Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Eunuchen leben 15 Jahre länger als nicht kastrierte Männer


Bochum, 2. Oktober 2012. Eine Studie an Eunuchen des Koreanischen Kaiserhofs der Chosun-Dynastie (1392-1910) ergab für diese ein mittleres Lebensalter von 70 Jahren, während es bei vergleichbaren normalen Männern aus dieser Zeit etwa 55 Jahre betrug (1).

Beim Menschen und auch bei vielen Säugetieren leben die Frauen länger als die Männer. Unter anderem hat man angenommen, dass das männliche Geschlechtshormon bei der natürlichen Immunabwehr eine antagonistische Rolle spielt (2). Auch könnte Testosteron zu koronarer Herzkrankheit prädisponieren (3). Umgekehrt war bei Tieren schon lange bekannt, dass Kastration die Lebensspanne verlängert (4). Beim Menschen sind die Ergebnisse nicht eindeutig. So fanden beispielsweise Nieschlag et al. (5), dass sich das erreichte Alter von Kastratensängern nicht wesentlich von dem nichtkastrierter Sänger unterschied.

Das Besondere bei den Kastraten des Koreanische Kaiserhofs, im Unterschied etwa zum Chinesischen Kaiserreich war, dass die Kastraten heiraten konnten und kastrierte Jungen sowie Mädchen adoptieren durften. Die Familien führten ein weitgehend normales Leben, das sich kaum von dem normaler Familien unterschied. Es bestehen Stammbäume von Kastratenfamilien über viele Generationen. Die Autoren (1) analysierten den Yang-SeGye-Bo, eine Eunuchen-Genealogie aus dem 19. Jahrhundert. Unter 383 Eunuchen liessen sich bei 81 der Geburts- und Todestag feststellen. Als Vergleich dienten Stammbäume dreier vergleichbarer Familien von Nicht-Eunuchen. Abbildung 1 zeigt graphisch die Daten der Eunuchen und der Familien Mok, Shin und Seo. Der Unterschied springt ins Auge. Auch fanden sich unter den 81 Eunuchen drei Hundertjährige (100, 101 und 109 Jahre), eine Inzidenz etwa 130x höher als heute in Japan (1:3500) oder USA (1:4400). Zusammenfassend sprechen diese Daten dafür, dass auch beim Menschen das männliche Sexualhormon die Lebensdauer verkürzt.

Kommentar des Referenten:

Die Ergebnisse bei den Koreanischen Eunuchen stehen in Einklang mit der längeren Lebenserwartung von Frauen im Vergleich zu Männern. Ein Prostatakarzinom wird bei den koreanischen Kastraten wohl kaum vorgekommen sein und zum Tode geführt haben. Wenn auch das Prostatakarzinom heute die häufigste Krebsform des Mannes ist, so spielt es als Todesursache gegenüber den Herz-Kreislauferkrankungen jedoch nur eine ganz untergeordnete Rolle. Unzureichend erscheinen die bisherigen Untersuchungsergebnisse über die Mechanismen, wie die Testosteron lebensverkürzend wirkt.

Literatur:

(1) Kyung-Jin Min et al.: The lifespan of Korean eunuchs.
Current Biology 2012. 22 (No.18) R792

(2) M.L. Roberts et al.: Testing the immune competence handicap hypothesis: a review of the evidence.
Anim. Behav. 2004. 68: 883-889

(3) M.D. Schwarcz und W.H. Frishman: Testostserone and coronary artery disease.
Cardiol.Rev. 2010. 18: 251-257

(4) D. Drori und Y. Folman: Environmental effects on longevity in the male rat: exercise, mating, castration and restricted feeding.
Exp.Gerontol. 1976. 11: 25-32

(5) E. Nieschlag et al.: Lifespan and testosterone
1993. Nature 366: 215


Abbildung 1

Posted on by Prof. Helmut Schatz
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