Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Deutsche Endokrinologen und Diabetologen warnen zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin vor Engpässen in der Patientenversorgung


Bochum, 17. März 2016:

Bettenabbau etwa zufolge finanzieller Erwägungen von Krankenhausträgern könnte zu einer Unterversorgung von Menschen mit endokrinologischen und diabetologischen Krankheitsbildern sowie von multimorbiden internistischen Patienten führen. Davor warnen die drei Fachgesellschaften in einem gemeinsamen Positionspapier, zu dem die DGE eine Pressemitteilung herausgegeben hat (1) und worüber auch im Deutschen Ärzteblatt berichtet wurde (2). Hier im DGE-Blog kann man den Originaltext mit den Quellen direkt nachlesen.

***

Positionspapier der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin(DGIM) und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) zu stationären Versorgungsstrukturen.

Ausgangslage

In jüngster Zeit werden in Kliniken und Klinikverbünden Abteilungen für Allgemeine Innere Medizin oder für Innere Medizin mit zusätzlichem Schwerpunkt für Diabetes, Endokrinologie und Stoffwechsel aufgelöst oder drastisch verkleinert. Diese Entwicklung betrifft nicht nur Krankenhäuser privater Betreiber, sondern auch kommunale Einrichtungen und ist besonders in städtischen Ballungsräumen zu beobachten (zwei Beispiele neben einigen anderen sind die Asklepios Krankenhäuser in Hamburg und die Städtischen Kliniken in München). Gründe, die für diese Entwicklung vorgebracht werden, sind vor allem ökonomische,die durch eine bislang schlechte Abbildung und Vergütung allgemeininternistischer, diabetologischer und endokrinologischer Leistungen im DRG-System bedingt sind. Ganz entgegengesetzt zu dieser Entwicklung erhöht sich jedoch durch die demographische Entwicklung mit einer zunehmend alternden Bevölkerung mit chronischen Erkrankungen der Bedarf an allgemein-internistischen und diabetologischen stationären Einrichtungen. Ab 2030 werden mehr als 30% der Bevölkerung älter als 65 Jahre sein und an mehr als einer chronischen nicht übertragbaren Krankheit leiden (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes und muskuloskelettale Erkrankungen). Bei den über 75-Jährigen werden sogar 20-35% von fünf oder mehr chronischen Erkrankungen gleichzeitig betroffen sein. Diese Erkrankungen bei Älteren und Alten kann man keineswegs als „geriatrisch“ einstufen. Sie sind somit auch nicht nur in geriatrischen Abteilungen adäquat zu behandeln.

Bei den chronischen Erkrankungen nimmt besonders der Typ-2-Diabetes zu, derzeit sind ca. 7-8% der Gesamtbevölkerung betroffen, und die absolute Zahl steigt um etwa 300.000 jedes Jahr. Die Zahl der Patienten mit Diabetes ist im Zeitraum von 1988 bis 2012 um 38% gestiegen. In der Altersgruppe der 70-79 jährigen beträgt die Diabetesprävalenz 20%. Jährlich werden >40 000 Amputationen, 2000 Erblindungen und circa 2300 Niereninsuffizienzen mit Dialysepflicht durch Diabetes verursacht. Von den ca. 18.5 Millionen stationär in Deutschland im Jahr betreuten Patienten gibt es ca. 6 Millionen mit der Nebendiagnose Diabetes. Neben dringend notwendigen und breit angelegten Diabetes-Präventionsmaßnahmen sehen die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) einen dringenden Handlungsbedarf in der Sicherstellung und im Ausbau von stationären Versorgungsstrukturen, die garantieren, dass die Betroffenen sektorenübergreifend eine qualitätsgesicherte und interdisziplinäre Behandlung erfahren. Bei multimorbiden komplexkranken Patienten können durch die breiten konservativen Fächer der o.g. Fachgesellschaften Behandlungsziele individuell besser festgelegt, priorisiert und abgestimmt werden. Bei stationär durchgeführten Eingriffen (z.B. Operationen Gefäßinterventionen) lassen sich so peri-interventionelle Stoffwechselentgleisungen oder Organfunktionseinschränkungen (z.B. Nierenfunktion) primär verhindern und sekundär effektiver therapieren. Im interdisziplinären und interprfessionellen Ansatz kann so schneller die ambulante Weiterversorgung früher geplant und eingeleitet werden. Hierdurch lassen sich klar neben der eindeutigen Verminderung von Komplikationen, Verbesse-rung der Outcomes und der Prognose Liegezeiten im stationären Bereich verkürzen und Kosten im Gesundheitswesen sparen. Bislang werden diese konservativen Komplexbehandlungen nicht adäquat im Fallkostenpauschalen-System der DRGs abgebildet. Insbesondere schlagen hier auch die konsiliarisch durchgeführten Leitungen in anderen Abteilungen (z.B. internistische und endokrinologisch diabetologische konsiliarische Betreuung in operativen-oder neurologischen Abteilungen) nicht zu Buche.

Für die Aus- und Weiterbildung von allgemein tätigen Internisten ist es sehr wichtig, dass Einrichtungen bestehen bleiben, die die gesamte internistische Weiterbildungszeit anbieten können und den Voraussetzungen für Allgemeine Innere Medizin gerecht werden. Dies ist vor allem für den Erhalt und die Verbesserung der Qualitätsstandards der hausärztlich tätigen Internisten sehr wichtig. Genauso sind diese Einrichtungen für die umfassende Weiterbildung in Diabetologie und Endokrinologie essentiell. Hier droht durch die Abteilungsschließungen ein Engpass, der die Zahl von Internisten mit der der Schwerpunktsbezeichnung Endokrinologie und Diabetologie empfindlich reduzieren wird. Der daraus resultierende Fachärztemangel wird unabsehbare Folgen für die stationäre und ambulante Patientenversorgung haben.

Was ist zu tun?

Die oben skizzierte Entwicklung zur Prävalenz älterer multimorbider Patienten mit Stoffwechselerkankungen in Deutschland macht es zwingend erforderlich, in der stationären Versorgung den zukünftigen Bettenbedarf zu erfassen und adäquate Abteilungsstrukturen vorzuhalten und weiter zu entwickeln, die eine breite interdisziplinäre internistische Versorgung ermöglicht. Diese Versorgung muss durch einen integrativen Ansatz eine abgestimmte und wirtschaftliche Behandlung gerade älterer Menschen mit unterschiedlichen chronischen Erkrankungen weiter sicherstellen und verbessern. Durch diefolgenden Punkte kann dieser Ansatz umgesetzt werden:

1. Die von den Fachgesellschaften entwickelten Qualitätskriterien für Einrichtungen in der stationären Versorgung müssen von staatlichen Instituten wie dem IQTiG validiert und in der Fläche ausgerollt werden.

2. Zur Stärkung und Sicherstellung eines „Common Trunk“ in der Aus- und Weiterbildung zum Internisten muss der Anteil von stationären Einrichtungen mit Allgemein-Internistischem Schwerpunkt konstant bleiben

3. Stationäre Einrichtungen mit endokrinologisch-diabetologischem Schwerpunkt müssen erhalten und in Regionen mit Unterversorgung ausgebaut werden

4. Verbesserung der Abbildung konservativer Therapien und Komplexbehandlungen im DRG-
System.

5. Bei der Definition medizinischer Standards für die Versorgung von Menschen mit Hormon- und Diabeteserkrankungen und anderen chronischen Erkrankungen ist die Einbindung der medizinisch-wissenschaftlichen Expertise durch die Fachgesellschaften unerlässlich.

Die Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen muss vor dem Hintergrund der geschilderten Ausgangslage im individuellen Patienten-Interesse und gesamtgesellschaftlich langfristig medizinisch und wirtschaftlich gesichert werden. Die Innere Medizin und die Endokrinologie-Diabetologie sind als typische Querschnittsfächer besonders interdisziplinär ausgerichtet. Sie haben eine ganzheitliche Sicht auf medizinische Zusammenhänge und Probleme. Durch bereits bestehende Qualifizierungs-und Zertifizierungsprogramme für unterschiedliche Sektoren und Berufsgruppen sind Möglichkeiten für ein Versorgungsnetz geschaffen, das optimal genutzt werden kann.

Quellen:

1. Robert Koch Institut. Gesundheitsberichterstattung des Bundes gemeinsam getragen von RKI
und DESTATIS. Gesundheit in Deutschland. Berlin, Nov. 2015.
http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GesInDtld/gesundheit_in_deutschland_2015.pdf (Zugriff 14.02.2015)

2. Deutsche Diabetes Gesellschaft & diabetesDE –Deutsche DIabetehilfe. Deutscher Gesund-
heitsbericht Diabetes 2016. Kirchheim Vlg. Mainz 2016.
http://www.diabetesde.org/fileadmin/users/Patientenseite/PDFs_und_TEXTE/Infomaterial/Gesundheitsbericht_2016.pdf (Zugriff 14.02.2015)

3. Fuchs J, Busch M, Lange C et al. (2012) Prevalence and patterns of morbidity among adults in
Germany –results of the German Telephone Health Interview Survey »German Health Update (GEDA) 2009«.
Bundesgesundheitsbl –Gesundheitsforsch –Gesundheitsschutz 55: 576-583

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Helmut Schatz

Literatur

(1) Pressemitteilung der DGE: Krankenhäuser rationalisieren Innere Medizin weg – Fachgesellschaften warnen vor Versorgungsengpässen für Patienten.
Pressemitteilung der DGE vom 17. März 2016

(2) Ärzteblatt.de, 17. März 2016: Internisten warnen vor Bettenabbau in endokrinologischen Abteilungen

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One Response to Deutsche Endokrinologen und Diabetologen warnen zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin vor Engpässen in der Patientenversorgung

  1. Lorenz says:

    Sehr verehrter Professor Schatz,

    Die oben beschriebene Entwicklung hat in kleineren Städten, wie Gera (90.000 Einwohner) schon Anfang der 90´ger Jahre begonnen. Auch mittelgroße Kliniken in der Peripherie, mit Bettenzahlen um 1000 haben zu dieser Zeit bereits ihre endokrinologischen Abteilungen geschlossen, da sie wirtschaftlich nicht rentabel sind. Seit dieser Zeit gibt es also auch keine Weiterbildungsmöglichkeiten für Ärzte im Fachbereich Endokrinologie in diesen Regionen und somit auch keine Chance auf eine fachspeziefische Versorgung der Patienten in der Zukunft, da in den nächsten 5 Jahren die letzten Fachärzte mit entsprechenden Kenntnissen in den Ruhestand gehen (es sei denn, sie haben in Eigeninitiative Ärzte selbst nebenberuflich weitergebildet um das Fachgebiet am Leben zu halten). Nicht jeder hat die Kraft und die Zeit eine solche Aufgabe zu erfüllen! Aber nicht nur die Fachärzte werden zukünftig fehlen, es wird auch für Allgemeinärzte und hausärztlich tätige Internisten immer schwieriger werden, endokrinologische Weiterbildungen zu bekommen, da diese in der Region nicht mehr verfügbar sind und weil auch seitens der Pharmaindustrie seit Jahren kaum noch Weiterbildungen im Fachgebiet angeboten werden.

    Auch ich sehe mit großer Sorge in die Zukunft der Versorgung von Patienten mit endokrinologischen Erkrankungen in Deutschland.

    Dr. Bernd Lorenz
    Schwerpunktpraxis Thyreologie/Endokrinologie
    Bruno-Brause-Sir.6a
    07549 Gera
    Mail: b_lorenz@gmx.net

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