine Studie aus Turin geworfen, welche in dem renommierten Fachjournal Journal of the American College of Cardiology erschienen ist (1).

An der prospektiven PATO-Studie (Primary Aldosteronism in Torino) nehmen 19 Hausarztpraxen teil. 1.672 Patienten mit Bluthochdruck (569 mit neu manifestiertem, 1103 mit bekanntem Hypertonus) werden zwischen 2009 und 2014 auf das Vorliegen von Hyperaldosteronismus Leitlinien-gerecht untersucht. Interferierende Medikamente werden abgesetzt oder auf Medikamente mit minimalem Einfluß auf den Aldosteron zu Renin Quotienten (ARQ) umgesetzt. Bei pathologischem ARQ erfolgt eine weitere Diagnostik in Form von Bestätigungstest (NaCl-Test), Bildgebung und Nebennierenvenenkatheterisierung. 99 Patienten (5.9%) haben am Ende ein gesichertes Conn-Syndrom, davon 27 mit Aldosteron-produzierendem Adenom und 64 mit bilateraler Hyperplasie. Die Conn-Wahrscheinlichkeit stieg mit zunehmendem Hypertoniegrad an: 3.9% bei Hypertonie Grad 1 (≥140/90), 9.7% bei Grad 2, und 11.8% bei Grad 3 Hypertonie (Blutdruck ≥180/110). Nur 29% der Patienten sind spontan hypokaliämisch. Im Vergleich zu essentiellen Hypertonikern haben Conn-Patienten höheren Blutdruck, mehr Diabetes, mehr linksventrikuläre Hypertrophie, häufiger eine Mikroalbuminurie und mehr prävalente kardiovaskuläre Ereignisse (15% vs 6%).

Kommentar

Warum ist die PATO-Studie bedeutsam? Hier wird erstmals eine große, repräsentative Stichprobe von Hypertonikern in Allgemeinarztpraxen nach einheitlichen, Leitlinien-gerechten Kriterien untersucht. Das Ergebnis ist eindeutig und eine Bestätigung für die Conn-Advokaten: die Hyperaldosteronismus-Prävalenz ist bei unselektionierten Hypertonikern in Primary Care (6%) genauso hoch wie in Spezialambulanzen (5-10%). Knapp 2% aller Hypertoniker haben ein Conn-Adenom, und 4% eine bilaterale Hyperplasie.

Auf Deutschland hochgerechnet bedeutet dies, dass bei 24 Millionen Hypertonikern etwa 500.000 ein Conn-Adenom haben. Diese Patienten hätten durch eine Adrenalektomie gute Chance auf Remission ihres Bluthochdrucks. Weitere 1.5 Millionen leiden an einer bilateralen Hyperplasie und könnten von einer Mineralokortikoidantagonisten-Therapie profitieren. Konsequenter Weise sollten Hypertoniker zumindest einmal auf das Vorliegen eines Conn-Syndroms untersucht werden.

Der 500. Beitrag

Die vorliegende Kurznachricht ist der 500. Beitrag im DGE-Blog – ein Grund zum innehalten, reflektieren und feiern. Unserem ehemaligen Pressesprecher (2009-2015) der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie und weiterhin Langzeit-‚Blogger’ (seit 2010), Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Schatz, ist es zu verdanken, dass die DGE ein gleichermaßen unterhaltsames, kurzweiliges und informatives Blog-Gesicht bekommen hat. Jede Woche hat Helmut seit 2010 in der Regel zwei Blogbeiträge verfasst und hierdurch Hormongeschichte(n) geschrieben. Für seine Verdienste um die Öffentlichkeitsarbeit wurde Helmut Schatz 2016 zum Ehrenmitglied der DGE ernannt.

Professor Martin Reincke, München
Präsident der DGE

Literatur

(1) Monticone S. et al., Prevalence and Clinical manifestation of Primary Aldosteronism encountered in Primary Care Practice.
JACC 2017, 69; http://www.onlinejacc.org/content/69/14/1811?sso=1&sso_redirect_count=1&access_token=

Publiziert am von Prof. Martin Reincke
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Eine Antwort auf Conn-Syndrom: Eine neue Studie belegt die Relevanz hormoneller Blutdruckursachen

  1. Helmut Schatz sagt:

    In der April-Ausgabe von Endocr Rev. 2017, 38(2):103-122 wird von W.F.Young et al. ein Statement der Endocrine Society publiziert. Es wird die Notwendigkeit für ein Laboratoriumsscreening auf endokrine Ursachen bei Bluthochdruck gefordert, da diese klinisch meist nicht zu erkennen seien. Bei Kindern läge eine endokrine Ursache in über 50% vor, bei jungen erwachsenen Patienten <40J in etwa 30%. In der Veröffentlichung wird ein Bereich von 5 bis 10% eines primären Hyperaldosteronismus bei allen Hypertonikern genannt, eine Größenordnung, die sich mit der von Prof. Reincke zitierten Zahl von ~6% in der PATO-Studie in Allgemeinpraxen deckt.

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