Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Kein EKG bei Screening von symptomlosen Patienten mit niedrigem Herzrisiko? Empfehlung einer US-Behörde


Diskussionsforum

Bochum, 2. Juli 2018:

Die amerikanische Behörde US Preventive Services Task Force (USPSTF) spricht sich in ihrem neuen Recommendation Statement vom 12. Juni 2018 (1) gegen ein routinemäßiges Ruhe- und Belastungs-EKG bei symptomlosen Erwachsenen mit niedrigem Herz-Kreislauf-Risiko aus. Ein kardiovaskuläres Risiko wird als niedrig klassifiziert, wenn die Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis wie Herzinfarkt oder Schlaganfall unter 10% in 10 Jahren beträgt. Bei Menschen mit mittlerem oder hohem Risiko sei die Datenlage ungenügend, um Nutzen („benefits“) gegenüber durch EKG-Registrierungen mögliche Schäden bei anschließenden invasiven Testungen („harms“) abwägen zu können. Das kardiovaskuläre Risiko ist durch den Framingham Risk Score (2) oder durch Pooled Cohort Equations (3) erfassbar.

Für Deutschland und Europa existieren der PROCAM Score (5) und der Score der European Society for Cardiology (6). Eine kritische Analyse solcher Scores findet sich in Lit. (6)

Kommentar

Diabetespatienten werden per se in den ESC/EAS-Leitlinien 2016 (7) in die Hochrisikogruppe eingestuft (abgesehen von jungen Typ-1-Patienten ohne weitere Risikofaktoren wie etwa Hypertonus). Bei Diabetespatienten wird wohl von den meisten Ärzten in Deutschland auch bei Symptomlosigkeit, zumindest 1x jährlich ein Routine-EKG registriert, wie es auch im „Gesundheitspass Diabetes“ der Deutschen Diabetes-Gesellschaft  vermerkt ist. In grösseren Abständen wird auch ein Belastungs-EKG durchgeführt. So stellte einer Referenten (H.S., vorwiegend endokrinologisch- diabetologisch tätiger Internist) bei einem seiner symptomlosen Typ-2-Diabetespatienten mit normalem Ruhe-EKG in der Fahrradergometrie eine deszendierende ST-Streckensenkung  fest und der zweite Referent (A.S., Kardiologe) fand bei der Herzkatheterunteruchung einen Verschluss der rechten Koronararterie.

In der USPSTF-Empfehlung für die allgemeine Routinepraxis wird nicht zwischen Ruhe- und Belastungs-EKG unterschieden. Ein Grossteil der „harms“ sind aber mit dem Belastungs-EKG assoziiert wie falsch pathologische  Ischämienachweise,  die häufig zu einer invasiven Diagnostik führen.  Wenn man die „harms“ beim  Belastungs-EKG herausrechnet, bliebe wohl wenig für das Ruhe-EKG beim Screening übrig.

Wie ist Ihre Meinung dazu, insbesondere bei Patienten ohne Diabetes?

Gehört in Ihrer Praxis ein EKG bei einem Check-up zur Routine?

Bestimmen Sie das grundsätzlich das kardiovaskuläre 10-Jahres-Risiko eines Patienten?

Helmut Schatz und Andreas Mügge, Bochum

Literatur

(1) US Preventive Services Task Force: Screening for cardiovascular disease risk with electrocardiography. US Preventive Services Task Force Recommendation Statement.
JAMA 2018. 319(22):2308-2314. doi:10.1001/jama.2018.6848

(2) D’Agostino, R.B. et al.: „General cardiovascular risk profile for use in primary care: the Framingham Heart Study“.
Circulation 2008. 117 (6): 743–753. doi:10.1161/circulationaha.107.699579

(3) David Preiss and Søren L. Kristensen: The New Pooled Cohort Equations Risk Calculator. Canad. J. Cardiol. 2015, 1-7

(4) www.scores.bnk.de/procam.html

(5) https://www.escardio.org/Education/…/CVD…/SCORE-Risk-Chart…

(6) Collins, D.R.J. et al.: „Global cardiovascular risk assessment in the primary prevention of cardiovascular disease in adults: systematic review of systematic reviews“.
BMJ Open 2017. 7: e013650. doi:10.1136/bmjopen-2016-013650

(7) European Heart Journal 2016 – doi:10.1093/eurheartj/ehv272

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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6 Antworten auf Kein EKG bei Screening von symptomlosen Patienten mit niedrigem Herzrisiko? Empfehlung einer US-Behörde

  1. Dr. Friedrich Hahner sagt:

    Bei einem Checkup schreibe ich so gut wie immer ein EKG. Die Privatkassen in Deutschland bezahlten dies in der Regel anstandslos. Das 10-Jahres-Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bestimme ich, meist nach dem US- Framingham-Score, nur in besonderen Fällen oder auf Anfrage durch den Patienten. Bei AOK- (Kassen-)Patienten ist im Gesundheits-Check 35 kein EKG enthalten (Ziffer 01732). Dennoch lasse ich auch bei Kassenpatienten ein EKG schreiben, ohne dass es mit der Pauschalziffer 01732 vergolten wird. Wenn ich als Arzt jedoch etwas besonderes festgestellt habe wie zum Beispiel einen unregelmässigen Puls oder einen erhöhten Blutdruck, so stelle ich es gesondert in Rechnung und es wird dann von der AOK bei uns hier bezahlt. Bei Kassenpatienten errechne ich auch nur selten das 10-Jahres-CV Risiko, hier meist nach den deutschen PROCAM-Daten.

  2. Dr. Junghans sagt:

    Statt Ergometrie könne man auch „eine Münze werfen“ erklärte uns einmal ein kooperierender Kardiologe.

    Trotz der eingeschränkten Sensitivität wird das Belastungs-EKGs weiterhin als Ischämietest teils durchgeführt, sollte aber, wenn möglich, durch ein nicht invasives bildgebendes Verfahren ersetzt werden. Aussagekräftiger sind Stress-Echokardiographie, Spiroergometrie etc. Weiterhin sollte überlegt werden ob es um Plaquelast oder Ischämiediagnostik geht. Das Cardio CT ist zur Plaquelastfrage bei uns inzwischen fest etabliert.

    Unsere Diabetiker erhalten sofern Kardial noch nicht vorerkrankt ebenso 1 x im Jahr mindestens ein EKG.
    Symptomfreie Patienten mit „NIEDRIGEM Risiko“ sehen wir bei uns nicht.

  3. Helmut Schatz sagt:

    Zu den möglichen „HARMS“ des Belastungs-EKG liest man im Bericht über einen Ergometrie-Workshop in Luzern:

    „Das Belastungs-EKG ist bezüglich Auftreten einer Myokardischämie die am besten geeignete Funktionsprobe. Es ist sowohl eine diagnostische wie prognostische Aussage möglich. Zu beachten ist aber, dass die Sensitivität und die Spezifität eingeschränkt sind……… Wesentlich empfindlichere, nicht invasive Methoden sind die bildgebenden Verfahren wie Stressecho, Szintigraphie, PET-, MRT-Untersuchungen und die MSCT-Angiographie………
    Eine Reanimation wird in 0.02-2.2% angegeben. Der Untersucher muss eine Reanimation durchführen können. Eine vollständige CPR-Ausrüstung inklusive eines AED oder Defibrillator muss griffbereit sein“

  4. Dr. med. Ulrich Belcher sagt:

    Bei einem Checkup eines neuen Patienten in meiner Praxis schreibe ich immer ein Ruhe-EKG, schon damit ich ein Vergleichs-EKG vorliegen habe, wenn der Patient mich später – auch erst nach einigen Jahren – wieder mit neu aufgetretenen Symptomen aufsucht. Die Scores erscheinen mir für den individuellen Menschen nicht sehr zuverlässig, zumal der PROCAM-Score nach meiner Kenntnis ursprünglich nur an arbeitenden Männern bis zum 60. Lebensjahr erstellt wurde und erst in der Folgezeit adaptiert wurde.

  5. Helmut Schatz sagt:

    Hier der Link zu dem sehr ausführlichen, praxisrelevanten Bericht über den Workshop in Luzern:
    http://www.duerst-kardiologie.ch/fileadmin/templates/multiflex6/downloads/Publikationen/Die_Ergometrie_09.pdf

  6. Dr. Cornelia Jaursch-Hancke sagt:

    In der DKD- Helios Klinik werden aus kardiologisch/ internistischen Gründen Ruhe EKG`s im Rahmen der Gesundheitsvorsorge Untersuchungen (Check-up) aus folgenden Gründen durchgeführt:
    1. Um einen Ausgangsbefund zu haben
    2. Um im Verlauf Veränderungen hierzu festzuhalten (stumme Infarkte gibt es nicht nur bei Diabetikern, ein Linksschenkelblock kann auf andere Erkrankungen hindeuten)
    3. Um Rhythmusstörungen zu erfassen (asymptomatisches Vorhofflimmern z.B., dass dann möglicherweise eine Antikoagulation bedarf).

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