Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Conn-Syndrom + Cushing-Syndrom = „Connshing-Syndrom”: Führen die neuen Erkenntnisse zu einem Umdenken in der Therapie?


München, 1. August 2017:

Eine jüngst im Journal of Clinical Investigation Insight veröffentliche Publikation von W. Arlt et al. (1) wirft ein neues Licht auf die Pathogenese des Conn-Syndroms. In einer wissenschaftlichen Kooperation zwischen der Universität Birmingham und der Universität München, unter maßgeblicher Beteiligung der Zentren des in München angesiedelten Deutschen Conn-Registers, konnten die Autoren zeigen, dass beim Conn-Syndrom ein ausgeprägter Glukokortikoidexzess vorliegt. Bei 174 neu diagnostizierten Patienten (103 mit einseitigem Adenom, 71 mit bilateraler Hyperplasie) wurde mittels Massenspektrometrie im Urin die Steroidexkretion gemessen. Verglichen mit 162 Normalpersonen, 56 Patienten mit inaktiven endokrinen Adenomen, 104 Patienten mit subklinischen und 47 Patienten mit klinische manifesten Cortisol-produzierenden Adenomen hatte nur die letzte Gruppe eine höhere Cortisol-Ausscheidung als Conn-Patienten. Die Glukokortikoidsekretion, nicht aber die Aldosteronsekretion korrelierte mit dem bei den Patienten vorliegenden Metabolischen Syndrom. Die Expression des für die Cortisolsynthese relevanten Enzyms CYP11B1 im Nebennierentumorgewebe zeigte dabei eine relevanten Bezug zum Cortisolexzess. Die Adrenalektomie, nicht aber die Therapie mit Mineralokortikoidantagonisten, beseitigte den Glukokortikoidexzesses. 30% der operierten Conn-Patienten entwickelten postoperativ eine Nebenniereninsuffizienz, die bei der Mehrheit mit Hydrocortison substituiert werden mussten, sie hatten also eine relevante Suppression der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse.

Kommentar

Diese Arbeit beschreitet Neuland und hat nicht zuletzt wegen der postoperativen Nebenniereninsuffizienz eine hohe klinische Relevanz. Erstmals wird die Häufigkeit und die Pathophysiologie der Cortisol-Co-Sekretion beim Conn-Syndrom an einer außerordentlich großen multizentrischen Kohorte mittels State-of the Art-Methodik beschrieben. Die Autoren verwenden hierfür den Begriff Connshing-Syndrom, welcher übrigens von einem betroffenen Patienten in München kreiert wurde. Patienten mit Connshing-Syndrom profitieren besonders von der Adrenalektomie, während die Mineralokortikoidanatgonisten-Therapie zwar die Aldosteronwirkung blockiert, nicht aber die Cortisolwirkung. Wenn das Konzept des Connshing-Syndroms sich auch in weiteren Kohorten reproduzieren lässt, wäre dies ein weiteres Argument dafür, Patienten mit Conn-Syndrom zu adrenalektomieren, und nicht mit Spironolakton zu therapieren.

Der primäre Hyperaldosteronismus wurde erstmals 1954 von Jerome P. Conn beschrieben. Inzwischen wissen wir, dass es sich um eine häufige Erkrankung handelt, welche sich bei 4-6% aller Hypertoniker in Allgemeinarztpraxen und bei 10-12% der Hypertoniker in Spezialambulanzen nachweisen lässt. Auf Deutschland hochgerechnet ist bei ca. 24 Mio. Hypertonikern von etwa 1.2 Millionen Patienten mit Conn-Syndrom auszugehen (2). Höchstens ein Promilles werden pro Jahr tatsächlich diagnostiziert. Da Patienten mit Conn-Syndrom im Vergleich zu alters-, geschlechts- und Blutdruck-gematchten Hypertonikern ein 2-12fach gesteigertes Risiko haben, an Herzinfarkt, Schlaganfall und Vorhofflimmern zu erkranken, ist das Nicht-Diagnostizieren des Conn-Syndroms für die betroffene Patienten fatal. Neben den kardiovaskulären Co-Morbiditäten weisen Patienten mit Conn-Syndrom typischerweise ein Metabolisches Syndrom mit abdomineller Adipositas, gestörter Glukosetoleranz und Diabetes mellitus und Dyslipidämie auf. Zudem haben Patienten mit Conn-Syndrom eine deutlich gesteigertes osteoporotisches Frakturrisiko und eine Neigung zu Depression und Angststörung. Diese metabolischen, osteologischen und psychiatrischen Komorbiditäten konnten bisher kaum mit dem Aldosteronexzess erklärt werden.

Martin Reincke, München

Literatur

(1) Arlt W. et al.: Steroid metabolome analysis reveals prevalent glucocorticoid excess in primary aldosteronism.
JCI Insight. 2017 Apr 20;2(8).
https://insight.jci.org/articles/view/93136

(2) Reincke, M.: Conn-Syndrom: Eine neue Studie belegt die Relevanz hormoneller Blutdruckursachen.
DGE-Blogbeitrag vom 6. April 2017

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Publiziert am von Prof. Martin Reincke
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6 Antworten auf Conn-Syndrom + Cushing-Syndrom = „Connshing-Syndrom”: Führen die neuen Erkenntnisse zu einem Umdenken in der Therapie?

  1. RHH sagt:

    Sehr geehrter Herr Prof. Reincke,
    Als RR Patient interessiert mich Ihr Artikel. Welche Laborparameter sollte ich testen lassen um einen tieferes Verständnis zu erhalten ?
    Vielen Dank,

  2. Prof. Martin Reincke sagt:

    Liebe Emailschreiberín, lieber Emailschreiber,

    Zunächst sollte die normale Conn-Abklärung (Renin zu Aldosteron-Quotient im Plasma) erfolgen, wenn ein Conn-Syndrom vorliegt, empfiehlt sich ein 1 mg Dexamethason-Hemmtest.
    Details müssen mit Ihrem Endokrinologen abgestimmt werden.

    Mit freundlichen Grüßen Ihr
    Martin Reincke

  3. M. Schmidt sagt:

    Sehr geehrter Herr Prof. Reincke,

    vielen Dank für die Veröffentlichung dieser vielen wichtigen Informationen, die leider kaum ein Endokrinologe/ Hausarzt liest.
    Mein Aldestoron/Cortisol-spiegel war vor der Adrenalektomie 2013 der NNR re. 100/35 fach erhöht.
    Befund: nur Conn Syndrom.
    Alle Anzeichen beider Syndrome waren sowohl an mir sichtbar, als auch im Labor nachweisbar.
    Zustand nach Adrenalektomie NNR re. mir geht es weiterhin schlecht. NNR li. 2tes Adenom.
    warum:
    Nach großer Familienanamnese, und Krankheiten(Lunge,Blutbild,Leber,Darm,Zähne,Hautkrebs,Retina, Diabetis usw). die nicht nur in das Bild des Connshing Syndrom oder der Endokrinen Multiplen Neoplasien passen, kann ich über 25 Jahren anhand von Biopsien, bildgebende – Labordiagnostik meines Vaters und mir sagen:

    Vor NET war LCH und nach NET ist Histiozytose X. Diese Differentialdiagnose wird viel zu selten in Betracht gezogen und die Korrelation der Krankheiten erkannt!

    MfG Ihr
    M. Schmidt

  4. Beate Kunze sagt:

    Sehr geehrter Herr Professor, ich habe das connsyndrom gesichert und wurde im Dezember rechtzeitig adrenalektomiert.ich leide weiterhin an der abdominalen fettsucht und der diastolische wert ist kaum gesunken. Weiterhin nehme ich aldactone, was sich lt.ihres Artikels nicht als positiv darstellt. Seit der adrenalektomie muss ich mich zwingen reichlich zu trinken.
    Das aldactone bereitet mir Bauchschmerzen.
    Da ich unter regeltempostörungen leidete, würde ich nicht einen hypophysentumor ausschließen.

  5. Marilou sagt:

    Sehr geehrte Professor.

    Ich bin vor ca. einem Jahr adrenalektomiert worden wegen einem gutartigen Tumor, der Hormone bildete.
    Präoperativ gesichertes Conn Syndrom, Präoperativ keine Abklärung eines Hyperkortisolismus ( bin an den falschen Arzt geraten, der es für nicht notwendig gehalten hat, mir vor der OP meine Kortison Werte zu testen. Postoperative Nebenniereninsuffizienz. Meine derzeitige Endokrinologin meinte, sie geht von einem Connshing aus vor der OP, was mich noch hoffen lässt, dass sich die Nebenniere wieder erholt. Eine minimale Eigenproduktion ist vorhanden. Hat sich aber seit einem Jahr nichts verbessert. Eher minimal verschlechtert, dazu kam noch postoperativ eine Fructoseintoleranz dazu. Muskelzuckung seit ca. einem Jahr täglich. Kein Magnesium Mangel, neurologisch abgeklärt, keiner kommt darauf woran das liegt. Allgemein sehr häufig Durchfall. Wäre interessant, wieviel komplett geheilt würden und Hydrocortison absetzen konnten

  6. Martin Reincke sagt:

    Die Nebenniereninsuffizienz nach Nebennieren-OP eines Aldosteron-produzierenden Adenoms tritt bei ca. 1/3 aller Patienten auf, weshalb wir in München alle Patienten mittels ACTH-Test postoperativ untersuchen.

    Die Dauer der Nebenniereninsuffizienz beträgt zumeist weniger al 1 Jahr, also deutlich kürzer als bei Cortisol-bildenden Nebennierenadenomen.

    Wir untersuchen jeden Patienten mit Conn-Syndrom vor eine geplanten OP auf das Vorliegen eines Connshing-Syndroms

    Ihnen gute Besserung

    Ihr Martin Reincke

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