Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Neues zu koronarer Herzkrankheit und Lipiden auf dem Europäischen Kardiologenkongress (ESC) in Barcelona 2017. Teil III: REVEAL-Studie mit dem CETP-Hemmer Anacetrapib


Graz, 3. September 2017:

In die Hemmer des Cholesterinester-Transfer-Proteins (CETP-Hemmer), welche HDL-Cholesterin stark erhöhten, aber auch in wechselndem Ausmass das LDL absenkten, setzte man grosse Hoffnungen, die bisher enttäuscht wurden: Mit Torcetrapib gab es vermehrt statt vermindert kardiovaskuläre (CV) Ereignisse, mit Dalcetrapib und Evacetrapib wurde auch keine Verbesserung der CV Prognose gefunden. Umso mehr waren viele überrascht, dass mit dem CETP-Hemmer Anacetrapib von der Firma Merck&Co (in Deutschland: MSD) „signifikant verminderte“ CV Ereignisse vorab – ohne Zahlenangaben – mitgeteilt wurden (siehe DGE-Blog Lit.1). Auf dem ESC-Kongress wurden nun die genauen Daten der REVEAL-Studie präsentiert und zeitgleich auch publiziert (2). Die Resultate sollen hier unter Verwendung der in Barcelona gezeigten Original-Tabellen wiedergegeben werden.

Kommentar

Die Tabelle unten fasst die REVEAL-Studie kurz zusammen. Am Ende ist der Kommentar des Kardiologen Steven Nissen von der Cleveland Clinic angeführt. Die von ihm erwähnte relative Reduktion von 9% an CV Ereignissen in 4.1 Jahren entspricht einer absoluten Risikoabnahme von etwa 1%, liegt also noch unter dem schon recht geringen Outcome mit dem PCSK9-Hemmer Evolocumab in FOURIER von 1.5 % in 2.2 Jahren (3). Übrigens wurde nach Vorstellung einer post-hoc-Analyse von FOURIER durch Robert Giuliamo auf dem ESC-Kongress in Barcelona auch der klinischer Nutzen der PCSK9-Hemmer von John Mandola zum gegenwärtigen Zeitpunkt kritisch hinterfragt. Er schrieb: „Before embracing the expensive PCSK9 inhibitors or the aggressive strategy of using increasing doses of medications to achieve the lowest possible LDL-C, I think we need longer-term safety data and clear survival benefits. We are not there yet” (4).

Bei den REVEAL-Ergebnissen ist zu berücksichtigen, dass der mittlere Ausgangsspiegel für LDL zu Beginn durch Atorvastatin bereits auf 61 mg/dl (1.6 mmol/L) abgesenkt war. Dennoch erscheinen die Ergebnisse, wie im Blogbeitrag vom 5. Juli 2017 (1) schon vermutet, als klinisch kaum relevant, wenn sie auch „statistisch signifikant“ waren.

Wie man auf den Fluren in Barcelona hören konnte, sind bei der Firma deshalb Überlegungen im Gange, ob man Anacetrapib überhaupt zur Zulassung einreichen solle.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Helmut Schatz: Anaceptrapib: Cholesterinsynthesehemmer zeigt in REVEAL-Studie kardiovaskulären Nutzen.
DGE-Blogbeitrag vom 5. Juli 2017

(2) The HPS3/Timi55-REVEAL Collaborative Group: Effects of anacetrapib in patients with atherosclerotic vascular disease.
New Engl. J. Med., downloaded from nejm.org on August 320, 2017

(3) Helmut Schatz: Die Daten der kardiovaskulären Outcome-Studie FOURIER mit dem PCSK9-Hemmer Evolocumab.
DGE-Blogbeitrag vom 22. März 2017

(4) John Mandrola: FOURIER: Very low LDL-C post hoc analysis doesn´t move the needle.
http://www.medscape.com/viewarticle/885108_print

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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2 Antworten auf Neues zu koronarer Herzkrankheit und Lipiden auf dem Europäischen Kardiologenkongress (ESC) in Barcelona 2017. Teil III: REVEAL-Studie mit dem CETP-Hemmer Anacetrapib

  1. Helmut Schatz sagt:

    Auch zu dieser Studie ein kritischer Kommentar von Sanjay Kaul im Internet: „That the 1% difference in the primary endpoint achieved statistical significance has more to do with the sample size (about 30,000) than with the „miracle of medicine.“

  2. TS sagt:

    Sehr geehrter Herr Prof. Schatz!

    Ein wesentliches Einsatzgebiet von Anacetrapib ist der Fall der familiären Hypercholesterinämie (d. h. durch Genvariation sind die Cholesterinwerte im Blut erhöht). Die häufigste Ausprägung ist dort der sogenannte „Rezeptordefekt“, bei dem die Zellrezeptoren für die Aufnahme von Cholesterin aus dem Blut geschwächt sind. Es kann daher weniger Cholesterin in die Zellen aufgenommen werden, obwohl im Blut eigentlich genug zur Verfügung stehen würde. Die Zellen „rufen“ deshalb nach mehr Cholesterin, die Leber produziert und der Cholesterinspiegel steigt. Mit den bekannten Konsequenzen.
    Es besteht folgendes Bedenken: Bei einem Rezeptordefekt wird die Schwäche der Zellrezeptoren durch eine übermäßige Produktion von Cholesterin in der Leber und in der Folge im Blut ausgeglichen. Logisch wäre es, den Rezeptordefekt zu beheben, aber dazu sind wir genetisch noch nicht in der Lage. Wird jetzt der Cholesterinspiegel im Blut durch Medikamente gesenkt (gilt auch für Statine und PCSK9-Hemmer), dann setzt ja wieder eine Unterversorgung der Zellen ein und eine darauf folgende Erhöhungsspirale für Cholesterin. Oder, wenn es wirklich gelingt, den Cholesterinspiegel im Blut konstant niedrig zu halten, dann bleibt die Mangelsituation der rezeptorschwachen Zellen ja erhalten, wird sogar massiv verstärkt. Wurde dieser Mechanismus untersucht?
    MfG TS

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