Wien, 18. September 2014:
In der größten Halle des 50. EASD-Kongresses, benannt nach dem Pionier der Wiener Diabetologie Alois Beringer, wurden in Hauptreferaten und in oralen Präsentationen eine ganze Reihe von Daten und kommentierenden Referaten zu neuen, teilweise schon auf dem Markt befindlichen Antidiabetika sowie zu neuen Substanzen vorgetragen. Einen breiten Raum nahmen die Glucagon-like Peptide-`1 (GLP-1) basierten Therapien ein, sowohl die GLP-1 Analoga als auch die Dipeptidyl-Peptidase-4 (DPP-4) –Inhibitoren. Die nur 1x wöchentlich zu injizierenden Präparate sind auf dem Vormarsch, einige stehen vor der Zulassung. Die Daten der SCALE-Studie mit täglich 3 mg Liraglutid zur Adipositas-Behandlung stellen sich günstig dar, allerdings klingt der Effekt nach Absetzen wieder rasch ab, so dass der Sinn seines Einsatzes in der Diskussion kritisch hinterfragt wurde. Man müsse dann wohl ständig weiter injizieren. Der Redner meinte, in der Zwischenzeit sollte zumindest ein Teil der Patienten seinen Lebensstil dauerhaft geändert haben, so dass er das reduzierte Gewicht halten könne, was bezweifelt wurde. David Nathan aus Boston stand allen GLP-1 – basierten Therapien einschließlich der DPP-4 – Hemmer abwartend-kritisch gegenüber, da man noch zu wenig über die Langzeiteffekte wisse. Zwar zeigten Studien über 6 Jahre einen anhaltenden blutzuckersenkenen Effekt (Vortrag E. Klein, Olympia), über die Nebenwirkungen wisse man aber noch zu wenig. Ein gesteigertes Pankreatitisrisiko liegt wohl vor, über dessen Ausmaß die vorgestellten Daten und deren Interpretation jedoch auseinandergingen. Baptist Gallwitz aus Tübingen hielt dazu einen ausgewogenen Referat. Er schätzte den Nutzen dieser Therapieformen für größer ein als deren potenzielle Schäden, im Unterschied zu seinem Vorredner David Nathan. Dieser hob auch die enorm gestiegenen Ausgaben für die neuen Therapeutika hervor. So hätten in den USA die Kosten für Januvia (Sitagliptin) und Janumet (Sitagliptin mit Metformin) bereits die Dimension des Jahresumsatzes von Glargin (Lantus) erreicht.
Lantus bekommt, wie im DGE-Blog schon kürzlich berichtet, mächtig Konkurrenz. Vergleichsdaten mit dem Biosimilar-Glargin von Lilly/Boehringer Ingelheim (Vortrag K. Pollom, Indianapolis)) zeigten nur geringe, insgesamt nicht signifikante Unterschiede, wenn auch dem Referenten (H.S.) numerisch mehr allergische Reaktionen unter dem Biosimilar-Insulin auffielen. Recht überzeugend waren die Resultate der kombinierten Anwendung des langwirkenden Insulinanalogs Degludec mit Liraglutid bei Patienten, bei denen unter Metformin eine Therapieintensivierung angezeigt erschien (V.R. Aroda, Hyattsville). Die Blutzuckereinstellung besserte sich mit weniger Insulin, bei gleichbleibender Hypoglykämierate und geringerer Gewichtszunahme. Ph. Home, Newcastle stellte günstige Ergebnisse mit dem neuen U300-Glargin von Sanofi dar (Siehe DGE-Blog: vorgesehener Handelsname Toujeo®). Ein ultrarasch wirkendes U400-Insulin von Biodel Inc., das BIOD-531 (R. Pohl, Danbury) sowie ein ebenfalls ultrarasches Haluronidase- Insulin wurden präsentiert (Jay S. Skyler, USA).
Interessant war auch das Omarigliptin, ein neuer, nur 1x wöchentlich zu gebender DPP-4 – Hemmer, der bei japanischen Diabetespatienten gleich wirksam war wie eine tägliche Sitagliptin-Einnahme. Auch Agonisten des GPR40-Rezeptors werden, nachdem die Entwicklung von TAK 875 wegen Leberschädigung eingestellt wurde, weiter geprüft, so die Substanz LY2881835 von Lilly. Schließlich wurde ein abbauresistentes Analog des Xenin-25, eines Eiweißkörpers aus den K-Zellen des Darms, das Xenin-25(Gln) tierexperimentell erfolgreich getestet. Xenin-25 wird mit GIP ko-sezerniert und potenziert die insulinotrope GIP-Wirkung.
Helmut Schatz
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Die Europäische Arzneibehörde EMA hat am 19.9. 2014 die Fixkombination von Insulin Degludec und Liraglutid (IDecLira) mit dem Handelsnamen Xultophy(R) zugelassen.
Am 18. September 2014 wurde das 1x wöchentlich zu injizierende GLP-1 – Analog Dulaglutide von Lilly/Boehringer Ingelheim von der FDA mit dem Handelsnamen Trulicity(TM) zugelassen. Am 25. November 2014 hat auch die Europäische Kommission (laut Reuters) Trulicity(R) das „granted marketing approval“ erteilt.