Bochum, 1. Oktober 2021:
Innerhalb von einem Jahr erscheinen zwei >500 Seiten umfassende Bücher über Endokrinologie. Beide behandeln das gleiche, interaktiv in viele medizinische (Sub-)Disziplinen eingreifende Gebiet. Die Form und der Aufbau sind jedoch höchst unterschiedlich: Im Jahre 2020 erschien im Thieme-Verlag das auf Initiative der DGE von 4 Ihrer Mitglieder herausgegebene Werk „Referenz Endokrinologie und Diabetologie“. Dieses verfassten 135 Autoren, alle Spezialisten auf ihrem Gebiet (1). Es wurde vom Referenten (H.S.) im DGE-Blog am 21. September 2020 insbesondere wegen seiner Gliederung kritisch besprochen (2). Heute referiert er das Buch „Endokrinologie und Osteologie in der Hausarztpraxis – Leitfaden für die tägliche Patientenversorgung“ im Springer-Verlag, herausgegeben und verfasst von Christian Wüster, also von nur einer Person (3).
Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christian Wüster betreibt nach universitärer Weiter- und Fortbildung jetzt in Mainz ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Er entschloss sich, die Antworten auf die zahlreichen Fragen seiner zuweisenden Hausärzte während der Corona-Zeit niederzuschreiben und es entstand ein 544 Seiten starkes Buch, das er – als einziger Autor (!) – auf Grund seiner persönlichen, praktischen Erfahrungen schrieb. Es ist beeindruckend, wie ein einziger Endokrinologe, besonders spezialisiert die Osteologie, dies alles so im Detail wissen kann. Alle Themen sind auf dem allerletzten Stand, insbesondere auch die der medikamentösen Therapie. Entsprechend dem Titel ist es tatsächlich praxisorientient: Knapp, tabellarisch, im konventionellem Sinn aufgebaut, wie wir älteren Ärzte es gewohnt sind: Anamnese, Klinik, Untersuchungen, Therapie. Hierin unterscheidet sich Prof. Wüsters Buch von dem DGE-Buch (s.o.) mit seinem starren, von den meisten der 135 Autoren befolgten, wie ich hörte von Thieme vorgegebenen Schema, welches entgegen der Ankündigung im Vorwort keineswegs immer „sehr praxisorientiert“ ist (siehe Lit.2).
Hausärzte haben erfahrungsgemäß nicht viel Zeit, mit den Patienten Ernährung und andere lifestyle-Maßnahmen als Basis der Therapie eingehend zu besprechen. Insofern werden diese Themen im Buch meist nur kurz, vor der medikamentösen Therapie angeführt. Auch Nahrungsergänzungsmittel werden erwähnt, wohl deshalb, weil diese von den Patienten ohnedies sehr oft ohne oder, wie der Referent in seiner Praxis immer wieder feststellen muss, auch gegen ärztliche Empfehlung weiter eingenommen werden.
Das Buch ist nach der breiten Erfahrung eines Arztes in der täglichen Praxis aufgebaut. Da gibt es nicht viel Zeit zum Nachlesen im Detail, etwa mit einer gegenseitigen Abwägung von verschiedenen Maßnahmen oder einer Besprechung der unterschiedlichen Inzidenzen von Krankheitsbildern, also gemäß dem Kalauer: „Häufiges ist häufig, Seltenes ist selten“. Da der Text mit den Tabellen und Überschriften nicht eng gesetzt ist, erscheint die Seitenzahl von 544 seiner Praktibilität nicht entgegenstehen.
Springer hat das Buch ansprechend gesetzt und gedruckt. Es wäre schön, meint der Referent, wenn der Verlag das sehr dicke Buch bei einer Neuauflage, so wie das DGE-Buch bei Thieme, auch mit einem harten Deckel ausstatten könnte. In Softcover erscheint es dem Referenten etwas unhandlich.
Christian Wüster ist zu seinem Buch zu gratulieren. Es ist ihm voller Erfolg und eine zweite Auflage zu wünschen.
Helmut Schatz
Literatur
(1) Sven Diederich, Joachim Feldkamp, Martin Grußendorf, Martin Reincke: Referenz Endokrinologie und Diabetologie.
Thieme-Verlag Stuttgart 2020. ISBN 978-3-13-240827-2
(2) Helmut Schatz: Referenz Endokrinologie und Diabetologie
DGE-Blogbeitrag vom 21. September 2020
(3) Christian Wüster: Endokrinologie und Osteologie in der Hausarztpraxis. Leitfaden für die tägliche Patienten-Versorgung.
Springer-Verlag DE, Berlin 2021. ISBN 978-3-662-63429-5
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