Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Diabetespatienten unter SGLT2-Hemmern auch ohne Blutzuckererhöhung mit typischen Koma-Symptomen: auf Ketonkörper testen!


Bochum, 22. Juni 2015:

23. Mai 2015 wurde im DGE-Blog über Übersäuerungen des Bluts unter Therapie mit Natrium-(Sodium)-Glukose-Kotransporter-2 (SGLT2) – Hemmern berichtet (1). Diese Diabetes-Tabletten senken die „Nierenschwelle“ für Glukose und erniedrigen zufolge der Zuckerausscheidung mit dem Urin den Blut-Glukosespiegel. Der Amerikanischen Arzneibehörde FDA waren 20 Fälle von solchen „Ketoazidosen“ unter SGLT2-Hemmern gemeldet worden und sie gab eine diesbezügliche Warnung heraus. Mittlerweise untersucht auch die Europäische Arnzeibehörde EMA das Ketoazidose-Risiko unter SGLT2-Hemmern (Dapagliflozin, Canagliflozin und Empagliflozin). Ihr liegen Berichte über weltweit insgesamt 101 Fälle bis zum 19. Mai 2015 vor. Meist fand sich bei diesen ein stärker erhöhter Blutzuckerspiegel, aber auch bei nur gering bis kaum erhöhten Glukosewerten war es zu ketoazidotischen Entgleisungen gekommen, wie sie beim diabetischen Koma („Zucker-Koma“) auftreten.

Jetzt publizierten Anne L. Peters et al. online am 15. Juni 2015 (2) 13 Episoden von SGLT2-Inhibitor- assoziierten euglykämischen Ketoazidosen bei neun Personen, davon sieben mit Typ-1- und zwei mit Typ-2-Diabetes. Zufolge der nicht erhöhten Blutzuckerwerte wurde die Diagnose trotz typischer Koma-Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Krankheitsgefühl oder Bauchschmerzen verzögert gestellt. Die Autoren empfehlen, bei einem „off-label“-Gebrauch von SGLT2-Hemmern bei Typ-1-Diabetespatienten besonders sorgfältig auf diese Symptome zu achten.

Kommentar

Dieses Beispiel unterstreicht die Tatsache, dass sich zunächst meist nur die Vorteile neuer Medikamente zeigen, die Nachteile aber erst nach längeren Zeiträumen (3). So erging es auch den Glitazonen. Freilich muß man festhalten, dass SGLT2-Hemmer nicht bei Typ-1-Diabetes zugelassen sind. Simeon Taylor von der University of Maryland schlägt vor (4), SGLT2-Hemmer überhaupt nicht bei Typ-1-Diabetes einzusetzen, außer in klinischen Studien. Aber auch bei Typ-2-Diabetes muß man auf die Möglichkeit von Ketoazidosen achten. Stets sollte bei typischen Komasymptomen oder auch nur unklarem Krankheitsgefühl auf Ketonkörper im Urin und/oder Blut getestet werden.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Helmut Schatz: Diabetische Ketoazidose unter Gliflozinen (SGLT2-Hemmern) – sogar bei Blutzuckerwerten unter 200 mg/dl / 11,2 mmol/l.
DGE-Blogbeitrag vom 23. Mai 2015

(2) Anne L. Peters et al.: Euglycemic diabetic ketoacidosis: a potential complication of treatment with sodium-glucose cotransporter 2 inhibition.
Diabetes Care, published online before print June 15, 2015; doi: 10.2337/dc15-0843

(3) Helmut Schatz: Sicherheitsaspekte von Antidiabetika.
DGE-Blogbeitrag vom 30. September 2014

(4) Simeon Taylor et al.: Perspective: SGLT2 inhibitors may predispose to ketoacidosis.
J. Clin. Endocrinol. Metab. 2015; doi: 10.1210/jc.2015-1884

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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