Bochum, 25. Januar 2020:
Am 17. Januar 2020 erschien in „Science“ ein Artikel mit dem Titel „ Are noncommunicable diseases communicable? (1). Es wird die Hypothese aufgestellt, dass durch das Mikrobiom im Darm, das sich aus Bakterien, Pilzen und Viren zusammensetzt, viele der bisher von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „nicht-übertragbar“ klassifizierten Krankheiten doch übertragen werden können. Diese sind heute bei uns für etwa 70% der krankheitsbedingten Todesfälle verantwortlich, wie Adipositas und Diabetes, Herzkreislauferkrankungen oder auch bestimmte Lungenerkrankungen.
Der kanadische Erstautor der Publikation, B.B. Finlay, Leiter des Forschungsprogramms „Humans & the Microbiome“ am Canadian Institute for Advanced Research (CIFAR) und Mikrobiologe an der Universität von British Columbia und seine Koautoren (darunter T. Bosch aus Kiel und E.Elinav aus Heidelberg) stützen ihre Hypothese auf drei Befunde: 1.) Bei vielen Zuständen und Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes oder kardiovaskulären Erkrankungen findet man ein gegenüber Gesunden verändertes Mikrobiom. Darüber wurde im DGE-Blog schon berichtet (2,3). 2.) Tierexperimentell wurden durch Stuhlübertragung von Fettmäusen normale Tiere auch adipös. 3.) Es gibt mehrere Hinweise, dass das Mikrobiom auch auf natürliche Weise übertragen werden kann. So zeigte Thomas Bosch mit seinen Mitarbeitern in Kiel, dass Süßwasserpolypen sich im Mikrobiom und im äußeren Erscheinungsbild angleichen. Dass dies auch bei gemeinsam lebenden Menschen erfolgt wäre möglich. Dafür spricht die höhere Wahrscheinlichkeit bei Ehegatten, im ersten Jahr auch einen Typ-2-Diabetes zu bekommen, wenn der Partner schon daran erkrankt ist. Dieser Trend hält noch 3 Jahre an. Auch bestand unter 12.000 Menschen über 30 Jahre (aus der Framingham Offspring Study) eine 57% höhere Chance, auch dick zu werden, wenn man einen dicken Freund hatte (4). Hier ist es aber schwierig bis unmöglich, Einflüsse der Umwelt wie Ernährungsgewohnheiten oder soziales Verhalten von der Zusammensetzung des Mikrobioms zu trennen, da diese Faktoren eng miteinander verknüpft sind.
Kommentar
Jeder Medizinstudent hört in den Vorlesungen aus Medizingeschichte von den fachlichen Auseinandersetzungen zwischen Rudolf Virchow mit seiner Zellularpathologie und Robert Koch, dem Entdecker der Tuberkelbakterien. Statuen und Büsten von beiden kann man heute in der Berliner Charité sehen. Bahnt sich jetzt eine ähnliche wissenschaftliche Diskussion über das Thema „nicht-übertragbare“ oder durch das Mikrobiom verursachte Krankheiten an?
Helmut Schatz
Literatur
(1) B. B. Finlay et al: Are noncommunicable diseases communicable?
Science 17 Jan 2020 : Vol. 367, Issue 6475, pp. 250-251. DOI: 10.1126/science.aaz3834
Die Fragestellung des durch ein Mikrobiom verursachenden Krankheiten ist insofern wichtig, weil schon jetzt darauf geachtet wird, daß Spender einer Stuhltransplantion für Patienten (Empfänger) mit therapieresistenten chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, möglichst normalgewichtig und natürlich gesund sind. Auch bei Besiedlung mit Clostridium difficile wurden Erfolge erzielt.
Das unsere Darmflora Einfluß auf das Gesamtbefinden hat, und auch schon Jahre vorher Veränderungen auf spätere Erkrankungen schließen lassen, wie z.B.Parkinson. nachzulesen im Ärzteblatt,
Die Forschung beschäftigt sich intensiv damit, und auch der Reizdarm kann der Beginn von Größerem sein… wie CED, Hashimoto, MS,
Wer interessiert ist: Stichwörter wie „Leaky gut“ helfen weiter.
Generell ist die Darmflora eben auch leicht zu stören, und auch langfristig zu schädigen, wie falsche Ernährung, Pestizide, Amalgam, Umweltgifte, Antibiotika, usw.