Genanalysen bei Fahndung nach Straftätern zur Gesichtsdarstellung aus vorhandenem Genmaterial oder zur Risikoerkennung von noch nicht genetisch definierten Erkrankungen?
Ein Blick über den Tellerrand, im (kalendarischen Spät-) Sommerloch
Bochum, 6. September 2022:
Doppelgänger, also Personen, die einem zum Verwechseln ähnlich sehen, haben sehr viele, vielleicht die meisten Menschen irgendwo auf der Welt, ohne dass sie miteinander verwandt sind („geheime Zwillinge“). Eine neue Studie an 32 Paaren von Doppelgängern („look-alike“-humans, im Englischen auch „doppelganger“ genannt) ergab bei 16 von ihnen eine frappierende Identität der Gene, welche für die Gesichtsentwicklung zuständig sind, darüber hinaus aber auch von anderen Genpartien (1).
Manel Esteller vom José Carreras Leukämie – Forschungsinstitut Barcelona, der Senior-Autor der Studie, befaßt sich seit vielen Jahren mit der Zwillingsforschung. So beschrieb er, daß epigenetische Veränderungen der Erbsubstanz, also chemische Änderungen (Methylierung) der DNA, welche die Expression der Erbinformation regeln, bei den eineiigen Zwillingen die Ursache sind, daß monozygote Paare keineswegs immer völlig identisch aussehen. Manel Esteller wurde zu der hier referierten Studie durch Francois Brunelle, einen frankokanadischen Künstler angeregt, der weltweit viele Paare von Doppelgängern fotografiert hatte. Bei 32 dieser Paare erfolgten eine Speichel-DNA – Bestimmung und weitere Teste und man wendete einen Lebensstil-Fragebogen an. Darüber hinaus setzte man bei den 32 Doppelgängerpaaren, ebenso wie vergleichsweise auch bei monozygoten Zwillingspaaren, eine Software zur Gesichtserfassung ein (ähnlich wie bei den biometrischen Passbildern, Abbildung 1). Das „Graphical Abstract“ aus der Originalpublikation zeigt Abbildung 2.
Abbildung 1 (aus Lit.1): Gesichtserfassung
Abbildung 2: „Graphisches Abstract“ der Publikation (aus Lit.1)
Bei den 16 Doppelgängerpaaren mit den gleichen Genen für die Gesichtsformen (Augen, Lippen, Mund, Nase u.a., den dafür verantwortlichen Genen wie bei den monozygoten Zwillingen), fanden sich auch signifikant mehr andere genetischen Übereinstimmungen als bei den 16 Paaren, für welche die Software zur Gesichtserkennung weniger Ähnlichkeiten ergeben hatte. Im Unterschied zu den 16 identisch aussehenden Paaren mit DNA auf gleichem Niveau waren die 68 erfassten Variablen des Lebensstils aber stärker unterschiedlich. Offenbar war dies durch die Unterschiede in der Umgebung, Erziehung u.a. bedingt („nature vs. nurture“).
Kommentar
Eines Tages könnten DNA-Analysen den Ärzten Auskunft über verborgene Risiken für Erkrankungen, etwa Diabetes oder Alzheimer geben, die nicht schon eindeutig genetisch definiert sind. V In der Kriminalistik könnte aus den am Tatort hinterlassenen DNA-Spuren das Gesicht des Täters für die Fahndung rekonstruiert werden (2).
Helmut Schatz
Literatur
(1) Ricky S. Joshi, …, Manel Esteller: Look-Alike unabs identified by facial recognition algorithms show genetic similarities.
Cell Reports open access, August 23, 2022; 40 (8): 1112657.
DOI: https://doi.org/10.-1016/j.celrep.2022.111257
(2) Nick Tate: Could You Have Look-Alike „Twin“ Who Might Even Share Your DNA?
Medscape – Aug 30, 2022
In der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung fragt dieses Wochenende eine Dame an, ob es möglich ist zu erfahren, von welchem Tier liegengelassene Hundehaufen in ihrer Straße stammen. Das geht tatsächlich: So identifiziert die US-Firma PooPrints mittels DNA- Probe aus dem Kot, von welchem Hund dieser stammt. Kosten: etwa 60 Euro pro Haufen.